Premiere in Wasserburg „Schwule? Sowas gibt's doch bei uns net!“
Die Pride-Saison steuert auf ihre großen CSD-Demonstrationen zu, manchmal werden dabei die kleinen CSDs zu Unrecht vergessen – eine dieser besonderen Pride-Veranstaltungen ist der allererste CSD in Wasserburg am Inn. SCHWULISSIMO fragte nach bei Anna Gmeiner vom Orga-Verein LGBTQ Rosenheim.
Zum ersten Mal gibt´s in Wasserburg einen CSD, das Team dahinter hat aber bereits ein wenig Erfahrung – ihr habt 2023 bereits den ersten Rosenheimer CSD veranstaltet, rund 700 Teilnehmer waren mit dabei. Was habt ihr als Erfahrung mitnehmen können?
Die Menschen wollen eine gute Balance zwischen Unterhaltung und politischen Forderungen, das versuchen wir trotz der Anmeldung als Versammlung selbstverständlich zu berücksichtigen, denn auch Politik kann Spaß machen. Zudem Sorgen wir für genug Ordner*innen, gute Musik und genauso wie auch in Rosenheim für eine Awareness-Person, an die sich die Teilnehmer*innen jederzeit bei Sorgen oder Problemen wenden können. Am wichtigsten ist bei kleineren CSDs die Unterstützung vor Ort. Unser Ziel ist es, die Menschen vor Ort zu empowern, und dazu braucht man erstmal motivierte Menschen, die wir in Wasserburg zum Glück gefunden haben.
Einen CSD wie in Wasserburg auf die Beine zu stellen, erfordert wahrscheinlich noch einmal ein klein wenig mehr Mut und Tatkraft als anderswo. Wie seid ihr an die Sache herangegangen? Und welche Erfahrungen habt ihr im Vorfeld gemacht?
Wir haben zuerst gecheckt, ob denn überhaupt Interesse besteht, indem wir ein Regionaltreffen angeboten haben. Als dies mit großem Erfolg angenommen wurde und alle Anwesenden hochmotiviert waren, wussten wir, dass dieser CSD gelingen kann. In anderen Regionen des Landkreises hat dies leider noch nicht zu einem vergleichbaren Erfolg geführt, jedoch lassen wir uns deswegen nicht entmutigen und planen auch in Zukunft den ganzen Landkreis bunter zu gestalten.
Sehr gut! Ist es denn schwieriger oder irgendwie anders, einen CSD in einer Kleinstadt in Bayern ins Leben zu rufen? Immerhin ist Bayern ja bis heute das einzige Bundesland deutschlandweit, das sich in puncto Aktionsplan immer noch eher quer als queer stellt.
Es ist auf jeden Fall mit viel Hass oder zumindest Unverständnis von außen verbunden. Besonders im Hinblick auf die derzeitigen Wahlergebnisse zeigt sich klar, dass unsere Gesellschaft wieder hin zu einem rechteren, intoleranterem Weltbild rückt. Diese Entwicklung macht uns Angst.
Seit ein bis zwei Jahren erleben wir auch eine rapide Zunahme von Gewalt im Umfeld von CSDs. Auch die Fälle von Hasskriminalität gegen LGBTI* haben sich in Bayern zuletzt verdoppelt. Habt ihr damit in Rosenheim bereits Erfahrungen gemacht beziehungsweise wie geht ihr mit möglichen Bedrohungen jetzt auch in Wasserburg um?
Auch wenn wir privat viele Fälle von Hasskriminalität verzeichnen können, blieben unsere Veranstaltungen zum Glück bisher verschont. Selbstverständlich treffen wir aber dennoch Vorsichtsmaßnahmen wie Absprachen mit der Polizei und die Bereitstellung von Awareness-Personen und aufmerksamen Ordner*innen.
Welche Reaktionen habt ihr bisher im Vorfeld des ersten CSDs in Wasserburg seitens der Bürger oder vielleicht auch seitens der Stadtpolitik erlebt? Beziehungsweise wie waren die Feedbacks nach den ersten zwei CSDs 2023 und 2024 in Rosenheim?
Wasserburg ist eine recht weltoffene Stadt, daher haben wir hier viel positives Feedback erhalten. In Rosenheim im Gegensatz haben wir sehr gemischtes Feedback bekommen. Für die einen war es das erste Mal, dass sie ihre Sexualität oder Geschlechtsidentität gezeigt haben, und für die anderen waren wir der Inbegriff der so oft von rechts diffamierten „Wokeness-Bewegung“. Im Gegensatz zu Rosenheim besitzt die Stadt Wasserburg zumindest schon eine Regenbogenfahne, die jährlich zum IDAHOBIT vor dem Rathaus hängt – und hoffentlich auch am 06. Juli, dem Tag unseres CSDs!
Ihr habt auch anderweitig aus dem ersten CSD in Rosenheim gelernt und wollt zum Beispiel die Redezeit von Politikern verkürzen und besser managen. Wie wollt ihr in Wasserburg sicherstellen, dass Politiker euren CSD nicht nur als „Image-Aufbesserung“ und Parteienwerbung wahrnehmen?
Es ist uns wichtig, eine Balance herzustellen, denn Politiker*innen sind wichtig, um unsere Anliegen in die Parlamente zu tragen. Auf der anderen Seite ist es auch selbstverständlich, dass es keine bloße Parteienwerbung sein soll. Eine kurze Redezeit und eine gute Auswahl der Politiker*innen sollten das gewährleisten.
Ganz generell, wie lebt es sich als LGBTI*-Mensch derzeit im kleinstädtischen oder auch ländlichen Oberbayern?
„Schwule? Sowas gibt's doch bei uns net!“ Das ist ein typischer Satz, den man hier hört. Es gibt kaum Angebote, an die man sich wenden kann oder Orte, an denen man Menschen mit ähnlichen Problemen treffen kann. Es gibt queere Menschen, aber das Leben findet meist eher hinter verschlossenen Türen statt. Also alles in allem lebt es sich mehr schlecht als recht.
Wir drücken die Daumen, dass sich das mit euren CSDs schnell ändert! Danke dir fürs Gespräch!
CSD Wasserburg, 06. Juli
Kundgebung Altstadt 15-18 Uhr