Obdachlosigkeit unter LGBTI*s Junge LGBTI*-Menschen geraten schnell in einen Teufelskreis
Die ILGA Europe schlägt jetzt Alarm mit Blick auf die Lage von LGBTI*-Obdachlosen in Europa. Geschätzt sind zwischen 20 und 40 Prozent der aktuell obdachlosen Menschen Teil der LGBTI*-Community. „Ablehnung durch die Familie, höhere Armutsraten, Mangel an institutionelle und gemeinschaftliche Unterstützung sowie Diskriminierung durch Vermieter und Arbeitgeber tragen alle zu dieser erhöhten Gefährdung bei.“
Schweigen aus Angst und Scham
Das besondere Problem dabei laut der ILGA: LGBTI*-Personen sind oft „unsichtbar“ in Gesprächen, wenn es um das Thema Obdachlosigkeit geht, viele zuständige Dienste haben Aspekte wie sexuelle Orientierung oder die Geschlechtsidentität bis heute nicht im Blick. Im Gegenzug würden viele LGBTI*-Menschen aus Angst vor Diskriminierung oder Gewalt immer öfter davor zurückschrecken, überhaupt auf ihre besondere Lage hinzuweisen oder diese generell anzusprechen. Dazu kommt: „Viele politische Maßnahmen zur Bekämpfung von Obdachlosigkeit gehen nicht auf die besondere Situation von LGBTI*-Personen ein, obwohl sie bekanntermaßen ein wichtiger Faktor ist, insbesondere für jüngere Menschen.“
Besonders gefährdet: LGBTI*-Jugendliche
Gerade bei Jugendlichen und jungen LGBTI*-Erwachsenen zeichnet sich die Lage besonders dramatisch ab: „Junge LGBTI*-Wohnungslose gaben an, dass sie aufgrund ihrer Situation als Obdachlose sowie der damit verbundenen Scham und dem Stigma kontinuierlich vom Coming-Out-Prozess abgehalten worden sind. Man kann sich nicht als LGBTI* outen, wenn man Angst um seine persönliche Sicherheit hat, und gleichzeitig kann man sich in der LGBTI*-Community nicht als obdachlos outen, weil man Angst vor Ausgrenzung durch Gleichaltrige hat.“
Geldnot und Familienprobleme
Obdachlosigkeit und LGBTI*, das scheint für viele noch immer nicht zusammen zu passen. Rund zehn Prozent der befragten LGBTI*-Menschen wurden bereits von Vermietern aufgrund ihrer gleichgeschlechtlichen Sexualität oder Geschlechtsidentität diskriminiert, beinahe jeder Fünte (18 Prozent) bekam Probleme als Mieter einer Wohnung und war damit unerwünscht. Die weiteren Hauptursachen für die Wohnungsprobleme waren zudem ein unzureichendes Einkommen (43 %) gefolgt von Problemen in der Familie oder der Beziehung (36 %) sowie der Eintritt in die Arbeitslosigkeit (24 %). „Für ein Viertel der Befragten war Arbeitslosigkeit die Hauptursache, was zeigt, dass unsichere Arbeitsplätze, niedrig bezahlte Arbeit und Diskriminierung am Arbeitsplatz wichtige Auslöser für Obdachlosigkeit in der LGBTI*-Community sind.“
Einmal obdachlos, für immer obdachlos?
Diejenigen, die keine Wohnung finden konnten, hatten dabei auch verstärkt Probleme, überhaupt irgendwo kurzfristig unterzukommen. Fast neun Prozent von ihnen schliefen auf der Straße oder öffentlichen Plätzen, gerade einmal knapp 14 Prozent gingen freiwillig in eine Notunterkunft. Rund 82 Prozent versuchten zumindest kurzfristig bei Freunden unterzukommen. Im Durchschnitt waren LGBTI*-Menschen neun Monate obdachlos, bevor sie eine neue dauerhafte Unterkunft finden konnten. Das Problem dabei: Je länger die Obdachlosigkeit andauert, desto schwieriger ist es, überhaupt noch eine neue Wohnung zu finden.
Die Suche nach einem Job
Die andere Problematik ist die Suche nach einen neuen Job – rund zehn Prozent der LGBTI*-Menschen in Europa wurden dabei bereits diskriminiert, weil sie homosexuell oder queer sind. Kommt dann noch eine Obdachlosigkeit dazu, verdoppelt sich dieser Wert in der LGBTI*-Community auf fast 20 Prozent. Mehr als jede dritte LGBTI*-Person (38 %), die von Wohnungsproblemen betroffen war, war in den letzten fünf Jahren dann zusätzlich mit körperlichen oder sexuellen Angriffen konfrontiert. Jeder vierte (23 %) LGBTI*-Obdachlose erlebte sogar im Gesundheitssystem Diskriminierung und abfällige Bemerkungen.
Zwar hat sich die Lage in einigen Ländern wie Belgien, Italien oder auch Slowenien durch die Einführung von LGBTI*-spezifischen Obdachlosendiensten geringfügig verbessert, doch gebe es noch sehr viel Luft nach oben. Die Daten fußen auf die LGBTI*-Umfrage II der Europäischen Grundrechteagentur (FRA) in Zusammenarbeit mit der Organisation FEANTSA. Die ILGA Europe wertete die Ergebnisse nach speziellen Teilaspekten wie das Thema Obdachlosigkeit aus.