Rebellion in Schottland Ministerin tritt aus Protest gegen Selbstbestimmungsgesetz zurück
Das schottische Parlament erlebt in diesen Tagen eine Rebellion besonderer Art – mehrere Abgeordnete haben sich jetzt klar gegen eine gesetzliche Geschlechterreform ähnlich dem in Deutschland geplanten Selbstbestimmungsgesetz ausgesprochen. Aus Protest trat sogar die schottische Ministerin für kommunale Sicherheit, Ash Regan, zurück. Regan ist damit erst die zweite Ministerin, die jemals eine schottische Regierung aufgrund einer politischen Angelegenheit verlassen hat. Es ist der größte Aufstand, den die schottische Regierung seit mehr als 15 Jahren erlebt.
Zum Eklat war es innerhalb der Scottish National Party, kurz SNP, gekommen, die größte Partei im schottischen Parlament. Sie bildet zusammen mit der grünen Partei Schottlands, der Scottish Green Party, die Regierung. Sieben Abgeordnete haben sich nun klar gegen die Pläne der eigenen Partei ausgesprochen und sorgten im Parlament, dem sogenannten Holyrood, für einen Tumult. Zwei weitere Abgeordnete enthielten sich. Ziel der Regierung ist es, ein neues Gesetzesvorhaben durchzusetzen, das eine Geschlechtsänderung für Jugendliche ab 16 Jahren vorsieht. Das sogenannte Gender Recognition Reform (Scotland) Bill sieht vor, dass jeder Mensch ab 16 Jahren ohne Einwilligung der Eltern sowie auch ohne eine medizinische Diagnose der Geschlechtsdysphorie oder eine ärztliche Beratung einen Geschlechtswechsel vornehmen lassen kann. Bisher bedarf es noch einer medizinischen Abklärung sowie einer Wartezeit von zwei Jahren, in der die betreffende Person im anderen Geschlecht leben muss. Zudem ist dies bisher nur volljährigen Schotten möglich. Die jetzt angedachte Gesetzreform wird von der Ersten Ministerin von Schottland, Nicola Sturgeon, unterstützt.
Auswirkungen auf die Sicherheit von Frauen?
Kritik dagegen kommt von mehreren Verbänden, der Konservativen Partei und auch von einer der größten Frauen-Organisationen des Landes, der “For Women Scotland“, sie befürchten einen Wegfall von Schutzräumen für Frauen und eine rechtliche Abschaffung der zwei Geschlechter. Ähnlich argumentierte auch Sicherheits-Ministerin Ash Regan, die erklärte: "Ich bin nicht per se gegen Reformen, aber ich kann keine Gesetzgebung unterstützen, die negative Auswirkungen auf die Sicherheit und Würde von Frauen und Mädchen haben könnte." In einem ersten Schritt wurde der Gesetzentwurf mit 88-zu-33 Stimmen trotzdem angenommen, unterstützt auch von anderen Parteien im Schottischen Parlament wie der Labour Partei, die dafür eintritt, eine Befriedung in der Sache erreichen zu wollen. Jetzt allerdings geht das Gesetzesvorhaben in die sogenannte Änderungsphase, der zweite von drei Schritten bis zur finalen Gesetzgebung. Bereits im Vorfeld wurde mehrfach dabei von Abgeordneten betont, dass die aktuell noch breite Unterstützung massiv an Stimmen verlieren könne, wenn die Regierung im weiteren Verlauf nicht auf wesentliche Bedenken eingehe. So belegte beispielsweise eine Umfrage der Politikanalysten Blackburn Hunter Mackenzie, dass die Mehrheit der Schotten dagegen ist, dass Menschen ohne eine medizinisch-fachliche Diagnose ihr Geschlecht ändern können. In der jetzt anlaufenden zweiten Phase der Gesetzgebung kann zudem jeder Abgeordnete Änderungsanträge zum Gesetzentwurf einbringen. In der finalen dritten Phase kommt es dann zur schlussendlichen Debatte inklusive der Abstimmung im Plenarsaal.
Forderung nach Koalitionszwang
Für den schottischen Guardian scheint es durchaus möglich, dass es noch zu einigen Änderungen im Gesetzesvorhaben kommen könne. Zudem sorgt für Unmut im Parlament, dass die SNP bisher eine freie Abstimmung ohne Koalitionszwang nicht zulassen will, die Konservative Partei hingegen hat ihren Mitgliedern bereits freigestellt, nach ihrer persönlichen Meinung auch fernab der Parteilinie abstimmen zu dürfen. Laut dem Guardian befürchten Mitglieder der Regierungspartei, dass die Unterstützung massiv bröckeln könnte, wenn alle Abgeordneten frei abstimmen dürften. Einfluss auf die Entscheidung dürfte dabei auch ein aktuell laufendes Gerichtsverfahren haben – hierbei klagt die Frauen-Organisation “For Women Scotland“ in puncto Geschlechterfrage mit Bezug auf die Vertretung der Geschlechter in öffentlichen Gremien. Auch für die BBC zeichnet sich das Bild so ab, dass die Erste Ministerin des Landes, Nicola Sturgeon, um jeden Preis eine weitere Rebellion verhindern wolle, und deswegen ihre eigne Partei zur Disziplin aufgerufen habe. Sollten sich weitere Abgeordnete schlussendlich gegen das Gesetzesvorhaben aussprechen, wäre eine Mehrheit bei der finalen Abstimmung äußerst fraglich.