Schlechte Verlierer Russland: Volleyball-Verliererteam beschuldigt Gewinner-Club der LGBT-Propaganda
Welcome in Absurdistan: Der Kampf Russlands gegen die LGBTI*-Community nimmt immer bizarrere Züge an – nun sorgt ein Vorfall bei der russischen Vollballmeisterschaft der Frauen für ungewollte Lacher und internationales Kopfschütteln auf Kosten Russlands.
Satanismus im russischen Fernsehen?
Was war passiert? Der Club Dynamo Moskau unterlag im Halbfinale gegen den Verein Lokomotive aus Kaliningrad. Anstatt die Niederlage sportlich hinzunehmen, ging der Club am darauffolgenden Tag in die Offensive und erklärte in einer offiziellen Stellungnahme, die Frauen der Gewinnermannschaft hätten „LGBT-Propaganda“ betrieben und würden für „Satanismus“ werben.
Wie das? Das Sieger-Team habe „monströse Gesten“ gezeigt, die den „Geschlechtsverkehr imitieren“ sollen. Zudem seien auch „gleichgeschlechtliche Küsse auf die Lippen und andere Abscheulichkeiten“ bei den Lokomotive-Spielerinnen zu sehen gewesen. All das hätten die Fernsehsender übertragen, sodass gezielt von eben jener „LGBT-Propaganda“ auszugehen sei. Das Ganze sei, laut Dynamo Moskau, eine Schande für ganz Russland.
Umarmung von Kolleginnen? LGBT-Propaganda!
Die „Beweise“ lieferte der Club in Form von Bildmaterial gleich mit. Auf einem Foto ist zu sehen, wie eine Volleyballerin ihre Team-Kollegin mit den Armen stützt, nachdem diese von ihr angesprungen worden war. Ein anderer Schnappschuss zeigt, wie die aus der Türkei kommende Teamchefin einer anderen Spielerin im Jubel einen Kuss auf die Wange drückt. Andere Spielerinnen umarmen sich freudig nach dem Sieg.
Den Satanismus einiger Lokomotiv-Spielerinnen dokumentiert der Moskauer Club dann mit einem Foto von der Halloween-Party der Volleyballerinnen – nebst einem Zombie, einer Katze und zwei Nonnen will die Clubleitung auch Satanisten dort entdeckt haben. Kommentiert mit den Worten: „Und dabei erziehen drei der Lokomotive-Spielerinnen eigene Kinder! Stellen sie sich vor, dass ihre Kinder mit sowas eine Umkleidekabine oder einen Duschraum teilen müssen!“
Dynamo Moskau kommt daher abschließend zu dem Fazit: „In einer Zeit, in der russische Orte und Menschen feindlichen Bombenangriffen ausgesetzt sind, in der die besten Vertreter des Landes uns mit Waffen in der Hand verteidigen (…) wird das hier gedeihen? LGBT-Propaganda. Das wird niemals passieren! Dies kann nur allgemeine Verurteilung und Verachtung hervorrufen!“
Russland, das neue Absurdistan
In einem vernunftbegabten Rechtsstaat würden solche Anschuldigungen wohl nur schallendes Gelächter hervorrufen, nicht so allerdings in Russland. Gerade wenn es um den vermeintlichen Schutz von Minderjährigen geht, kennt der Staat inzwischen keine Grenze mehr und wohl auch keine deduktiven Grundpfeiler der Logik.
Mit dem verschärften Anti-Homosexuellen-Propaganda-Gesetz und den neuen Extremismus-Richtlinien von Anfang 2024 kann nun alles als bereits strafbare Handlung eingestuft werden, was nur im Entferntesten mit Homosexualität oder LGBTI* in Verbindung gebracht werden könnte. Der satanischen Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Dadurch, dass das Volleyballspiel im Fernsehen übertragen wurde, könnte sich der „Straftatbestand“ sogar noch einmal verschlimmern, denn explizit in den Medien ist jedwede „Propaganda“ in dieser Richtung strengstens untersagt. Es drohen mehrjährige Haftstrafen.
Viele Fälle von Denunziation
Die letzten Wochen zeigen dabei immer mehr auf, dass viele Russen die neuen Extremismus-Richtlinien auch gerne für eigene Zwecke missbrauchen und sei es nur, um unliebsame Nachbarn, Kollegen, verhasste Bekannte oder Konkurrenten zu denunzieren. Offensichtlich können die Anschuldigungen dabei noch so bizarr oder absurd sein, eine logische Einordnung findet wohl nicht mehr statt.
Erst vor wenigen Tagen sorgte auch der Fall eines Lokalpolitikers aus der Region Samara für Schlagzeilen: Der Minister für Jugendpolitik, Sergej Burtsew, musste zurücktreten, nachdem ein Duma-Abgeordneter behauptet hatte, der Lokalpolitiker lebe in einer Beziehung mit einem Mann und führe daher ein „fragwürdiges Privatleben“. Beweise für diese Behauptungen gab es nicht. Von solchen Banalitäten wie fehlenden Fakten lässt sich die russische Regierung offenbar bis hinauf in den Präsidentenpalast schon lange nicht mehr aufhalten.