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Comeback der Homo-Heilung

Comeback der Homo-Heilung Immer mehr amerikanische LGBTIQ+-Jugendliche sind betroffen

ms - 22.10.2025 - 14:00 Uhr
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Der Supreme Court in den USA berät aktuell über die Frage, wie künftig mit Konversionstherapien umzugehen ist – sollen die unseriösen Heilungspraktiken für Homosexuelle verboten werden oder bleiben sie im Rahmen der Religionsfreiheit legal? Ein Urteil könnte so oder so weitreichende Folgen für alle LGBTIQ+-Menschen in den Vereinigten Staaten haben. Dazu passend hat die größte queere Jugendorganisation des Landes, das Trevor Project, jetzt neue Daten zum Thema veröffentlicht. 

Konversionstherapien nehmen zu 

Die umgangssprachlichen Homo-Heilungen erleben ein Comeback in den USA: Binnen eines Jahres sind die Fallzahlen rapide angestiegen, wie eine landesweite Umfrage unter rund 1.700 LGBTIQ+-Jugendlichen im Alter zwischen 13 und 24 Jahren jetzt belegt. Jedem fünften jungen queeren Amerikaner (22%) wurde eine Konversionstherapie angedroht – ein Jahr zuvor lag dieser Wert noch bei 11 Prozent. Tatsächlich erlebt haben zuletzt 15 Prozent der jungen Menschen aus der Community ein solches Verfahren, auch hier stieg der Wert binnen eines Jahres um sechs Prozentpunkte an.

Stärkere Isolation von Jugendlichen 

Die Entwicklungen sind insofern gleich doppelt dramatisch, weil im selben Zeitraum das Angebot für fundierte psychologische Betreuung drastisch gesunken ist, allen voran auch durch Streichung der landesweit einzigen Suizid-Hotline für queere Jugendliche in den USA. Das Ergebnis: Die Fallzahlen von Depressionen und Suiziden unter LGBTIQ+-Menschen der Generation Z haben radikal zugelegt: Alle 45 Sekunden versucht sich inzwischen ein queerer US-Jugendlicher das Leben zu nehmen, über 1,8 Millionen Betroffene jedes Jahr. Aktuell haben nur noch knapp 60 Prozent der queeren jungen Menschen überhaupt Zugang zu Hilfsangeboten. 

Alte Ideologie in neuem Gewand 

Eine der einstmals größten Anbieter für „Heilungstherapien von Homosexualität“ war viele Jahre lang die Organisation Exodus. Im Jahr 2013 schloss das Unternehmen endgültig und gab kleinklaut zu, wie wirkungslos ihre Programme waren. Aber die Ideologie der Konversionstherapie starb nicht mit Exodus, sie entwickelte sich weiter. Im Jahr 2023 identifizierte das Trevor Project mehr als 1.300 aktive Praktiker in 48 Bundesstaaten. Viele dieser Gruppen agieren im Verborgenen und vermeiden es sorgfältig, ihre Tätigkeit als Konversionstherapie zu bezeichnen. Stattdessen haben sie derselben alten Ideologie ein modernes Image verpasst.

Oftmals werden die unseriösen Angebote als Seelsorge oder Beziehungsratgeber getarnt. Die Studie des Trevor Projects belegt dabei auch: Überlebende queere Jugendliche von Konversionstherapien haben doppelt so häufig Suizidgedanken wie andere junge LGBTIQ+-Menschen. Die Gründe dafür sind offensichtlich, denn viele Opfer der Homo-Heilungen tragen noch viele Jahre später Gefühle von Scham und Leere mit sich herum, es bleibt vielerorts das Gefühl haften, versagt zu haben – die zumeist religiöse Indoktrination endete nicht mit der letzten Sitzung. 

Unterstützung von queeren Jugendlichen

Die Organisation Voices hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Lebensgeschichten von Betroffenen zu veröffentlichen, um die Methoden und Praktiken hinter den Konversionstherapien aufzudecken. Zusammenarbeit besteht dabei mit dem Verein Church Clarity, der queeren Menschen in den USA hilft, auszusteigen und Hilfe zu bekommen. Gründer Timothy Schraeder Rodriguez verbrachte selbst rund ein Jahrzehnt in einer Konversionstherapie für Homosexuelle und betont heute: „Wir können nicht behaupten, uns um die psychische Gesundheit junger Menschen zu kümmern, während wir gleichzeitig die Bedingungen verteidigen, die sie zerstören. Wir können Selbstverleugnung nicht als Therapie bezeichnen, wenn die Beweise zeigen, dass sie Verzweiflung hervorruft. Und wir können nicht weiterhin so tun, als sei Konversionstherapie eine Frage der Meinungsfreiheit oder der Religionsfreiheit. Die Wahrheit ist einfach: LGBTIQ+-Jugendliche müssen nicht ´geheilt´ werden. Sie müssen bestätigt werden. Sie brauchen Erwachsene und Psychologen, die sie nicht als Probleme betrachten, die es zu lösen gilt, sondern als Leben, die es wert sind, gefeiert und geschützt zu werden.“

 

Hier gibt es Hilfe

Bei psychischen oder anderweiten emotionalen Problemen sowie auch bei Depressionen oder beispielsweise Angststörungen, versuche, mit anderen Menschen darüber zu sprechen. Das können Freunde oder Verwandte sein. Es gibt aber auch eine Vielzahl von Hilfsangeboten, bei denen du dich melden kannst. Die Telefonseelsorge ist anonym, kostenlos und rund um die Uhr erreichbar. Die Telefonnummern sind 0800/111 0 111 und 0800/111 0 222. 

Mit Beratung steht dir auch der Coming Out Day Verein via Messenger, E-Mail und Videochat unter www.coming-out-day.de sowie www.comingoutundso.de zur Seite. Weiterhin gibt es von der Telefonseelsorge das Angebot eines Hilfe-Chats. Außerdem gibt es die Möglichkeit einer E-Mail-Beratung. Die Anmeldung erfolgt – ebenfalls anonym und kostenlos – auf der Webseite. Informationen findest du unter: www.telefonseelsorge.de

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