Sophie Koch zum Flaggen-Streit Die neue Queer-Beauftragte betont die Würde von queeren Menschen
Noch immer wird im politischen Berlin über die Absage der Beflaggung des Reichstags mit der Regenbogenflagge zum diesjährigen CSD debattiert und gestritten – zuletzt angeheizt durch die Zirkuszelt-Aussage von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU). Kurz darauf kam es bereits zu ersten Gegenstimmen aus der Politik, unter anderem auch von Ex-Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Nun meldete sich auch die neue Queer-Beauftragte der Bundesregierung, Sophie Koch (SPD), ausführlich zu Wort.
Queere Menschen als Zirkustierchen
Gegenüber dem ZDF erklärte sie: „Wenn die Regenbogenfahne die Fahne auf einem Zirkuszelt ist, was sind dann queere Menschen? Zirkustierchen, die sich zur Erheiterung des Publikums zum Affen machen? Queere Menschen sind fester Bestandsteil unserer Gesellschaft. Sie haben eine Würde und stehen wie alle anderen Menschen auch unter dem Schutz des Grundgesetzes.“
Merz hatte zuvor in der ARD betont, dass zum Tag gegen Homophobie, dem IDAHOBIT, am 17. Mai die Regenbogenfahne gehisst worden war – und das auch künftig geplant sei. „An allen anderen Tagen ist auf dem Deutschen Bundestag die deutsche Fahne und die europäische Fahne gehisst und keine andere (…) Der Bundestag ist ja nun kein Zirkuszelt“, so Merz. Man könne nicht „beliebig irgendwelche Fahnen“ aufhängen.
Unterscheidung zwischen Gedenken und Demonstration
Inzwischen meldete sich erneut auch Bundestagspräsidentin Julia Klöckner zu Wort, deren Absage zur Regenbogenfahne am CSD die Debatte erst angestoßen hatte. Ausführlich nahm die CDU-Politikerin nun nochmals Stellung zu der Entscheidung und sagte gegenüber dem TV-Sender Phoenix: „Wir haben die Regenbogenfahne hissen lassen am 17. Mai. Der 17. Mai ist ein parlamentarischer Bezug, das ist der Tag gegen Homophobie, den symbolisch der Deutsche Bundestag auch festgelegt hat, dass Homosexualität kein Krankheitsbild ist, die NS-Gesetzgebung gegen Homosexuelle aufgehoben worden sind, symbolisch auf diesen Tag gelegt. Und da ist sehr klar, wie wir dazu stehen. Übrigens haben wir die Charta der Vielfalt auch unterzeichnet oder sind auch bei queeren Jobmessen, um Mitarbeiter zu gewinnen für die deutsche Bundestagsverwaltung.“
Des Weiteren nahm sie ebenso noch einmal Bezug auf das Verbot hinsichtlich der offiziellen Teilnahme von queeren Mitarbeiternetzwerken der Bundestagsverwaltung: „Der CSD ist eine politische Demonstration. Allein wenn Sie sich die über 20 Seiten Forderungen anschauen, die auch an die Gesetzgeber gerichtet sind, dann kann eine Bundestagsverwaltung, offiziell mit Adler, für den gesamten Deutschen Bundestag, nicht mitgehen. Jeder darf privat, persönlich, von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern teilnehmen an diesem CSD, aber nicht unter dem Adler und dann auch noch vielleicht mit Sonderurlaub. Ich glaube, das ist sehr nachvollziehbar, und, dass wir unsere deutsche Fahne wehen haben, und die europäische Fahne auf unserem Reichstag, am 17. Mai wie gesagt die Regenbogenflagge, aber dass die sonst wehen, diese beiden Fahnen, die stehen für Meinungs-, Pressefreiheit, die stehen für Individualität, für Personalität. Also diese beiden Fahnen sind doch eigentlich auch nicht zu toppen.“ Im Gegensatz zu Klöckner haben ihre Bundestags-Vertreter, Vizepräsidentin Josephine Ortleb (SPD) und Vizepräsident Omid Nouripour (Grüne) ihre Teilnahme am Berliner CSD erklärt.
Regenbogenfahne nur einmal im Jahr
Kritik kam indes auch von den queerpolitischen Sprechern von Grünen, SPD und Linke, die Merz unter anderem ein „rückwärtsgewandtes Verständnis von Demokratie“ zusprachen oder ihn anderweitig direkt als Clown bezeichneten. Ein Sprecher von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) betonte zuletzt gegenüber dem Tagesspiegel, dass auch künftig das Hissen der Regenbogenflagge nur noch zum IDAHOBIT erlaubt sei, an allen anderen Tagen dürfe diese nicht mehr an amtlichen Flaggenstöcken von Bundesgebäuden zu sehen sein.
LSVD+ kritisiert Rückschritt der Regierung
Mit deutlichen Worten schaltete sich jetzt auch der Verband Queere Vielfalt in die Debatte ein. Andre Lehmann aus dem Bundesvorstand des LSVD+ sagte so: „Dass in diesem Jahr die Regenbogenflagge auch am Kanzleramt nicht gehisst werden soll, ist ein fatales politisches Signal an die LSBTIQ* Community – gerade in einer Zeit, in der queerfeindliche Gewalt und Hasskriminalität in Deutschland seit Beginn der Aufzeichnung neue Höchststände erreichen. Seit Monaten sehen wir massive rechtsextreme Bedrohungen gegen CSDs in ganz Deutschland, nahezu wöchentlich. Im letzten Jahr war etwa jeder dritte CSD betroffen. Damit sind in Deutschland LSBTIQ* eine extrem gefährdete Gruppe (…) Dem Bundeskanzleramt kommt eigentlich eine entscheidende Rolle zu, auf das demokratiegefährdende Problem der massiv zunehmenden queerfeindlichen Hasskriminalität aufmerksam zu machen. Statt dem nachzukommen, reiht sich das Bundeskanzleramt in eine Reihe von Rückschritten für queere Sichtbarkeit ein.“
Zudem bekräftigte Lehmann auch: „Die Regenbogenflagge ist keine parteipolitische Stellungnahme. Sie ist ein universeller Ausdruck demokratischer Grundwerte wie Respekt, Gleichstellung und einer freien Gesellschaft. Die schwarz-rot-goldene Flagge hat nicht dieselbe Bedeutung wie die Regenbogenflagge als expliziter Ausdruck von Solidarität mit LSBTIQ*, obwohl die Bundesflagge selbstverständlich auch queere Menschen einschließt. LSBTIQ* waren allerdings auch unter der schwarz-rot-goldenen Flagge von staatlicher Ausgrenzung und aktiver Verfolgung betroffen, beispielsweise durch Paragraph 175 StGB.“