Direkt zum Inhalt
Kompromiss oder Heuchelei?
Rubrik

Kompromiss oder Heuchelei? Will die Kirche von England Konversionstherapien durch die Hintertür anbieten?

ms - 18.01.2023 - 13:00 Uhr

Nach massivem Druck seitens der britischen Regierung und von Abgeordneten aller Parteien hat sich die Kirche von England jetzt doch zu einem Statement hinsichtlich ihrer Einstellung gegenüber Homosexuellen durchgerungen: Der Forderung, Priester sollten künftig gleichgeschlechtliche Ehen schließen dürfen, erteilt die Kirche erneut eine klare Absage, schlägt aber als Kompromiss vor, dass Schwule und Lesben, die zivil geheiratet haben, ihre Verbindung in der Kirche segnen lassen können.

Historischer Schritt – oder doch nicht?

Der vorgeschlagene Minimalkonsens ist für die Kirche von England nach eigener Aussage ein “historischer Schritt“ und soll dazu beitragen, die jahrzehntelang andauernden Streitigkeiten über den Umgang mit der Sexualität beizulegen. Der Kompromiss wurde heute von den Bischöfen gebilligt und soll im Februar dem Leitgremium der Kirche, der Generalsynode, vorgelegt werden. Im Vereinigten Königreich hinkt die Kirche von England dabei weiter den Entwicklungen hinterher; die Episkopalkirche in Schottland sowie auch die Kirche von Schottland haben bereits zugestimmt, gleichgeschlechtliche Ehen zuzulassen, und die Kirche von Wales plant dies aktuell.

Heuchelei hinter Kirchenmauern?

Seitens einiger LGBTI*-Aktivisten ist das Vorgehen eine herbe Enttäuschung. Einmal mehr betonten LGBTI*-Vereine, dass die Haltung der Kirche nicht nur einen enormen Schaden anrichte, sondern sich auch gegen die Wünsche der Mehrheit der Briten wendet. Ähnliches hatten in dieser Woche auch Abgeordnete des britischen Unterhauses erklärt. Immer wieder wird der Kirche in diesen Stunden auch direkt Heuchelei vorgeworfen. Zum einen deswegen, weil die Kirche weiterhin darauf bestehen will, dass die Ehe nur zwischen einem Mann und einer Frau geschlossen werden darf und zum anderen, weil selbst die Segnung von zivilen Homo-Ehen für Priester freiwillig bleiben soll. Wenn ein Geistlicher Homosexualität weiter ablehnt, muss er in seiner Gemeinde auch künftig keinem homosexuellen Paar den Segen geben.

Konversionstherapie durch die Hintertür?

Zudem klingt der Kompromiss auch anderweitig eher danach, als wolle die Kirche von England eine Art von Konversionstherapie für Homosexuelle anbieten – ein unseriöses “Heilungsangebot“, das noch immer in Großbritannien erlaubt ist. Aktuell plant die Regierung allerdings, in diesem Jahr endlich ein Verbot von Konversionstherapien zu verabschieden. Beim vorgeschlagenen Kompromiss erklärte die Kirche von England derweil, sie wolle gleichgeschlechtlichen Paaren ein möglichst umfassendes “seelsorgerisches Angebot“ machen, ohne die kirchliche Lehre von der heiligen Ehe zu ändern, und zwar durch eine Reihe von “Gebetsentwürfen“, die als Gebete der Liebe und des Glaubens bekannt sind. Klingt verdächtig nach einer Konversionstherapie durch die Hintertür.

Auch Interessant

Daten über LGBTI*-Amerikaner

Neue Grundlage für bessere Gesetze

Postive Nachrichten aus den USA: Ab 2027 werden LGBTI*-Themen bei der Volksbefragung mit aufgenommen, der Grundstein für neue Gesetze und Projekte.
Zensur in der Schule

Verbotene Bücher in Florida

Es ist absurd, aber Realität: Ob LGBTI*-Bücher oder Klassiker wie George Orwells "1984" - was missfällt, wird an Floridas Schulen radikal verbannt.
Kritik an Kürzungen bei HIV

Berlin will Gelder streichen

Keine guten Zeiten für die HIV-Arbeit: Der Rotstift soll nach Hessen und Nordrhein-Westfalen nun auch in Berlin angesetzt werden.
Kritik im Fall Nex Benedict

US-Schule ließ queeren Schüler im Stich

Die Schule hat versagt - so die Untersuchungsbehörde im Fall Nex Benedict. Der queere Schüler aus Oklahoma hatte sich nach Mobbing das Leben genommen.
Homo-Ehe in Spanien

Verfassungsschutz für Homosexuelle

Die spanische Regierung will die Homo-Ehe in der Verfassung verankern - als Schutz vor rechtsextremen Strömungen im Land. Gelingt das Vorhaben?
Heiratswelle in den USA

Eine Ehegelöbnis aus Angst vor Trump

Wird die Homo-Ehe unter Trump in den USA wieder zurückgenommen? Aus Furcht davor wollen immer mehr US-Homosexuelle jetzt kurzfristig heiraten.
Prozess in Wien

Spektakulärer Fall vor Gericht

Ein 30-jähriger Wiener soll eine Trans-Frau in seiner Wohnung über Tage eingesperrt und vergewaltigt haben. Prozessauftakt war jetzt in Wien.