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Frank Weyerbusch // © vvg
Rubrik

Umfrage Was macht dich fassungslos?

vvg - 08.09.2024 - 14:00 Uhr

Mich macht die Oberflächlichkeit in der Szene fassungslos. Der Mensch an sich zählt gar nichts mehr. Er wird nur noch auf seine äußeren Attribute und seine sexuellen Präferenzen reduziert. Das ist besonders deutlich auf den Plattformen wie Romeo oder Grindr deutlich und dieses Auswahlverhalten aus den Medien verlagert sich auch immer mehr in die Realität, in den Alltag. Geht es darum dich direkt als Person kennenzulernen bei einem Kaffee oder Bier wird man meist sofort geblockt, gesperrt oder signalisiert kein Interesse mehr, weil der Charakter oder innere Werte einer Person nicht mehr von Bedeutung scheinen. Ich weiß nicht, was diese Personen im Internet eigentlich suchen, denn zu sexuellen Verabredungen kommt es auch äußerst selten, was mir auch von Freunde immer wieder berichtet wird. Wahrscheinlich suchen sie den Traumprinzen auf dem goldenen Pferd.

So wie ich es aus meiner Sturm und Drangzeit kenn, wurde geflirtet, man sprach miteinander, trank ein Bierchen, auch wenn es danach nicht unbedingt zum Sex kam. Es war trotzdem ein schöner Abend.

Aber auch an realen Orten wie Saunen oder Kneipen, geht ohne das Smartphone auch nichts mehr. Statt sich zu unterhalten, starrt jeder auf sein Display oder rennt in der Sauna zum Spind, weil ja jemand im Handy gecruist haben und virtuell interessanter sein könnte. 

Und wenn es in der Sauna zum Sex kommt, dann rennt man danach auseinander, als würde man sich nicht kennen.

Das ist auch kein Generationsproblem, das ist ein Problem für alle Generationen. Ich kann nur raten, ändert dieses Verhalten, sonst werden wir irgendwann alle verdammt einsam sein und kaum noch wirkliche Freunde haben. Beim CSD zeigen wir unseren Zusammenhalt, der aber eigentlich nur noch ein Schein ist.

Frank Weyerbusch/Westerwald

Gregor // © vvg

Mich macht gegenwärtig fassungslos, dass die extremen politischen Ränder - allen voran die AfD - so an Stärke gewinnen und stabil mit 15-18% von Seiten der Bevölkerung hofiert werden. Da muss man dringend überlegen, was das für Menschen sind, die eine faschistische Partei wählen und ob diese wieder für die Demokratie gewonnen werden könnten. Mich wundert auch stark, dass sich in dieser Partei queere Personen engagieren und dort eine vermeintlich „Heimat“ finden.

Das ist aber nicht allein ein deutsches Phänomen. Das gilt ebenso für Europa, für Italien, Frankreich oder die USA. Wieso wählen Menschen diese Parteien am rechten Rand? Was bewegt sie dazu?

Wir gewinnen diese Menschen nicht, wenn wir diese Parteien verurteilen oder ihre Politik offen entlarven. Das hat stark mit Emotionen zu tun, weniger mit Intelligenz. Und in der Opferrolle fühlen sich diese Parteien mit am wohlsten und buhlen um das Mitleid ihrer Anhänger.

Die gesellschaftlichen Umbrüche in letzter Zeit, begonnen mit dem Strom der Asylbewerber, der Corona-Krise oder den Konflikten in Nahost und in Osteuropa führen zu Ängsten einer nicht zu planenden Zukunft. Und wer darauf die einfachsten Antworten für Lösungen gibt, auch wenn es nur Parolen und Lügen sind, kann leicht auf Stimmenfang gehen.

Die Jugend rebelliert gegen die Alten, das ist schon immer so, aber dass man so geschichtsvergessen da drangeht, bereitet mir große Sorgen. Jetzt kommt am linken Rand noch eine sehr personenbezogene Partei dazu und wir sind nicht mehr weit entfernt von Zuständen am Ende der Weimarer Republik. Und die Anwendung von körperlicher Gewalt bis hin zu Morden (Walter Lübcke) und Mordphantasien nimmt ebenso zu. Das macht mich fassungslos aber gleichzeitig engagiere ich mich politisch umso mehr.

