Zwischen Kunst und Porno Blowjobs, nackte Hintern, männliche Lust – endlich darf Andy Warhols schwule Welt im Museum bestaunt werden
In Berlin wird in der Neuen Nationalgalerie in diesen Tagen Andy Warhol gefeiert – und sehr offenherzig wird dabei auch seine Vorliebe für männliche Geschlechtsteile, nackte Jungs und Blowjobs zelebriert.
Ehrliches Portrait eines schwulen Künstlers
Eigentlich war es längst überfällig, dass man sich einmal der „schwulen Kunst“ dieses „schwulen Superstars der Kunst“ annimmt, denn bis heute verbinden die meisten kunstinteressierten Menschen mit Warhol noch immer eher Campbell-Suppendosen oder kitschig-bunte Marilyn-Porträts.
Seine besonders intimen und mitunter auch sehr eindeutigen Darstellungen von schwulem Sex in Zeichnungen, Fotografien und Filmen werden beinahe scheu bis heute zumeist gar nicht oder nur am Rande erwähnt. Während heute viele kreative Künstler in der Gay-Community immer wieder versuchen, Kunst und Porno miteinander zu verbinden und schwule Pornodarsteller schrittweise zu Ikonen der darstellenden Kunst werden, betrat Warhol Neuland mit dem Wegwischen jener roten Linien.
Angst vor schwulen nackten Tatsachen?
Geblieben ist offensichtlich eine Prüderie, die auch heute noch präsent ist – egal wie liberal und weltoffen sich die Gesellschaft gibt, wie viele Regenbogenfahnen geschwenkt werden und wie viele Menschen die gleichgeschlechtliche Ehe inzwischen willkommen heißen. Geht es um nackte Tatsachen, um schwule Erotik und ja, bitte auch um schwulen Sex, dann finden wir in vielen Fällen die gleiche verschämte Keuschheit vor, die es bereits zu Warhols Schaffenszeit gab.
Und abgesehen von X bildet auch die einst als Befreiung gefeierte Online-Welt hier keine Ausnahme, von Instagram über TikTok bis Facebook mischen sich Prüderie und Denunziationsfreude immer mehr und gipfeln in immer absurderen Profilsperren und Löschaktionen von Bildern heutiger schwuler Künstler.
Blowjobs und nackte Hintern
Umso schöner also, nun in der Nationalgalerie ganz freiherzig einmal die Werke von einem der ganz großen schwulen Kreativköpfe der Geschichte erleben zu dürfen. Hier gibt es Blowjobs, nackte Hintern, viele homoerotische Körperteile und Penisse und immer wieder extrem intime Posen – alles so gar nichts für das keusche Instagram.
Und so ganz nebenbei trotzt die Ausstellung „Andy Warhol. Velvet Rage and Beauty“ damit auch der Mär, der amerikanische Künstler sei nicht sexuell gewesen. Das funktioniert allerdings in einem Berliner Museum in Zeiten einer allseits möglichen emotionalen Verletzungsgefahr natürlich auch nur mit einer Triggerwarnung am Eingang – Warhols Filme gibt es zudem nur in einem Extraraum zu sehen, freigegeben erst ab 16 Jahren.
Ein lebenslanges Versteckspiel
In wesentlichen Teilen spielte Warhol das Versteckspiel um seine Homosexualität zeitlebens allerdings auch selbst mit, einen festen Partner präsentierte er nie der Öffentlichkeit, auch wenn er mehrere längere Affären hatte. „In Interviews gab er gerne zwiespältige Antworten und führte Journalisten in die Irre. Seinen Tagebüchern vertraute er seinen Herzschmerz an“, so Co-Kuratorin Lisa Botti gegenüber N-TV. Er selbst hatte dazu einmal gesagt: „Es ist weitaus besser, nur in der Fantasie zu lieben, statt in der Realität.“
Das lässt einen ein Stück weit traurig zurück – noch trauriger wäre es allerdings, wenn seine zumindest kreativ ausgelebte Homosexualität auch „in the closet“ bliebe – zum Glück macht das Berliner Museum dieser Befürchtung nun einen Strich durch die Rechnung. Hier werden sogar Bananen zu lustvollen Objekten. Oder anders gesagt: So viel Fleischeslust und Sex gab es noch nie in der Neuen Nationalgalerie.
„Die Bilder, die wir zeigen, füllen Leerstellen und zeichnen ein komplexeres Bild von Warhol. Warum diese Arbeiten bisher nicht gezeigt wurden – das versuchen wir anhand der Biografie und einer Zeitleiste zu beleuchten“, so Botti, die betont, wie wichtig die Ausstellung auch deswegen ist, weil Homosexualität bis heute in rund einem Drittel aller Länder weltweit noch immer kriminalisiert wird. In Deutschland bedurfte es 38 Jahre nach Warhols Tod, bevor seine homoerotischen Werke nun der Öffentlichkeit präsentiert werden. Das allein sagt viel aus – auch über die heutige Stellung der Homosexualität in der Bundesrepublik.
"Andy Warhol. Velvet Rage and Beauty",
Neue Nationalgalerie Berlin, bis zum 6. Oktober