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Änderungen beim SBGG

Selbstbestimmungsgesetz Übermittlung der personenbezogenen Daten beim Personenstandwechsel an alle maßgeblichen Behörden geplant

ms - 11.07.2025 - 09:00 Uhr
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Vor der finalen Verabschiedung des Selbstbestimmungsgesetzes (SBGG) im August 2023 hatte das damalige Bundesinnenministerium Bedenken geäußert, dass bei einem Personenstandswechsel Kriminellen die Möglichkeit gegeben werden würde, sich der Strafverfolgung zu entziehen. Der Vorschlag zur Lösung der Problematik war damals eine Weiterleitung der relevanten Personendaten an alle maßgeblichen Behörden wie beispielsweise Bundeskriminalamt, Polizei, Verfassungsschutz oder Flüchtlingsamt. Diese Idee schaffte es final nicht in das neue Gesetz, das im November 2024 in Kraft getreten ist. Nun plant das Bundesinnenministerium wie im Koalitionsvertrag angekündigt erneut eine Anpassung, die 2026 in Kraft treten soll. 

Datenübermittlung an alle relevanten Behörden

Das neue Gesetzesvorhaben sieht dabei laut Bundesinnenministerium folgendes vor: „Geschlechtseintrags- und Namensänderungen nach dem SBGG sind an alle Behörden und sonstige öffentliche Stellen zu übermitteln, die im Rahmen der bestehenden rechtlichen Regelungen Daten zu Vornamen und zur Geschlechtsangabe erhalten dürfen und bei denen die Änderung dieser Daten ein Auslöser der Datenübermittlung ist. Dies gilt auch für Datenabrufe aus den Registern.“ Das Offenbarungsverbot, das im Falle des bewussten Deadnamings einer queeren Person Geldstrafen von bis zu 10.000 Euro vorsieht, greift hier nicht – amtliche Informationssysteme sind davon ausgenommen, so das Ministerium weiter. 

„Nachvollziehbare Identität“ von queeren Personen 

Für die Umsetzung der neuen Richtlinien soll im Datensatz für das Meldewesen drei neue Datenblätter zum früheren Geschlechtseintrag aufgenommen werden. Vermerkt wird dabei unter anderem der ursprüngliche Geschlechtseintrag und Name vor der Personenstandsänderung und Details und Datum zum Wechsel des Geschlechts. „Der qualitative Nutzen der Änderung ist, dass Personen, die ihren Geschlechtseintrag und ihre Vornamen geändert haben, in verschiedenen amtlichen Registern und amtlichen Informationssystemen weiterhin identifiziert werden können und ihre Identität nachvollziehbar ist.“ 

Zur Umsetzung der neuen Richtlinien sollen dafür vier Verordnungen im Bereich der Bundesmeldedaten geändert werden. Die Verordnung soll so laut Bundesinnenministerium zum 1. November 2026 in Kraft treten. Daneben hat die schwarz-rote Regierung angekündigt, dass SBGG bis 2026 evaluieren und möglicherweise weiter überarbeiten zu wollen. Im Koalitionsvertrag wurde dabei in diesem Jahr festgehalten: „Wir wahren die Rechte von trans- und intersexuellen Personen. Bei der Evaluation legen wir einen besonderen Fokus auf die Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche, die Fristsetzungen zum Wechsel des Geschlechtseintrags sowie den wirksamen Schutz von Frauen.“

Kritik von queeren Verbänden

Kritik an dem Vorhaben kommt vom Verband Queere Vielfalt (LSVD+) und mehreren weiteren queeren Organisationen. Der LSVD+ erklärte dazu: „Die Erfassung, Übermittlung und Offenbarung der sensiblen Informationen über frühere Geschlechtseinträge und Vornamen und damit stets auch über die Transgeschlechtlichkeit einer Person darf nur unter engen Voraussetzungen geschehen. Ein eigenes Datenblatt mit dem früheren Geschlechtseintrag hebt diese Tatsachen hingegen hervor (…) Dadurch entsteht faktisch ein Mechanismus, der das ´alte Geschlecht´ dauerhaft mitführt, obwohl das SBGG gerade darauf abzielt, dass Menschen nach einer Änderung nicht mehr an ihren früheren Geschlechtseintrag gebunden sind.“

So betont der Verein weiter: „Aus den dargelegten Gründen betrachten wir die geplanten Änderungen als nicht notwendig, erforderlich und angesichts der Bedeutung der betroffenen Rechtsgüter im Verhältnis zu den verfolgten Zwecken als nicht angemessen.“ 

Kritik kommt auch von der queerfeministischen Bewegung Queermany, Gründerin Penelope Alva Frank spricht von einem „Sonderregister“, das queere Menschen verletzlich machen würde. „Damit bleiben wir für immer markiert – bei jeder Behörde, bei jeder Abfrage, egal ob wir das wollen oder nicht (…) Ich erlebe Queerfeindlichkeit auf der Straße, online und sogar in meinem Aktivismus wie bei Polizei Gewahrsam 2023 und ich will mir gar nicht vorstellen, was passiert, wenn falsche Polizisten oder Behördenmitarbeiter Zugriff auf mein früheres Geschlecht haben“, so die trans* Frau im Rahmen ihrer Petition gegen die Gesetzesänderungen des Bundesinnenministeriums. 

Vergleich mit "Rosa Listen"

Klare Worte findet auch Maik Brückner, der queerpolitische Sprecher der Linksfraktion: „Dobrindts Vorhaben macht fassungslos. Es steht zu befürchten, dass im Zusammenhang mit dem Selbstbestimmungsgesetz auf Dokumentationspraktiken zurückgegriffen werden soll, die an 'Rosa Listen' und damit an die dunkelsten Zeiten der deutschen Geschichte erinnern. Es geht um hochsensible persönliche Daten – ihre zusätzliche Speicherung in einem eigenen Datenblatt ist weder notwendig noch gerechtfertigt. Hier wird ein unnötiges Instrument geschaffen, was zum Missbrauch einlädt, und das ist brandgefährlich (…) De facto wird einem Datenmissbrauch Tür und Tor geöffnet und trans Personen fürchten zurecht unvorhersehbare Folgen. Die Kriminalisierung von trans Leben ist ein zentraler Bestandteil des autoritären Staatsumbaus und sie kommt in scheinbar profanen Schritten wie der Ergänzung des Melderegisters.“

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