Pietätloses Urteil in Russland Reiseveranstalter posthum wegen LGBTIQ+-Nähe verurteilt
Vor einem knappen Jahr Ende November 2024 verhaftete die russische Polizei bei mehreren Razzien in Schwulenclubs und anderen szenenahen Einrichtungen mehrere Männer, darunter auch der 48-jährige Reiseveranstalter Andrei Kotov. Ihm wurde vorgeworfen, über seine Reiseagentur „Men Travel“ speziell Reisen für schwule Männer organisiert zu haben – damit habe er „Aktivitäten“ der als extremistisch eingestuften LGBTIQ+-Bewegung unterstützt.
Kotov drohten damals bis zu zehn Jahre Gefängnis. Der 48-Jährige wurde daraufhin von der Polizei immer wieder mit Elektroschockern misshandelt und gefoltert, ihm wurde Nahrung und warme Kleidung sowie wichtige Medikamente verwehrt, zudem wurde er fortlaufend unter Druck gesetzt, ein „Geständnis“ abzulegen, bis er Ende 2024 Suizid beging.
Anklage nach Selbstmord
Damit war der Fall zumindest aus Sicht der russischen Behörden offensichtlich aber noch immer nicht abgeschlossen, posthum wurde der Mann jetzt vor Gericht schuldig gesprochen. Kotov habe mehrere Gruppenreisen für schwule Männer organisiert, unter anderem nach Ägypten wie auch eine Flussschifffahrt auf der Wolga. Angeblich habe er auch Minderjährige dazu ausgenutzt, die Reiseangebote unter schwulen Männern zu bewerben, der Vorwurf lautete daher zusätzlich auf Verbreitung von Pornografie.
Urteil ohne Beweise
Zu Lebzeiten hatte Kotov alle Anschuldigungen stets zurückgewiesen und mehrfach erklärt, dass es sich um ganz normale Touren gehandelt habe. Nach seinem Selbstmord wurde das Verfahren gegen ihn trotzdem im Sommer dieses Jahres vor dem Bezirksgericht in Moskau eröffnet, die Staatsanwaltschaft rief zahlreiche Zeugen auf, doch keiner von ihnen konnte tatsächlich auch handfeste Beweise vorbringen. Selbst ein angeblicher Undercover-Agent, der bei einer jener Reisen dabei gewesen sein soll, konnte nichts Belastendes wie beispielsweise mögliche Videomitschnitte vorlegen. Trotzdem verurteilten die Richter Kotov jetzt posthum und sprachen ihn in allen Punkten schuldig. Lediglich auf das Verlesen einer posthumen Haftstrafe wurde verzichtet.
Hier gibt es Hilfe
Die Berichterstattung über Suizid ist ein überaus sensibles Thema. Wir möchten es in KEINSTER Weise glorifizieren oder romantisieren. Viele Menschen, die durch Suizid sterben, leiden an einer psychischen Erkrankung. Wenn es dir nicht gut geht oder du daran denkst, dir das Leben zu nehmen, versuche mit anderen Menschen darüber zu sprechen. Das können Freunde oder Verwandte sein. Es gibt aber auch eine Vielzahl von Hilfsangeboten, bei denen du dich melden kannst. Die Telefonseelsorge ist anonym, kostenlos und rund um die Uhr erreichbar. Die Telefonnummern sind 0800/111 0 111 und 0800/111 0 222.
Mit Beratung steht dir auch der Coming Out Day Verein via Messenger, E-Mail und Videochat unter www.coming-out-day.de sowie www.comingoutundso.de zur Seite. Weiterhin gibt es von der Telefonseelsorge das Angebot eines Hilfe-Chats. Außerdem gibt es die Möglichkeit einer E-Mail-Beratung. Die Anmeldung erfolgt – ebenfalls anonym und kostenlos – auf der Webseite. Informationen findest du unter: www.telefonseelsorge.de