Gregor aus Bielefeld  

Markus Oliver // © vvg

Mich hat die Intoleranz von Gastwirten gegenüber schwulen Gästen fassungslos gemacht. Ich war im letzten Jahr auf dem CSD in Mönchengladbach-Rheydt, wo Gastwirte auf dem Marktplatz schwulen Gästen, die Hand in Hand gingen oder sich küssten mit den Worten „Das dulden wir hier nicht in unserem Umfeld!“ den Weg gewiesen haben. Es waren aber nicht - wie man vielleicht vermuten würde - nur Gastronomen mit arabischem Hintergrund beteiligt, es waren auch deutsche Wirte dabei.

Ich selbst hatte jemanden kennen gelernt, mit dem ich – kurz bevor ich wegen eines noch anstehenden Termin gehen musste – noch einen Kaffee in einem dieser Lokale getrunken habe. Hätte ich die darauffolgenden Ereignisse geahnt, wäre ich mit Sicherheit geblieben, denn was an diesem späten Nachmittag noch folgte, ging gar nicht. Ein Trans-FtM-Mann wurde von vier Personen verprügelt und krankenhausreif geschlagen. Die Prügelei wurde erst beendet, als die Polizei eintraf. Das habe ich aber erst später erfahren.

Für mich bleiben da einige Fragen offen: Warum haben die Medien da nicht drüber berichtet? Was war mit dem Verein der den CSD organisiert, der sich angeblich für unsere Rechte einsetzt? Wie hat der Organisator des CSDs reagiert und wie die Polizei und das Krankenhaus? Angeblich seht noch eine Gerichtsverhandlung aus – aber alles ist noch im Unklaren. Irgendwie bleibt der Verdacht, dass man diesen Fall unter den Teppich kehren will. Für mich gehört dazu, dass diese Gastronomen ihre Konzession verlieren und die anderen die nicht zu Hilfe kamen, sollten verwarnt werden. Wir müssen uns diesen Anfängen erwehren, sonst führt es dazu, dass Mitglieder der Community verunsichert werden noch mehr Ängste vor Diskriminierungen, toxischen Begegnungen und weiteren brutalen Überfällen entwickeln. Wird es wieder einen CSD in Mönchengladbach geben?

Markus Oliver aus Mönchengladbach  

Pascal // © vvg

Fassungslos machen mich aktuell die politischen Umfragen im Osten bezüglich der AfD und dass diese voraussichtlich die stärkste Partei in Länderparlamenten werden kann. Das polemische Auftreten der AfD und einfach irgendetwas in den Raum rufen verfängt leider bei einigen unzufriedenen Leuten. Die Leute Hinterfragen dies nicht mehr, sondern sehen sie eher als Heilbringer für die Lösung aller Probleme. Wenn man persönlich unzufrieden ist, sucht man nach einem Sündenbock und die AFD präsentiert sich als Heilbringer und diffamiert alle anderen politischen Kräfte. Wenn man das nicht hinterfragt, scheint die Wahl der AfD die einfachste Lösung. Der Westen Deutschlands scheint da etwas gefeit gegen zu sein, aber wenn ich meine Heimatgemeinde anschaue, da sind auch gut 18% AfD Wähler bei der Europawahl dabei gewesen. Die AfD wurde auch bei uns drittstärkste Kraft. Die Tendenzen zeigen leider alle in eine Richtung. 

Gesetzt den Fall, dass eine rechte Partei an die Macht käme, würde ich genauso weitermachen wie bisher. Ich bin politisch aktiv bei den GRÜNEN, bin beim CSD in Karlsruhe dabei und engagiere mich bei PETA. Da würde ich mein Engagement nur noch verstärken. Für mich käme auch nicht in Frage, mein Land zu verlassen, denn wenn das alle demokratischen Kräfte tun würden, gäbe es ja keinen Widerstand mehr gegen Rechts – ungern mit Gewalt, nur wenn es um mein eigenes Überleben ginge, wäre ich auch gewaltbereit.

Meine Hoffnung ist, dass die Menschen begreifen, dass die AfD keine sinnvolle Alternative bietet, was man ja bereits dort sieht, wo AfDler politische Posten bezogen haben. Realistisch betrachtet habe ich aber schon Angst, dass wir eine AfD-Regierung bekommen und es Gesetze geben wird, die Zeiten für queere Menschen und andere Minderheiten gefährlicher werden können.

