Neue Wege bei der Sexarbeit? LGBTI*-Verbände und Menschenrechtsorganisationen sprechen sich gegen das „Nordische Modell“ aus, das insbesondere LGBTI*-Sexarbeiter gefährde.
Mit einer Mehrheit stimmte der Ausschuss des EU-Parlaments für Frauenrechte und Geschlechtergerechtigkeit (FEMM) jetzt für den Berichtsentwurf „Regulierung der Prostitution in der EU“. Ein fatales und falsches Signal, wie zahlreiche nationale wie internationale Verbände jetzt erklärten, darunter auch die Deutsche Aidshilfe (DAH): „Der ´Prostitutions-Report´ vermengt Menschenhandel und Sexarbeit und sieht Sexarbeit per se als Gewalt gegen Frauen, ohne die Erfahrungen von Sexarbeitern zu berücksichtigen, die zwischen Sexarbeit und Gewalt in der Sexarbeit unterscheiden.“
Sexarbeitern droht mehr Gewalt
Für die Aidshilfe oder auch Organisationen wie La Strada International sowie auch für den Lesben- und Schwulenverband Deutschland ist klar, dass die Aufforderung zum sogenannten „Nordischen Modell“ die Lebenssituation von Sexarbeitern in Europa dramatisch verschlechtern würde, gerade auch von bereits marginalisierten Gruppen wie LGBTI*-Menschen.
Das „Nordische Modell“ sieht dabei vor, Kunden zu kriminalisieren, nicht aber die Sexarbeiter selbst. Aktuelle Studien belegten dabei eindeutig, dass dieses Verfahren die Sexarbeiter nicht schütze, sondern Gewalt und Prekarisierung weiter fördere, so die DAH: „Wir sagen: Sexarbeitende brauchen nicht weniger Kunden, sondern mehr Rechte, um ihre Lebensbedingungen zu verbessern!“
Das Nordische Modell für ganz Europa?
Mit 16 zu 10 Stimmen sowie drei Enthaltungen votierte die Mehrheit des FEMM-Ausschusses trotzdem für den Bericht und die Forderungen nach dem „Nordischen Modell“. La Strada International erklärt dazu: „Der angenommene Berichtsentwurf – der aufgrund der Abstimmungsergebnisse noch geändert werden kann – enthält mehrere Absätze, die für Sexarbeiter schädlich sind, und scheint ein klarer Versuch zu sein, das ´nordische Modell´ als Regulierung von Sexarbeit in anderen Teilen der EU zu fördern. In dem Bericht wird nicht nur Sexarbeit mit Menschenhandel in einen Topf geworfen, sondern erstaunlicherweise auch die Definition von Menschenhandel absichtlich falsch ausgelegt (…) Außerdem basiert der Bericht auf falschen Annahmen, die nicht durch Beweise gestützt werden.“
Dabei verweist die Organisation auch auf die falsche Auffassung, dass in Ländern, in denen der Kauf von Sex unter Strafe steht (Schweden, Irland, Frankreich), es keine großen Märkte für sexuelle Ausbeutung mehr gäbe – das Gegenteil sei aber in der Realität der Fall.
Entscheidung im September
Der Bericht soll im September dieses Jahres zur Abstimmung ins Plenum kommen. La Strada International, die Deutsche Aidshilfe sowie weitere Verbände wie beispielsweise auch Human Rights Watch oder Amnesty International wollen sich weiterhin dafür einsetzen, dass der Entwurf grundsätzlich überarbeitet wird.