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Groteske Gerichtsfarce
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Groteske Gerichtsfarce Türkisches Gerichtsgutachten belegt Polizeigewalt gegen LGBTI*-Menschen

ms - 17.05.2024 - 10:00 Uhr

Die Türkei zeigt einmal mehr, wie ernst sie es meint mit ihrem Kampf gegen die LGBTI*-Community: Aktuell müssen sich jetzt 42 Menschen vor Gericht verantworten, weil sie im Jahr 2022 am kurzfristig verbotenen Ankara Pride March teilgenommen hatten. 

Druck aus dem Staatspalast 

In den letzten Jahren waren immer wieder Prides in der Türkei abgesagt oder unterbunden worden, zumeist aus sehr fadenscheinigen Gründen, gerne wurde dazu eine diffuse Gefahrenlage als Argument verwendet. Es gilt als ein offenes Geheimnis, dass zumeist auf Druck von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan die lokalen Behörden und Politiker mit eiserner Härte gegen die Community vorgehen. 

Pikantes Gutachten

Im laufenden Prozess wurde nun allerdings etwas publik, das der Regierung sowie der Partei von Erdogan, der AKP, nicht wirklich gefallen dürfte: Ein Gerichtsgutachten belegte vor Gericht sehr eindeutig, dass die Polizei vor Ort diverse Pride-Teilnehmer gewaltvoll attackiert und gefoltert haben soll. Dass die Beamten zumeist sehr brutal gegen LGBTI*-Menschen vorgehen, ist nicht neu, allerdings durchaus, dass dieses Verhalten nun offiziell dokumentiert und angesprochen worden ist.  

Folter von der Polizei 

Der geladene Sachverständige wertete die Vorgehensweise der türkischen Polizei als einen klaren Fall von Folter – dazu wurden die Videoaufnahmen der Sicherheitskräfte ausgewertet. Immer wieder wurden Pride-Teilnehmer grundlos zusammengeschlagen, mit Füßen getreten oder auch aus nächster Nähe mit Pfefferspray oder Schlagstöcken angegriffen. 

Auf den Videos ist sogar festgehalten, wie der örtliche Polizeichef die Kollegen mündlich ermahnte, nicht ganz so hart vorzugehen. Immer wieder sind wohl auch Stimmen von unbeteiligten Passanten zu hören, die sich auch lautstark gegen die willkürliche Polizeigewalt aussprechen. 

Recht auf Demonstrationen

Es ist nicht das erste Mal, dass LGBTI*-Menschen aufgrund der Teilnahme an einem CSD in der Türkei vor Gericht stehen, zumeist wurden die Angeklagten allerdings freigesprochen, denn auch im Land am Bosporus gibt es ein grundsätzliches Recht auf Demonstrationen. Ob derweil das Gutachten schlussendlich tatsächlich Konsequenzen für die türkische Polizei hat, darf bei der politischen Führung des Landes bezweifelt werden. 

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