Direkt zum Inhalt
Debatte um Trans-Gesetz
Rubrik

Debatte um Trans-Gesetz FDP-Justizminister Buschmann widerspricht Plänen der Grünen

ms - 09.01.2023 - 07:39 Uhr

Die Debatte um die Frage, wann und wie konkret das geplante neue Selbstbestimmungsgesetz kommt, erhitzt seit dem vergangenen Wochenende abermals die Gemüter – Anlass ist ein Zeit-Interview mit Justizminister Marco Buschmann, in dem der FDP-Politiker von Sorgen spricht, die in der Gesellschaft diesbezüglich aufgekommen sind. Diese Punkte müssten vorab genau geklärt werden, weswegen es aktuell zu Verzögerungen bei der Ausarbeitung des Gesetzentwurfes kommt.

Verzögerungen bei Gesetzentwurf

Dass das neue Gesetz nicht wie zeitlich geplant umgesetzt werden kann, bestätigte Tage zuvor bereits der Queer-Beauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann. Bereits im vergangenen Jahr sollte das Gesetz eigentlich bereits ausgearbeitet werden, verzögerte sich aber immer wieder. Lehmann erklärte dann vor wenigen Tagen: „Die Arbeit an dem Gesetzentwurf dauert wegen Klärung einiger Fachfragen etwas länger als geplant." Offensichtlich scheint, dass es zwischen den beiden betroffenen Ministerien, dem FDP-geführten Justizministerium sowie dem Grünen-geführten Bundesfamilienministerium Uneinigkeiten gibt. Bereits kurz vor der Sommerpause im Juli letzten Jahres überraschte die Präsentation der ersten Eckpunkte zum Selbstbestimmungsgesetz. Entgegen den Wünschen des Familienministeriums um Ministerin Lisa Paus war darin festgehalten worden, dass Jugendliche ab 14 Jahren künftig nur mit Erlaubnis der Eltern oder durch Festlegung des Familiengerichts eine Geschlechtsänderung vor dem Gesetz vornehmen lassen dürfen – die Grünen wollten diese Entscheidung den Minderjährigen freibestimmt überlassen.

Leichter, nicht leichtfertig

Im Zeit-Interview erklärte nun Buschmann, dass diese Änderung maßgeblich durch ihn erfolgte: „Ich habe persönlich durchgesetzt, dass bei Minderjährigen die Eltern eine starke Rolle im Verfahren haben. Wenn die Eltern der festen Überzeugung sind, dass es sich um einen vorübergehenden Wunsch handelt, können sie die Veränderung des Geschlechtseintrags ja auch verweigern. Sollte es dann mal zu einem Konflikt zwischen Eltern und Kindern kommen, gäbe es den Weg über ein Familiengericht. Wir machen die Dinge leichter – aber nicht leichtfertiger.“ Bereits dieser Schritt sorgte im vergangenen Jahr für Kritik seitens queerer Aktivisten, mit den jüngsten Statements nun wird die Debatte von Tag zu Tag hitziger.

Im Fokus: Schutzräume für Frauen

Dabei geht es auch um eines der zentralen Streitpunkte bei dem Gesetzesvorhaben: Während Frauenorganisationen und Feministinnen den Wegfall von wichtigen Schutzräumen befürchten, wenn künftig auch Männer ohne eine psychologische oder anderweitige Überprüfung ihr Geschlecht einmal im Jahr ändern können sollen, sehen Trans-Aktivisten darin eine Form der Gleichberechtigung. Justizminister Buschmann erklärte dazu jetzt: „Wir haben wahrgenommen, dass es Sorgen gibt, die sich auf die Rechtsfolgen des Geschlechtswechsels beziehen. Dabei geht es hier in Wahrheit in erster Linie um das Verhältnis zwischen Bürger und Staat – um die Änderung eines Eintrags in einem staatlichen Register. Wir werden klarstellen, was das bedeutet. Die Anrede in einem behördlichen Schreiben muss beispielsweise die geschlechtliche Identität, die ein Mensch für sich gewählt hat, respektieren und akzeptieren. Aber die Betreiberin einer Frauensauna soll auch künftig sagen können: Ich will hier dem Schutz der Intimsphäre meiner Kundinnen Rechnung tragen und knüpfe daher an die äußere Erscheinung eines Menschen an. Die Betreiber dürfen dann beispielsweise nicht dem Risiko einer Klage nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz ausgesetzt sein. Das müssen wir sauber regeln. Das ist technisch anspruchsvoll und muss gründlich erarbeitet sein.“

Kehrtwende beim Selbstbestimmungsgesetz?

