Obdachlosigkeit unter LGBTI* Wohnungslose LGBTI*-Menschen bleiben ein großes Problem
Bereits im letzten Jahr schlug die queere Organisation ILGA Europe Alarm und zeigte auf, dass die Zahl der obdachlosen Homosexuellen und queeren Menschen in Europa rapide ansteigt. Demnach sind bis zu 40 Prozent der obdachlosen Menschen schwul, lesbisch, bisexuell oder queer. Im Oktober dieses Jahres dann kam eine Studie des Bundesinnenministeriums zu dem Schluss, dass auch die Gewalt gegen Obdachlose immer stärker ansteigt. Die jüngsten Studiendaten aus Berlin lege nun nahe, dass der Sachverhalt deutlich größer ist als bisher angenommen.
Bis zu 72.000 LGBTI*-Menschen ohne Wohnung
Das Problem: Genaue Zahlen gibt es nicht, selbst die Gesamtzahl der Obdachlosen in Deutschland wird unterschiedlich je nach Institut eingeschätzt, wobei noch einmal auf der Straße lebend / obdachlos und wohnungslos unterschieden wird. Die seriöse Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungsnotfallhilfe BAGW geht von 607.000 wohnungslosen Menschen in Deutschland aus – das wären damit mehr als 72.000 LGBTI*-Wohnungs- und Obdachlose. Bereits vor fast neun Jahren kam die Dalia-Studie auf mindestens 45.000 LGBTI*-Menschen ohne Wohnsitz.
600 obdachlose Menschen in Berlin
Die Berliner Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung hat jetzt ihre jüngsten Studiendaten über Obdachlosigkeit in der Regenbogenhauptstadt herausgebracht. In der Stadt gibt es seit November 2022 die erste landesweite Anlaufstelle für LGBTI*-Obdachlose. Beim Projekt QUEERHOME wird Betroffenen bei Wohnungsnotfällen geholfen, daneben gibt es Rat und Tat beim Wohnungserhalt, zur Unterbringung, zu weiterführenden Beratungsmaßnahmen, zur langfristigen Wohnungssuche inklusive alternativer Wohnformen und zu Wohngemeinschaften an.
Ein Pressesprecher des Vereins betonte dabei: „Wir sprechen von 6.000 bis 10.000 Obdachlosen in dieser Stadt, also Menschen, die wirklich auf der Straße stehen. Dann hätten wir mindestens 600 queere obdachlose Personen. Bei Wohnungslosen, also Menschen, die kein festes Mietverhältnis haben, sind die Zahlen aber noch wesentlich höher. Da sprechen wir von 200.000 Personen. Wir wären dann also bei mindestens 20.000 Queers.“
Diskriminierung und Gewalt
Die Studie bestätigte dabei auch die vielfältigen Probleme, denen sich obdachlose LGBTI*-Menschen stellen müssen – sie erleben oftmals mehrfach Diskriminierung und Ablehnung bei Job- und Wohnungssuche, was den Ausstieg aus der Wohnungslosigkeit immer weiter erschwert. Dazu kommt, dass viele von ihnen in den Notunterkünften erneut von verbalen und gewalttätigen Angriffen sowohl von anderen Bewohnern wie auch dem Personal bedroht sein können.
Gerade bei jungen Homosexuellen zeichnet sich eine besonders dramatische Lage ab, da sie überdies durch die ständige Scham und das Stigma auch von einem Coming-Out abgehalten werden. „Man kann sich nicht als LGBTI* outen, wenn man Angst um seine persönliche Sicherheit hat, und gleichzeitig kann man sich in der LGBTI*-Community nicht als obdachlos outen, weil man Angst vor Ausgrenzung durch Gleichaltrige hat“, so die ILGA Europe. Rund 38 Prozent der obdachlosen Schwulen und Lesben gaben zudem an, bereits körperliche Gewalt erlebt haben.