Scharfe Kritik an FDP Wie kann ein Land "sicher" sein, in dem Homosexuelle gefoltert und inhaftiert werden?
Was ist ein sicherer Herkunftsstaat? Die Frage spaltet seit Jahren die politischen Parteien in Berlin, wobei sie gerade auch für LGBTI*-Menschen oftmals eine besonders schwerwiegende Bedeutung hat. Ihnen droht in einigen vermeintlich „sicheren“ Ländern hohe Haft- bis hin zur Todesstrafe. Wird ein solches Land als sicher eingestuft, können LGBTI*-Flüchtlinge in ihre Heimat zurückgeschickt werden.
Hohe Haftstrafen für Homosexuelle
Der Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD) übt jetzt scharfe Kritik an den jüngsten Aussagen von FDP-Politikern in Bezug auf die sogenannten Maghreb-Staaten, darunter fallen Algerien, Marokko und Tunesien – in allen drei Ländern erwartet Homosexuelle hohe Haftstrafen. FDP-Fraktionschef Christian Dürr sowie sein Kollege, FDP-Außenpolitiker Ulrich Lechte, hatten jetzt gegenüber der Funke-Mediengruppe beziehungsweise dem Deutschlandradio inhaltlich bekräftigt, dass über die Einschätzung dieser Länder als sichere Herkunftsstaaten neu beraten werden müsse.
Der LSVD verweist in dieser Debatte einmal mehr auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 1996, das klargestellt hatte, dass nur solche Länder als sicher eingestuft werden dürfen, in denen „Sicherheit vor politischer Verfolgung landesweit und für alle Personen- und Bevölkerungsgruppen" gewährleistet ist. Patrick Dörr aus dem Bundesvorstand des LSVD dazu: „Die Regierungsparteien kennen – ebenso wie CDU/CSU – die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sehr gut. Dass aus der FDP, die für sich die Verteidigung liberaler Grundwerte beansprucht, nun ein Vorschlag unterbreitet wird, der die Vorgaben des höchsten deutschen Gerichts mit Füßen tritt, lässt doch ernsthafte Zweifel an ihrer rechtstaatlichen und menschenrechtspolitischen Verortung aufkommen. Bereits die bestehende Listung von Ghana und Senegal ist eine anhaltende Missachtung des Bundesverfassungsgerichtsurteils durch die Bundesregierung.“
In den Heimatländern droht staatliche Folter
Dabei stellt Dörr zudem noch einmal explizit fest: „In den Maghreb-Staaten drohen – ebenso wie in Ghana und Senegal – Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans*, inter* und queeren Personen mehrjährige Haftstrafen. In Tunesien ist die staatlich geförderte Folter an schwulen und bisexuellen Männern durch erzwungene Analuntersuchungen zur angeblichen Feststellung gleichgeschlechtlicher Handlungen bestens dokumentiert. Deutschland hat mit 31 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen Zwangsanaluntersuchungen als Folter verurteilt. Gerade aus Marokko und Algerien wissen wir zudem von zahlreichen strafrechtlichen Verurteilungen queerer Menschen. Wenn führende FDP-Politiker nun davon reden, dass es in den drei Staaten keine gezielte staatliche Verfolgung gebe, bagatellisieren sie nicht nur die homosexuellenfeindlichen Strafgesetze und die staatliche Verfolgung, sondern widersprechen auch der Einschätzung zahlreicher Gerichte in Deutschland.“
FDP-Aussagen seien falsch und „brandgefährlich“
Dabei würde eine Ausweitung der Liste der sicheren Herkunftsstaaten um die genannten Länder LGBTI*-Flüchtlinge besonders hart treffen, wie Dörr weiter erklärt: „Erstens outen sich viele aufgrund von Angst, Scham und fehlender rechtlicher Aufklärung im Asylverfahren erst sehr spät. Zweitens wird ihnen ihre sexuelle Orientierung beziehungsweise geschlechtliche Identität im Asylverfahren häufig nicht geglaubt. Im Falle der geplanten Einstufung als sichere Herkunftsstaaten würden ihre Anträge in beiden Fällen als ´offensichtlich unbegründet´ abgelehnt. Sie hätten nur eine Woche Zeit, dagegen zu klagen, und könnten auch trotz Klageerhebung aus dem laufenden Verfahren heraus abgeschoben werden.“
Die FDP lüge dabei in ihren jüngsten Äußerungen, so Dörr weiter: „Die Behauptung des FDP-Außenpolitikers Lechte, dass für Homosexuelle alles beim Alten bleibe, weil sie wie gehabt einen Antrag stellen und dann Schutz bekommen könnten, ist somit schlichtweg falsch und brandgefährlich. Anstatt immer neue Wege zu suchen, das Recht auf Asyl weiter aufzuweichen, empfehlen wir der FDP, lieber diejenigen Punkte aus dem Koalitionsvertrag umzusetzen, die mit Bezug auf queere Verfolgte noch ausstehen. Hierzu gehört vor allem, dass die neue Rechtsberatung für Asylsuchende nicht zu einem Feigenblatt wird. Die Finanzierung muss endlich hinreichend sichergestellt werden.“