Flagge zeigen beim CSD Das Land ruft – Brandenburg und Bayern brauchen dich!
Der Pride-Monat Juni wird auch 2024 wieder hunderttausende Demonstranten aus der ganzen LGBTI*-Community auf die Straße locken. In diesem Jahr ist der Pride besonders wichtig, denn zum einen ist bei den Europawahlen ein Rechtsruck zu befürchten, zum anderen gibt es drei weitere Wahlen im Herbst in Ostdeutschland, die mit Blick auf die aktuellen Prognosen auch nicht gerade Feierlaune aufkommen lassen.
Der Lesben- und Schwulenverband Deutschland hat bereits eindringlich dazu aufgerufen, wählen zu gehen – und sich eine Partei herauszusuchen, die sich für LGBTI*-Themen einsetzt, anstatt sie zu bekämpfen. Bei aller Unterschiedlichkeit in der politischen Ausrichtung sollte uns der Gedanke vereinen, dass wir die erkämpften Rechte für Homosexuelle und queere Menschen nicht wieder verlieren wollen. Jetzt liegt es also mehr denn je an uns, Sichtbarkeit zu demonstrieren und für mehr Akzeptanz auf die Straße zu gehen.
CSD-Heldenmut in Brandenburg
Gerne wird dabei auf die großen CSD-Paraden wie in Berlin, Hamburg oder München geblickt, dabei braucht es oftmals viel mehr Heldenmut, um bei den kleineren Prides Flagge zu zeigen. In Brandenburg gibt es im Juni dazu reichlich Gelegenheit. Regenbogenflagge einpacken und los geht´s! Gerade hier ist der Einsatz auch besonders wichtig, denn die Fallzahlen bei Hasskriminalität gegenüber LGBTI*-Menschen haben sich in Brandenburg zuletzt beinahe verdoppelt, auch mehrere CSDs wurden 2023 Ziel von Angriffen sowohl verbaler wie physischer Art. Mehrfach brannten Regenbogenflaggen, anderenorts sahen sich die CSD-Veranstalter mit extremen Einschüchterungsversuchen und heftigen Anfeindungen konfrontiert, besonders gerne aus dem rechtsextremen Spektrum.
Allerdings gibt es auch positive Signale: Mit Blick nach Brandenburg zeigt sich, dass immer mehr Menschen bereit sind, mutig auf die Straße zu gehen. Pünktlich zum 1. Juni geht so der CSD Rheinsberg an den Start, eine Premiere für den Kreis Ostprignitz-Ruppin. Das Motto: „Aufstehen, Hand in Hand – es gibt ein queeres Hinterland.“ Organisator Freke Over erklärt so gegenüber dem Tagesspiegel: „Wir wollen zeigen, dass sich hier etwas bewegt.“ Und so blickt Over hoffnungsvoll in Richtung Regenbogenhauptstadt und hofft, dass „die Züge aus Richtung Berlin voll sind.“ Los geht´s um 13.30 Uhr am Bahnhof.
Eine Woche später am 8. Juni freut sich der CSD Eberswalde auf viele Besucher, auch hier gehen die LGBTI*-Menschen zum ersten Mal demonstrieren. Startpunkt ist der Bahnhofsvorplatz um 13 Uhr. Kurzfristig abgesagt werden musste indes der am gleichen Tag geplante, dritte CSD in der Prignitz (Wittenberge), es fehlte am Geld und an ausreichend Personal. Im kommenden Jahr wollen die Organisatoren aber erneut versuchen, einen CSD auf die Beine zu stellen. Die gute Nachricht: Chancen für LGBTI*-Sichtbarkeit gibt es auch woanders: Am gleichen Tag steigen so in Potsdam queere und homosexuelle Menschen auf´s Bike und treten für die Regenbogen-Fahrrad-Demo kräftig in die Pedale. Der Fahrrad-Pride startet um 15 Uhr auf dem Alten Markt zwischen Landtag und Nikolaikirche. Die Organisatoren versprechen: „Wir lassen Potsdam für einen Tag in Regenbogenfarben erstrahlen und die queere Community ein Stück sichtbarer werden.“ Letztes Jahr waren rund 650 Menschen dabei – da geht noch mehr, oder?
Sichtbarkeit nach Anfeindungen
Nach dem Abklingen des Muskelkaters in den Beinen sollte man dann unbedingt den CSD Bernau am 22. Juni unterstützen. Nach der Premiere im vergangenen Jahr geht es nun in die zweite Runde. Immer wieder komme es auch hier zu Anfeindungen und Drohungen, so das CSD-Team. Wer nach so viel Aktion ein wenig die Seele baumeln und trotzdem erneut für die Community unterwegs sein will, sollte am 28. Juni unbedingt noch zum CSD Falkensee. Tags darauf freut sich dann der CSD Neuruppin auf zahlreiche Besucher zur Abschluss-Kundgebung um 11 Uhr, bereits seit dem 17. Juni setzen die Pride-Weeks ein starkes Zeichen in der Fontanestadt. Weltoffen im ländlichen Raum, so die Kernaussage. Ebenso am 29. Juni treten queere Menschen beim CSD Cottbus für die Community ein. Zum 16. Mal wird hier ab 15 Uhr vor der Stadthalle die Regenbogenfahne geschwenkt. „Wer sich nicht bemerkbar macht, wird nicht mitgedacht“, so das Motto.
