Akzeptanz am Limit Erstmals sinken die Zustimmungswerte gegenüber LGBTI*-Menschen in Kanada – die Community streitet dabei über das Warum
Seit Jahren gilt Kanada als eines der schwulenfreundlichsten Länder weltweit, schwule Szeneviertel und ihre Treffpunkte haben sich bereits vor über einem Jahrzehnt in den Großstädten nach und nach verstreut, schlicht, weil es keinen eigenen Safe Space mehr brauchte – Schwule und Lesben waren überall willkommen. Auch Gewalttaten gegenüber Homosexuellen hatten Seltenheitswert. Das scheint sich nun deutlich zu ändern.
Rapide Abnahme von Akzeptanz
Eine neue Ipsos-Studie zeigte jetzt auf, dass die Sichtbarkeit von LGBTI* rückläufig ist – und mit ihr offenbar ähnlich wie in immer mehr anderen Ländern weltweit auch die Akzeptanz gegenüber LGBTI*-Menschen. Befragt wurden rund 18.500 Erwachsene aus 26 Ländern. In Kanada hat die Unterstützung für die Community dabei „rapide abgenommen“, so Sanyam Sethi, Ipsos-Vizepräsidentin.
„Was mir wirklich auffiel, war, wie stark die Kanadier ihre Meinung ändern. Bei einigen dieser Unterstützungsaspekte sind die Rückgänge in Kanada die höchsten in allen 26 Ländern, für die wir Trenddaten haben“, betont die Expertin weiter. So stimmte nur noch eine Minderheit von 49 Prozent der Kanadier zu, dass Menschen offen über ihre sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität sprechen sollten – vor drei Jahren waren das noch 12 Prozent mehr.
Öffentliche Zuneigungen wie Küsse oder Händchenhalten wollen nur noch 40 Prozent der Kanadier bei LGBTI*-Personen sehen, ein Rückgang um acht Prozent. Um zehn Prozent sank der Wunsch nach LGBTI*-Charakteren auf den TV-Bildschirmen, nur ein Drittel will das überhaupt noch. Damit einhergehend steigt inzwischen auch die Hasskriminalität massiv an: Im Jahr 2023 wurden 860 Fälle registriert – der vierfache Wert im Vergleich zum Jahr 2019.
Warum sinkt die Toleranz?
Die große Frage ist jene nach dem Warum? Kanadische LGBTI*-Aktivisten erklärten, der Rückgang sei auf aggressive, zumeist rechtspopulistische Anti-LGBTI*-Kampagnen zurückzuführen – wenngleich es diese in Kanada in der Breite so gut wie gar nicht gibt, sondern nur im Nachbarland, den USA.
Einige homosexuelle Aktivisten indes wollen einen anderen Trend erkannt haben, eine Spaltung der LGBTI*-Community – dabei lohnt der genaue Blick auf die Ergebnisse. Konkret nach Schwulen und Lesben befragt, sind die Zustimmungswerte in Kanada nach wie vor hoch: 75 Prozent sprechen sich für gleichgeschlechtliche Partnerschaften aus, vier Punkte mehr als im weltweiten Durchschnitt; 70 Prozent befürworten das Recht gleichgeschlechtlicher Paare auf Adoption, sieben Punkte mehr als im weltweiten Durchschnitt.
Spaltung der Community?
Für die umstrittene kanadische Autorin und Feministin Meghan Murphy bestätigen die neusten Daten eine Spaltung der Community, die sich auch durch die Gesamtgesellschaft zieht: Während die Unterstützungswerte für Homosexuelle noch sehr hoch sind, schwinde der „Enthusiasmus für die Rechte von Transsexuellen“. So betont die Autorin konkret: „Die Bewegung für die Rechte von Homosexuellen war erfolgreich, weil sie sinnvoll war. Die Forderung nach Gleichberechtigung war sinnvoll, weil sie gleichgeschlechtlichen Paaren die Eheschließung ermöglichte. Der Einsatz gegen homophobe Gewalt war sinnvoll, weil Schwule und Lesben tatsächlich aufgrund ihrer Sexualität und ihres Aussehens angegriffen wurden (…) Das Problem ist, dass die Slogans, Argumente und Forderungen der Schwulen- und Lesbenrechtsbewegung jede Bedeutung verlieren, wenn sie auf Transgenderismus angewendet werden.“
Diese Erkenntnis verbreite sich auch immer mehr in der heterosexuellen Gesellschaft Kanadas, betont Murphy weiter: „Die Rechte von Transsexuellen sind keine Erweiterung der Schwulenrechtsbewegung, sondern eine zerstörerische Kraft. (…) Die Menschen können sich mit dem Konzept der ´Akzeptanz´ anfreunden, das im Allgemeinen gut ist. Aber sie mögen es nicht, wenn ihnen unsinnige Dinge auf Schritt und Tritt aufgedrängt werden. Und die Trans-Ideologie ist ebenso unausweichlich wie absurd geworden und taucht überall auf, von Schulen über Sport bis hin zu Bierdosen.“ Trans-Verbände indes widersprechen Murphy vehement und brandmarkten die Autorin mehrfach als transphob.