Polens neuer Weg LGBTI*-Aktivisten fordern Sofortmaßnahmen zur Verbesserung der Lage von Homosexuellen
Die LGBTI*-Community in Polen blickt mit steigender Hoffnung auf die kommenden Wochen – das Ende der bisherigen homophoben Regierung scheint absehbar, in diesen Tagen ist die amtierende Regierung der PiS-Partei unter Ministerpräsident Mateusz Morawiecki offiziell zurückgetreten.
Machtspiele der PiS-Partei
So ganz geschlagen geben wollen sich die konservativen Hardliner allerdings noch nicht, allen voran Polens Präsident Andrzej Duda. Wie angekündigt hat dieser jetzt den bisherigen Ministerpräsident Morawiecki beauftragt, eine neue Regierung zu bilden, wohlwissend, dass diese Mission scheitern dürfte – die nationalkonservative PiS-Partei hat keine regierungsfähige Mehrheit mehr. Auch Duda wird so eine neue liberale Regierung wahrscheinlich nicht verhindern können, sehr wohl kann er den politischen Wechsel allerdings immer wieder ausbremsen und erschweren. So beteuerte Duda bereits, dass er einer neuen Regierung ohne die PiS das Leben schwer machen könnte – bei umstrittenen Entscheidungen wolle er so von seinem Veto-Recht Gebrauch machen. Dudas Amtszeit dauert noch anderthalb Jahre.
Nun darf allerdings zunächst einmal Morawiecki laut Verfassung 14 Tage nach einer Mehrheit im Parlament suchen, bevor er das Scheitern verkünden muss, denn nicht einmal die ultrarechte Partei Konfederacja will für ihn votieren – solange allerdings kann die bisherige Regierung geschäftsführend weiterwirken. Im Parlament erklärte Morawiecki dann auch, er wolle die „Gräben zwischen den Parteien“ überwinden – und ernte dafür zusammen mit Duda schallendes Gelächter von den Abgeordneten der Opposition.
LGBTI*-Community vor der Zeitenwende
Für die LGBTI*-Community bedeutet die Wahl Mitte Oktober trotzdem eine wegweisende Richtungsentscheidung, da die drei oppositionellen Parteien unter Führung des ehemaligen EU-Ratspräsidenten Donald Tusk eine deutliche Mehrheit im Sejm, dem Unterhaus des Parlaments, errungen haben. Tusks liberalkonservative Bürgerkoalition (KO) kommt gemeinsam mit dem Dritten Weg und dem Linksbündnis Lewica auf 248 der insgesamt 460 Sitze. Die drei Parteien haben mittlerweile auch einen Koalitionsvertrag unterzeichnet und bekräftigt, sich für LGBTI*-Rechte einsetzen zu wollen. Die Hoffnung ist groß, dass eine neue Regierung auch das Ende aller „LGBT-freien Zonen“ in Polen sein könnte.
Erste positive Schritte erfolgten so bereits in dieser Woche in Richtung Fortschritt – der Kandidat des oppositionellen Dreierbündnis um Tusk wählte jetzt den neuen Parlamentspräsidenten. Der Vorsitzende der Partei Dritter Weg, Holownia, ist im ersten Wahlgang ins Amts gewählt worden.
Umdenken an den Schulen
Erste Zeichen des Wandels zeigten sich dabei auch in den letzten Wochen an mehreren Schulen im Land, wie die BBC berichtet – schrittweise werde hier bereits mehr auf LGBTI*Schüler zugegangen, teilweise gibt es inzwischen die ersten Regenbogentage – Aktionen, die jungen Menschen helfen sollen, Vielfalt zu verstehen und sich besser akzeptiert zu fühlen. Das Ziel ist klar: Die Schulen sollen immer mehr zu sicheren Einrichtungen für LGBTI*-Menschen werden.
Dominik Kutz gehört zu dem Team, dass das Programm „Sichere Schulen“ entwickelt hat – gegenüber der BBC erklärte er: „Es war eine wirklich harte Zeit für die Community unter der PiS. Es gab einen massiven Gegenschlag gegen LGBT-Rechte von Seiten der Politiker und der staatlichen Medien.“ Laut Kutz hatten in den letzten Jahren rund 70 Prozent aller LGBTI*-Schüler im Land Suizidgedanken. Der PiS-Vorsitzende Jaroslaw Kaczynski befeuerte dabei die Situation noch weiter, in dem er alle Menschen, die sich als homosexuell definierten, als wahnsinnig abtat und erklärte, Westeuropa wolle nur fremde Ideen in das katholische Polen importieren.
Sofortmaßnahmen gegen LGBTI*-Hass
Ein 18-jähriger schwuler Aktivist, der in einer der aktuell 18 „LGBT-freien-Zonen“ lebt, sagte so mit Blick auf die letzten Jahre: „Ich fühle mich sehr, sehr schlecht. Es ist beängstigend für mich. Ich lebe in der Europäischen Union. Aber wo sind die Werte der EU? Toleranz? Freiheit? Wo?“ Immer wieder wurde er angegriffen und geschlagen und geht bis heute ohne Pfefferspray nicht mehr aus dem Haus. Er hoffe wie viele junge Homosexuelle im Land, dass die neue Regierung maßgeblich die Stimmung verbessert und die „Welle des Hasses“ beendet.
Andere LGBTI*-Aktivisten wie der Anwalt Marek Urbaniak zeigten sich zwar ebenso hoffnungsvoll, warnten aber vor zu hohen Erwartungen: „Der Oppositionsführer Donald Tusk hat zwar versprochen, Lebenspartnerschaften zu legalisieren, aber seine Koalition ist breit gefächert.“ Die Aktivistengruppe hat so auch ein „Rettungspaket“ mit Forderungen und Maßnahmen formuliert, um das Leben von Homosexuellen im Land sofort zu verbessern, dazu gehört beispielsweise auch ein Verbot von Hassreden im Fernsehen. Dem stimmt auch Kurz zu und betont überdies gegenüber der BBC: „Wir brauchen ein Antidiskriminierungsprogramm für Schüler und Lehrer sowie Programme zur psychischen Gesundheit für LGBT-Jugendliche. Auf diese Weise wird die neue Generation offener und aufgeklärter sein.“