Lederqueen Rupert Everett Das wilde Leben des britischen Schauspielers in den 1970er Jahren - und die Angst vor Aids in den 1980er
Schauspieler, Autor und Regisseur Rupert Everett (65) hat jetzt aus dem Nähkästchen geplaudert und über seine wilden Tage in der Londoner Schwulenszene erzählt. „Ich liebte es, eine Lederqueen zu sein“, so der heute 65-Jährige im Podcast „Mad, Sad and Bad“ der britischen Sängerin Paloma Faith.
Ein schwuler Mann in Hollywood
Everett sorgte erst im letzten Jahr für Schlagzeilen, weil er heimlich seinen langjährigen Partner Henrique geheiratet hatte und das, obwohl er viele Jahre lang eigentlich im Generellen ein Gegner der Ehe war. Der schwule Schauspieler hat immer wieder auch die Homophobie in der Filmbranche kritisiert und spielte dennoch in rund sechzig Kinofilmen mit. Zu seinen bekanntesten Rollen gehören jene in „Die Hochzeit meines besten Freundes“ sowie „Ein Freund zum Verlieben“. Im Jahr 2018 machte er zudem Schlagzeilen mit seinem Regiedebüt „The Happy Prince“, eine Geschichte über die letzten Lebensjahre von Schriftsteller Oscar Wilde. Aktuell hat Everett zwölf neue Filme in Planung.
Rau, turbulent und sexuell
Dass er selbst in jungen Jahren sozusagen ein „Happy Prince“ in der britischen Schwulen-Community der 1970er und 1980er Jahre war, bekräftigte er nun im Podcast – zu jener Zeit feierte Everett am Theater in London erste große Erfolge und wohnte auch in der Nähe von Earls Court im Westen der Hauptstadt, damals ein beliebter Schwulen-Hotspot. „Ich bin konservativer geworden, je älter ich geworden bin. Ich blicke zurück auf die Zeit, zum Beispiel auf London, als ich in den 1970er Jahren zum ersten Mal dorthin kam, als es sehr rau und turbulent zuging und die Sexualität erst… Homosexuell zu sein war zum Beispiel in den 1970er Jahren eine ziemlich magische Sache, wenn man bedenkt, dass es gerade erst legalisiert worden war.“ Gleichgeschlechtliche sexuelle Aktivitäten zwischen Männern wurden 1967 in England entkriminalisiert.
Wenn der Klempner den Herzog prügelt
„Wenn man an einen der Orte ging, an denen ich mich aufhielt, liebte ich es, eine Lederqueen zu sein, schon von klein auf. In Earls Court gab es eine Bar namens The Coleherne, dort war alles alterslos, klassenlos und schrankenlos, seltsamerweise. Weil die Schwulenszene so klein war, gab es nur wenige Orte, wo man hingehen konnte. So konnte man dort einen Herzog finden, der mit einem Klempner plauderte, der dann loszog und ihn verprügelte – einvernehmlich natürlich! Und man hat immer die Tage gezählt, dort wieder hingehen zu können, und dann wagte man es anfangs doch nicht, hineinzugehen, denn man hatte immer noch Angst, gesehen zu werden, gerade wenn man noch jung war. Das vermisse ich in gewisser Weise. Ich vermisse die Exzentrik der Nachkriegs-Mentalität und die taffe Art und Weise, in der jeder leben musste, bevor es in jedem einzelnen Zimmer eine Heizung gab.“
Alpträume über Aids
Allerdings war die Zeit für Everett nicht nur ein großes Abenteuer, der Spaß endete, als die Aids-Pandemie aufkam. Jahrelang lebte man laut dem Briten in ständiger Angst, ein Schatten lag über dem Leben aller Schwuler – und erste HIV-Tests gab es erst Mitte der 1980er Jahre. „Am Anfang von Aids wusste man nicht wirklich, ob man es hatte. Man konnte es nicht sagen. Jeder hatte das Gefühl, er sei wie eine Zeichentrickfigur, kurz bevor sie wie den Zeichentrickfilmen über den Rand einer Klippe gestoßen wird. Und dann, wie ich, überdies noch vor der Kamera zu stehen, war eine besonders merkwürdige Sache. Ich wachte nachts auf, nachdem ich geträumt hatte, dass Leute zu mir sagten: ´Was hast du da im Gesicht, Rupert?´.“ Ein einziges Kaposi-Sarkom hätte seine Karriere damals beenden können.
In jenen Jahren war Everett ständig angespannt und mitunter auch deswegen fies und zickig gegenüber Schauspielkollegen, wie er heute gesteht. „Ich bin und war damals noch mehr eine sehr unsichere Person gewesen. Und ich glaube, ich war damals ziemlich manipulativ und hatte eine scharfe Zunge. Ich habe es genossen, eine ´gemeine Königin ´zu sein, ich liebte es, über andere Leute auf böse Art und Weise zu tratschen. Heute ist mir klar, wie zersetzend solche Negativität sein kann.“