Wenig davon begeistert zeigte sich Sven Lehmann, der via Twitter erklärte: "Die Bundesregierung wird sich daran messen lassen müssen, dass ein Selbstbestimmungsgesetz Diskriminierung abbaut und nicht neue aufbaut". Die Linke.queer sprach sogar von einer „Kehrwende“ von Teilen der Bundesregierung. Während Feministinnen und Frauen-Aktivistinnen online die Aussagen des Justizministers feiern und sich freuen, dass ihre Sorgen offenbar gehört werden, deuten Trans-Aktivisten Buschmanns Statements als transfeindlich.

Keine medizinischen Eingriffe an Jugendlichen

Buschmann selbst stärkte indes die grundsätzliche Position von Trans-Menschen im Interview noch und erklärte zudem: „Ich glaube nicht, dass man die Gleichung aufstellen kann, aus einer Änderung des Geschlechtseintrags auf dem Standesamt folgten zwangsläufig medizinische Maßnahmen zur Geschlechtsangleichung. Da stellt man sich die komplexen, schwierigen seelischen Prozesse, die in transidenten Menschen vorgehen, zu einfach vor. Diese Menschen leiden mitunter sehr und sie haben lange nachgedacht, ob sie diesen Schritt gehen.“ Dabei stellt sich der FDP-Politiker auch der Kritik entgegen, viele Menschen würden bei der Verabschiedung eines neuen Selbstbestimmungsgesetzes dann leichtfertig mit den neuen Möglichkeiten umgehen.

Eine klare Absage erteilte der Justizminister den immer wieder geäußerten Bedenken, dass im Zuge eines neuen Selbstbestimmungsgesetzes auch medizinische Eingriffe künftig an Minderjährigen in einem nächsten Schritt denkbar wären: „Hier haben alle medizinischen Fachgesellschaften in Deutschland den gleichen Standpunkt, den auch die Bundesregierung teilt: Solche Behandlungen sollen in Deutschland nicht an Minderjährigen vorgenommen werden. Daran wollen wir auch nichts ändern.“

Zeitplan völlig unklar

Es ist zu vermuten, dass die Debatten weiter an Fahrt aufnehmen werden, gerade auch innerhalb der Ampel-Koalition. Wann ein erster ausgearbeiteter Gesetzentwurf vorliegen beziehungsweise wann das Gesetz verabschiedet werden könnte, ist aktuell gänzlich offen. Bundesfamilienministerin Lisa Paus hatte kurz zuvor noch den Sommer dieses Jahres anvisiert, ob es dabei wirklich bleibt, ist fraglich. Buschmann wollte sich auf keinen Termin festlegen angesichts der offenen Fragen und erklärte nur, dass er motiviert sei, „zügig voranzukommen“.

Auch Interessant

Showdown im Bundestag

Offener Brief gegen Asylgesetz

Hunderte Künstler protestierten in einem Offenen Brief gegen ein für heute geplantes neues Asylgesetz der Union, darunter auch LGBTIQ+-Vertreter.
Kampf gegen Menschenrechte

Neues Gesetzvorhaben in Namibia

Kein Ende in Sicht: Namibias Regierung stellt sich erneut gegen die liberalen Obersten Richter des Landes und gegen LGBTIQ+ Rechte.
Fluchtwelle in den USA

Angst bei LGBTIQ+ Jugendlichen

Aus Angst vor Hass und Anfeindung verließen 2024 rund 266.000 queere Jugendliche in den USA ihren Heimat-Bundestaat.
Strafanzeige gegen AfD

Linke queer geht gegen AfD vor

Die Linke queer hat Strafanzeige gegen die AfD in der Stadt Falkensee gestellt. Streitpunkt sind Regenbogenfahnen an öffentlichen Gebäuden.
Queere Gesundheitsversorgung

Neue Wege in Thailand

Nach der Einführung der Homo-Ehe geht Thailands Regierung erneut auf die Community zu und schafft Verbesserungen im Gesundheitsbereich.
Strafanzeige gegen Milei

Rede mit juristischen Folgen

Strafanzeige gegen Argentiniens Staatspräsident Javier Milei: In einer Rede setzte er Homosexualität mit Pädophilie gleich.
AfD-Verbot

Debatte im Bundestag

Der LSVD+ begrüßt die Debatte um ein mögliches Verbot der AfD und betont die queerfeindliche Haltung der Partei.
Community in Großbritannien

Die Community wächst stark

In Großbritannien definieren sich mehr Menschen als jemals zuvor als lesbisch, schwul oder bi, besonders stark vertreten sind bisexuelle Personen.
Richtlinien an US-Schulen

Trump unterzeichnet neue Verordnung

US-Präsident Donald Trump heut jetzt neue Verbote für alle staatlichen Schulen festgesetzt - betroffen sind insbesondere queere Schüler.