Kritik an der Türkei Geplantes Anti-LGBTIQ+-Gesetz bedroht Pressefreiheit
Insgesamt siebzehn große internationale Presseagenturen haben sich jetzt in einem offenen Appell an die Türkei und die europäische Staatengemeinschaft gewandt: Sie fordern eindringlich, das geplante Anti-LGBTIQ+-Gesetz zurückzunehmen, das unter anderem die Berichterstattung über LGBTIQ+ unter Strafe stellen würde. Das angedachte Justizpaket gefährde damit massiv die journalistische Pressefreiheit.
Drakonisches Gesetz
Das türkische Gesetzesvorhaben ist eine Blaupause des russischen Anti-Homosexuellen-Gesetzes mit weitreichenden Folgen. Bereits die Berichterstattung über Homosexualität oder queere Themen könnte dann mit bis zu drei Jahren Haft bestraft werden. Jede öffentliche oder positive Darstellung von LGBTIQ+ ist demnach dann verboten, dazu kommen weitere Richtlinien für queere Menschen, wenn diese die „öffentliche Moral“ schädigen. Homosexualität in der Öffentlichkeit wie beispielsweise ein Kuss könnte dann bereits als „unsittliche Handlungen oder Exhibitionismus“ ausgelegt werden – mit möglichen 16 Jahren Haft.
Ein zusätzliches Problem: Das Gesetz ist zwar einerseits sehr umfassend gehalten, andererseits aber sehr vage formuliert – es öffnet der willkürlichen Interpretation, was künftig legal sein soll und was nicht, Tür und Tor. Journalisten, die künftig über LGBTIQ+, sexuelle Gesundheit, Pride-Paraden oder Menschenrechtsverletzungen berichten, fallen unter das Verbot von „Werbung“ für die Community – mit strafrechtlichen Konsequenzen. Wo hier die Grenze zwischen journalistischer Arbeit und „Werbung“ verläuft, obliegt der Einschätzung des jeweiligen Richters allein.
Massive Angriffe auf Journalisten
Bereits jetzt mehrten sich in diesem Jahr die Angriffe auf Journalisten seitens der Regierung, immer dann, wenn diese über LGBTIQ+ berichtet haben. Ein negativer Höhepunkt war dabei die Verhaftung von Yıldız Tar, Chefredakteur der größten queeren Nachrichtenplattform KAOS GL in der Türkei. Alle Online-Auftritte und Konten in den sozialen Medien wurden gesperrt, Tar wurde beschuldigt, „öffentlich zu Straftaten angestiftet“ zu haben. In einem anderen Fall wurden Journalisten verhaftet, weil sie über den Pride in Istanbul berichtet hatten.
„Die vorgeschlagene Bestimmung würde die Rechtsverletzungen weiter verschärfen und die Berichterstattung über LGBTIQ+-Themen unter Strafe stellen und damit die journalistische Integrität beeinträchtigen“, so die Presseorganisationen weiter. Zu den Unterzeichnern gehören unter anderem das Europäische Zentrum für Presse- und Medienfreiheit (ECPMF), die Türkische Journalistengewerkschaft (TGS), die Vereinigung für Medien- und Rechtswissenschaften (MLSA), das Internationale Presseinstitut IPI, das Osservatorio Balcani e Caucaso Transeuropa (OBCT), das Komitee zum Schutz von Journalisten (CPJ), die Foreign Media Association, das Balkan Investigative Reporting Network (BIRN) sowie auch PEN International und PEN Norwegen als auch die Europäische (EFJ) und Internationale Journalistenföderation (IFJ).