Keine Politiker beim Pride! Der Pride sollte zu seinen aktivistischen Wurzeln zurückfinden
Peter Tatchell gehört zu den bekanntesten Gesichtern der britischen LGBTI*-Community und ist ein Aktivist der ersten Stunde. Beim allerersten Pride-Marsch 1972 in London war Tatchell an vorderster Front mit dabei. Zuletzt machte er Schlagzeilen, weil er die Einladung der Queen zu den Feierlichkeiten zum siebzigsten Thronjubiläum mit der Begründung ausschlug, Elisabeth II. habe sich bis heute nie eindeutig zur LGBTI*-Community oder zu den Rechten von Homosexuellen bekannt.
Mit Blick auf den diesjährigen Pride in London, dem 50-jährigen Jubiläum der Demonstration in der britischen Hauptstadt, forderte Tatchell, dass die gesamte Pride-Bewegung zu ihren aktivistischen Wurzeln zurückkehren müsse und das bestenfalls nicht nur in Großbritannien. Auch in Deutschland gibt es erste Stimmen, die eine Neuausrichtung der Pride-Veranstaltungen fordern, weg von politischer Selbstinszenierung oder der Möglichkeit der Image-Aufbesserung großer Unternehmen. Zuletzt setzte das Organisationsteam des CSDs in Kassel ein klares Statement und verbot Parteiflaggen, Infostände und Redebeiträge von Politikern.
Tatchell erklärte nun gegenüber Pink News, wie wichtig diese radikale Rückkehr zu den Wurzeln des Pride ist: "Wir akzeptieren, dass es ein gewisses Maß an Sponsoring und Finanzierung geben muss, aber die Unternehmen dominieren wirklich - sie sind die Einzigen, die sich die großen, extravaganten Wagen bei der Hauptparade leisten können. Wir sind der Meinung, dass wir den Pride umgestalten müssen, damit dieser sich wieder an die Basis wendet. Der Pride sollte von und für die LGBTI*-Community sein. Wir sollten im Mittelpunkt stehen. Leute wie der Bürgermeister von London und andere sind willkommen, aber sie sollten nicht den Ehrenplatz einnehmen. Die Veteranen von '72 sollten bei der Pride dieses Jahr im Mittelpunkt stehen. Wir müssen sicherstellen, dass der Pride angemessen finanziert wird, aber nicht auf Kosten der Dominanz von Unternehmen und der Vernachlässigung von Politik und Menschenrechten.“
Zudem sieht es Tatchell kritisch, wenn die Demonstration oftmals nur als große Party vermarktet werden, gerade in diesem Jahr, in dem die britische Community mit massiven Problemen zu kämpfen hat. Nebst dem Streit um die Inkludierung von trans-Menschen in ein Verbot von Konversionstherapien, beschäftigt die Szene auch die Tatsache, dass die Gewalttaten gegenüber LGBTI* massiv zugenommen haben und sich die Polizei gerade in London immer mehr als strukturell homophob herauskristallisiert. So fordert Tatchell auch, dass der britischen Polizei in diesem Jahr nicht die Möglichkeit gegeben werden sollte, sich beim Pride am 02. Juli zu präsentieren.
Auch mit Blick auf die teils dramatische rechtliche und gesellschaftliche Situation von LGBTI*-Menschen auf der ganzen Welt, bekräftigt Tatchell: "Der Kampf ist noch lange nicht gewonnen!" Rückbesinnend ins Jahr 1972 hält der LGBTI*-Aktivist auch fest, dass dieser erste Marsch zutiefst politisch war und er sich die gleiche Energie auch bei den heutigen Pride-Veranstaltungen wünschen würde.