Pascal aus Karlsruhe

Raphael // © vvg

Fassungslos machen mich diese Vorurteile, die gegen uns gerichtet sind und mit denen wir im alltäglichen Leben umgehen müssen. So wie wir auf den CSDs und Prides sind, können wir nicht jeden Tag sein – durch unsere Gemeinschaft stark. Ich habe es selber erlebt, wie andere Leute uns fertigmachen, wie sie uns diskriminieren und stigmatisieren. Wir sind ebenso wie alle anderen Menschen - auch hier in Duisburg –Teil der Gesellschaft und Teil des Lebens. Aber ich kann immer noch nicht Hand in Hand mit meinem Partner durch Duisburg laufen. Bei der Demo im letzten Jahr haben wir teilweise sehr verachtende Blicke bekommen. Man wollte uns anspucken und blöde anmachen. Ich habe erlebt, dass ein Ehrenamtlicher bei der Demo angefeindet wurde, mit den Worten „Du schwule Sau, was machst du hier überhaupt?“ beschimpft wurde. So etwas ist einfach menschenverachtend und geht gar nicht. Es sind Leute die halt keine Aufklärung mitbekommen haben; aber Leute, die schon ewig hier wohnen und leben und eigentlich verlangen, dass man sie in die deutsche Gesellschaft integriert.

Und wenn ich dann sehe, was eine sehr rechte Partei für einen enormen Schub nach der letzten Europa-Wahl bekommen hat, bekomme ich es sogar mit der Angst zu tun. Ich bin Halb-Spanier und mache mir Gedanken, was passieren wird, wenn sie an die Macht kommen. Muss ich als Ausländer oder als schwuler Mann Angst haben? Und welche Partei hält dann wirklich zu uns, wenn es gegen Queerfeindlichkeit geht? Wenn es erst blau oder braun wird, dann kann es gesellschaftlich nur schlimmer werden.

Mein Rat an alle: Geht auf die Straße, kommt zu den CSDs, macht euch sichtbar und seid so, wie ihr sein wollt. 

Raphael aus Duisburg

Tim // © vvg

Mich macht fassungslos - wir sind hiergerade auf dem CSD in Frankfurt – dass eine Veranstaltung, die einmal als Widerstand gegen Repressionen gestartet ist, in manchen Städten Deutschlands zum Karneval verkommen ist. Ich bin selbst Karnevalsgänger und habe nichts gegen Karneval und habe auch nichts dagegen, dass man sich feiert, aber der CSD ist zum großen Teil entpolitisiert und dafür kommerzialisiert. Viele junge Leute wissen gar nicht mehr, warum wir einstmals auf die Straße gegangen sind, und was in Stonewall passiert war. Das macht mich fassungslos - das macht mich aber nicht hoffnungslos. Die Idee des Cristopher Street Days ist lebendig und Menschen, die heute hier erstmal nur zum Feiern gekommen sind, verstehen vor allem durch das Engagement der haupt- und ehrenamtlichen Helfer, warum wir heute auf der Straße sind. Auf der Infomeile gibt es ja zum Glück noch Informationen zum eigentlichen Grund und die, die zeigen, wie sie aktiv etwas für die Community tun. Das ist im Sinne eines CSDs. Wir müssen der neuen Generation klarmachen, woher wir kommen, worum es geht, wie weit wir schon gekommen sind und was wir schön erkämpft haben. Das sind alles keine Geschenke von irgendwem. 

Die Zeiten werden wieder angespannter und der Kampf muss weitergeführt werden, solange wie auch in nur einem Land auf Homosexualität Gefängnis oder die Todesstrafe steht.

Wir müssen weiter auffallen, demonstrieren und auch provozieren, damit sich unsere Feinde selbst entlarven. Wir müssen uns bunt zeigen und auch verkleiden, aber immer mit dem Wissen, dass es kein Karneval ist, sondern eine politische Aktion. Und Konzerne, die beim CSD dabei sind, weil es gerade IN ist Pink-Washing zu betreiben, haben hier ebenso nichts verloren.

Tim aus Frankfurt/Main

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