Sichere Herkunftsstaaten LSVD+ bekräftigt Kritik am Plan der Bundesregierung
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) will beim Thema Asyl und Migration nach wie vor schnellstmöglich eine politische Wende einleiten – das zeigte sich erneut gestern bei einer Sitzung des Innenausschusses im Bundestag. Dabei wurden Experten zu einem geplanten neuen Gesetz angehört, das Herkunftsstaaten künftig leichter und schneller als sicher einstufen lässt. Der Verband Queere Vielfalt (LSVD+) kritisierte das Vorhaben erneut mit deutlichen Worten.
Schnellere Asylverfahren
Wird ein Staat als sicher eingestuft, kommt es bei Asylanfragen zu einem vereinfachten und schnelleren Verfahren – zumeist erfolgt dann auch ein negativer Bescheid, da das Heimatland als sicher eingestuft wird, also keine Verfolgung droht. Laut Asylgesetz sind Anträge von Menschen aus jenen Ländern als unbegründet abzulehnen, außer die Personen können das Gegenteil beweisen. Der Bundesinnenminister hat dabei bereits vorab erklärt, dass es trotzdem weiterhin zu einer Einzelfallprüfung kommen soll, beispielsweise, wenn es sich um LGBTIQ+-Menschen handelt, denen in einigen „sicheren“ Staaten durchaus Repressalien und Gewalt drohen.
Bisher hat der Bundestag zusammen mit dem Bundesrat darüber entschieden, welche Staaten wie eingestuft werden. Das neue Gesetz sieht vor, dass dieser Schritt künftig allein per Verordnung der Bundesregierung erfolgen kann. Als erster Schritt könnten die Maghrebstaaten Marokko, Algerien und Tunesien so neu definiert werden – in allen drei Staaten werden queere Menschen verfolgt.
Scharfe Kritik am Bundesinnenministerium
Der LSVD+ kritisiert daher erneut scharf das Vorhaben des Bundesinnenministers, wie Patrick Dörr aus dem Bundesvorstand betonte: „Das Vorhaben ist ein Versuch, demokratische Kontrollmechanismen zu umgehen und Staaten als ‚sicher‘ einzustufen, in denen queere Menschen massiv verfolgt werden. In Marokko, Algerien und Tunesien drohen für gleichgeschlechtliche Handlungen mehrjährige Haftstrafen, gesellschaftliche Ächtung ist allgegenwärtig. Zahlreiche Berichte internationaler Organisationen, positive Asylentscheidungen und Urteile deutscher Verwaltungsgerichte bestätigen: Das Leben für LSBTIQ*-Personen in diesen Ländern ist gefährlich.“
Kritik kommt auch von anderer Stelle, sowohl das Deutsche Institut für Menschenrechte (DIMR), der Deutsche Anwaltsverein (DAV) und Pro Asyl sowie auch der Jesuiten-Flüchtlingsdienst lehnen die Pläne der Regierung ab. Ähnlich sieht das auch BISS, die Bundesinteressenvertretung schwuler Senioren. Vorstand Wolfang Schwarz-Heim dazu: „Schutzsuchende schwule Männer und LBTIQ* in Ursprungsländer abzuschieben, die Homosexualität beziehungsweise sexuelle und geschlechtliche Vielfalt verurteilen beziehungsweise verfolgen, ist nicht human und verabscheuungswürdig. Unsere Gesellschaft muss sich um die Minderheiten kümmern, darin liegt unsere Verantwortung. Die strafrechtliche Verfolgung von Homosexuellen durch den § 175 haben wir abgeschafft und dürfen diese nicht über Umwege wieder beleben. Nie wieder.“
Forderungen nach Einhaltung von EU-Urteilen
Der LSVD+ verweist dabei auch auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), der entschied, dass kein Staat als sicher eingestuft werden dürfe, wenn bestimmte Gruppen von Menschen vor Ort nicht ausreichend vor Verfolgung geschützt seien. Die Bundesregierung müsse das anerkennen – und mehr noch, die Einstufung von mehreren „sicheren Herkunftsstaaten“ wie Ghana, Senegal oder Georgien außerdem zeitnah aussetzen. „Zudem muss die Bundesregierung offenlegen, auf welchen Informationsquellen ihre Bewertungen basieren – wie es der EuGH ausdrücklich verlangt. Alles andere wäre ein klarer Verstoß gegen geltendes Recht“, so Dörr weiter.
Sollte es trotzdem zur Verabschiedung des Gesetzentwurfes kommen, müssten laut dem LSVD+ alle LGBTIQ+-Menschen ausdrücklich von der Einstufung ausgenommen werden. Bisher findet sich davon nichts im Gesetzestext. Ebenso ablehnend stehen die Vereine dem Plan gegenüber, eine Regelung der früheren Ampel-Regierung von 2024 wieder abzuschaffen, die Personen in Abschiebehaft einen Rechtsbeistand auf Kosten des Staates zusprach.
Keine verfassungsrechtliche Bedenken
Bei der Anhörung von Rechtsexperten gestern im Innenausschuss gab es allerdings auch Befürworter des Vorhabens. Robert Seegmüller, Richter am Bundesverwaltungsgericht, erklärte, gegen die Pläne gebe es keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Zudem existierte ein „staatliches Interesse“ daran, die Asylverfahren zu beschleunigen. Seegmüller betonte so weiter, dass die Gerichte derzeit „erheblich“ belastet seien, etwa die Hälfte der Verwaltungsrichter in Deutschland befassen sich demnach nur mit asylgerichtlichen Verfahren.