Neue Kritik an Klöckner Streit um Regenbogenflagge am Bundestag nimmt weiter an Fahrt auf - Justizministerium hisst die Pride-Fahne
Die Kritik an Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) reißt nicht ab, zum einen aufgrund ihrer Entscheidung, dass Mitarbeiter des queeren Regenbogennetzwerkes der Bundestagsverwaltung nicht in offizieller Funktion beim CSD dabei sein dürfen, zum anderen aber vor allem auch wegen ihrer Weigerung, zum Berliner Pride die Regenbogenflagge auf dem Bundestag hissen zu lassen.
Zwei Petitionen gegen Klöckner
Klöckner begründete beide Schritte inzwischen mehrfach zum einen mit der gebotenen Neutralität der Regierung, zum anderen betonte sie, dass eine Demonstration auf die Straße gehöre und eben nicht auf ein Gebäude der Bundesregierung. Im Jahr 2022 war die Regenbogenflagge erstmals am Bundestag gehisst worden. Zahlreiche Politiker vor allem von Grünen und Linken kritisierten die Entscheidung scharf und sprachen von einem fatalen Zeichen in Zeiten der stetig steigenden Hasskriminalität in Deutschland gegenüber der Community. Die internationale Organisation All-Out hatte daraufhin eine erste Petition gestartet mit aktuell knapp 20.000 Teilnehmern.
Der Verein Campact versucht nun mittels einer zweiten Petition zusätzlich Druck auf Klöckner auszuüben – bis heute haben rund 202.000 Menschen den offenen Brief unterschrieben. Die Forderungen: Die Regenbogenflagge soll am CSD über dem deutschen Bundestag wehen und alle queeren Verbände müssen frei am CSD teilnehmen dürfen.
Eine Frage der Neutralität?
Zudem betonte der Verein zur Frage der Neutralität: „Das deutsche Grundgesetz verbietet ausdrücklich die Diskriminierung von Minderheiten. Damit ist klar: Neutralität in der Frage der Rechte queerer Menschen besteht nicht daraus, keine Flagge zu zeigen. Neutralität besteht daraus, sich zu den Rechten queerer Menschen zu bekennen. Das ist der Grundkonsens, das ist die Geschäftsordnung dieses Landes, wie sie im Grundgesetz steht. Jedes Abweichen davon ist der Versuch, fundamentale gesellschaftliche Errungenschaften wieder infrage zu stellen oder abzuschaffen.“
Außerdem erklärten die Organisation und die Petitionsteilnehmer weiter: „Wenn der Bundestag als wichtigste repräsentative Instanz der Bevölkerung queeren Menschen die Solidarität entzieht, ausgerechnet an dem Tag, an dem sie für ihre Rechte und Anerkennung streiten, dann suggeriert Julia Klöckner mit ihrer Entscheidung, die Existenz queerer Menschen sei ´politisch´. Das stimmt nicht. Sie hat eine politische Entscheidung getroffen. Eine, die ihr nicht zusteht.“ Einige Prominente unterstützen derzeit bereits die Petition, darunter Bela B von der Musikgruppe „Die Ärzte“, Prince-Charming Lars Tönsfeuerborn, Moderatorin Ruth Moschner oder auch die deutsche Rapperin Sookee.
Ein Sprecher von Klöckner indes betonte: „Der CSD ist eine Demonstration mit konkreten politischen Forderungen. Diese gehen über ein allgemeines Bekenntnis zu Menschenrechten und Vielfalt hinaus. Christopher Street Days formulieren eindeutige Erwartungen unter anderem an die Bundesregierung und die Politik im Allgemeinen. Es muss der Eindruck vermieden werden, die Verwaltung des Deutschen Bundestages mache sich diese umfassenden und weitgehenden Forderungen in Gänze zu eigen im Namen der ganzen Bundestagsverwaltung und des Arbeitgebers.“ Privat stehe es allen Mitarbeitern des Bundestags natürlich offen, zum CSD zu gehen - „egal ob individuell oder als Gruppe“, so der Sprecher weiter.
Kritik vom LSU
Auch aus den Reihen der CDU/CSU selbst gibt es inzwischen allerdings Kritik, der Verband der Lesben und Schwulen in der Union LSU erklärte, man sei „entsetzt und sehr enttäuscht.“ LSU-Bundesvorsitzender Sönke Siegmann sagte weiter: „Wenn sich LSBTIQ+ Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter engagieren und für Sichtbarkeit beim CSD einstehen wollen, darf das keine Frage von Protokoll oder Formalia sein, sondern eine Selbstverständlichkeit. Wir appellieren an die Verantwortlichen, diese Haltung zu überdenken und weiterhin stärker auf Teilhabe und Sichtbarkeit zu setzen. Die Entscheidung ist ein Rückschritt für das offene Bild, das unser Parlament ausstrahlen sollte.“
Derweil hat in Berlin die Senatsverwaltung für Finanzen erklärt, sie wolle ein Zeichen für Vielfalt und Toleranz setzen, weswegen am morgigen Freitag Finanzsenator Stefan Evers die Regenbogenfahne über dem Eingangsportal des Hauptgebäudes hissen wird. Aus Bayern meldete sich zudem Parlamentspräsidentin Ilse Aigner (CSU), die betonte, dass am Landtag zum CSD die Regenbogenfahne gehisst werde. Die Flagge stehe für Vielfalt, Toleranz und Offenheit und damit für sehr demokratische Werte, so Aigner.