Drei CSDs seien hier noch ans Herz gelegt: Beim CSD Brandenburg an der Havel will man am 6. Juli „gemeinsam für ein vielfältiges Brandenburg“ einstehen – besonders wichtig, nachdem es im letzten Jahr zu massiven Attacken von Rechtsextremen gekommen ist (Startpunkt Hauptbahnhof, 15 Uhr). Am 14. September startet dann der grenzübergreifende Frankfurt-Slubice-Pride über die Oderbrücke bis hinüber nach Polen und am 21. September macht Oranienburg mit dem CSD Oberhavel den Abschluss. Einen Tag später wird in Brandenburg dann ein neuer Landtag gewählt. Mit Stand von April liegt die AfD bei den Umfragen (BLPB) mit rund 25 Prozent an erster Stelle, gefolgt von SPD und CDU mit 19 Prozent. Für unsere Rechte einzutreten, ist also definitiv mehr als Party.
Quo vadis Bayern?
Das sieht man auch im ländlichen Raum in Bayern so! Hier fragt man sich immer verzweifelter, ob ein Nationaler Aktionsplan wirklich kommt – und wenn ja, wie? Oder bleibt es bei mehr oder minder warmen Worten von Ministerpräsident Markus Söder? Nix Gwiss woass ma ned, schon gar nicht, wenn die Freien Wähler mitreden dürfen. Und so ist Bayern nach wie vor das letzte Bundesland in Deutschland, das sich vielleicht, oder vielleicht nur halbherzig, unter Umständen dazu durchringen könnte, etwas mehr, falls überhaupt, als Symbolpolitik für LGBTI*-Menschen im Freistaat herbeiführen können zu wollen, vielleicht, wohlgemerkt. Oder, wie der Bayer so gern lateinisch frei nach Cicero sinniert: „Quo usque tandem, wie lange noch?!“
Der Lesben- und Schwulenverband Bayern hat bereits Ende 2023 zusammen mit dem Dachverband der bayerischen CSDs mittels einer Petition und rund 16.000 Unterschriften mit Nachdruck die Einführung des Aktionsplans gefordert. Dazu wurde auch ein Katalog mit 120 konkreten LGBTI*-politischen Maßnahmen überreicht – fraglich nur, ob jemand aus der CSU-Regierung da überhaupt schon einmal konkret reingesehen hat. Hoffentlich wurde im Text nicht gegendert. Kurzum, das Thema dürfte auch in diesem Jahr ein beherrschender Aspekt bei den bayerischen CSDs sein.
Vereint in München - oder doch nicht?
Am lautesten zu hören sind die Forderungen in Bayern natürlich bei den großen Pride-Paraden, allen voran in München mit seinen zuletzt rund 520.000 Besuchern 2023. Zwei Wochen lang ab dem 08. Juni wird mit den Pride-Weeks wieder ein starkes Statement in die Welt hinausgeschickt, Höhepunkt einmal mehr wird die Polit-Parade sowie das Straßenfest am 22. Juni. Das Motto: „Vereint in Vielfalt. Gemeinsam gegen Rechts.“ So ganz vereint ist man allerdings in diesem Jahr einmal mehr nicht, die CSU wurde kurzerhand nach 2023 erneut von der Pride-Parade ausgeschlossen. Das fanden nicht alle gut.
So eindrucksvoll der CSD in München trotzdem sein wird, so sehr sollten wir aber auch hier den Blick auf jene Pride-Demonstrationen in Bayern werfen, auf denen nur ein paar hundert oder tausend Menschen gegen Hass auf die Straße gehen. Los geht es gleich am 1. Juni in Aschaffenburg, im letzten Jahr waren rund 800 Menschen mit dabei. Um 12 Uhr startet die Demonstration gegenüber dem Hauptbahnhof in der Frohsinnstraße und die Stadtverwaltung stellt klar: „Noch immer braucht es diese Sichtbarkeit, die zeigt, wie selbstverständlich queere Liebe und diverse Geschlechtsidentitäten sind und diese einen gleichwertigen Platz in unserer Gesellschaft haben müssen.“ Am gleichen Tag finden zwei weitere CSD-Demonstrationen statt – in Rosenheim lautet des Motto des zweiten Prides: „Einfach nur Liebe – Gemeinsam gegen Hass und Hetze“. Treffpunkt ist der Mangfallpark Süd um 12 Uhr. Beim CSD Kelheim knapp 180 Kilometer nördlich heißt es dann ab 15 Uhr auf dem Ludwigsplatz: „Niederbayern ist bunt – gemeinsam für Vielfalt.“
Bunte Brücken bauen
Eine Woche später hat man erneut die Qual der Wahl, denn sowohl der CSD Augsburg wie auch der Pride in Bayreuth freuen sich auf viele Besucher. In Augsburg will man „Gemeinsam bunte Brücken bauen“, während man in der Wagner-Metropole zum dritten Mal ab 14 Uhr auf dem La-Spezia-Platz zur Demonstration „Vereint in Vielfalt“ aufruft. Gleich drei Protestaktionen warten dann am 15. Juni auf euch: Der CSD Weiden, der CSD Eichstätt sowie der CSD Coburg – letzterer legt in diesem Jahr mit „United in Diversity“ ein Schwerpunktthema auf Trans, die Eröffnungsrede hält Trans-Politikerin Tessa Ganserer. Ebenfalls drei auf einen Streich gibt es dann am 29. Juni: in Würzburg zeigt man ab 12 Uhr auf dem Unteren Markt unter dem Motto „Liebe ist kein Verbrechen“ Flagge, drei Stunden später geht´s in Memmingen los. In Hof feiern wir dann Premiere: Erstmals startet hier eine CSD-Demonstration, eingebettet sogar in eine ganze Pride-Woche, um dem „queeren Leben Sichtbarkeit zu geben.“ Wir drücken feste die Daumen!