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Der zahnlose Tiger?
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Der zahnlose Tiger? Kann Biden der LGBTI*-Community in den USA wirklich helfen?

ms - 09.06.2023 - 14:00 Uhr

Immer mehr scheint sich US-Präsident Joe Biden zum zahnlosen Tiger zu entwickeln, wenigstens wenn es um LGBTI*-Rechte in den USA geht. Die meisten seiner bisherigen rechtlichen Verbesserungen für LGBTI*-Menschen lassen sich durch regionale Gesetzgebungen auf Bundesstaaten-Ebene anderweitig wieder aushebeln oder drohen direkt durch den Supreme Court vielleicht sogar noch in diesem Jahr einkassiert zu werden.

Bidens bisher größter Erfolg für Homosexuelle war das Bundesgesetz zum Schutz der gleichgeschlechtlichen Ehe – wohlgemerkt keine Garantie, dass auch künftig für Schwule und Lesben in allen fünfzig US-Bundesstaaten das Standesamt offensteht, sondern nur eine Absicherung bestehender Ehen. Ein wichtiger Schritt, fürwahr, aber bisher der einzige. Dabei ist die Lage ernster denn je, die Human Rights Campaign hat erst in dieser Woche den Notstand für die LGBTI*-Community ausgerufen.

Ein Präsident im Kampf für mehr LGBTI*-Rechte

Das ist nicht Joe Bidens persönliche Schuld, denn kein US-Präsident vor ihm hat jemals versucht, sich so sehr für die LGBTI*-Community einzusetzen wie er, doch stoppen zum einen die Mehrheitsverhältnisse in den beiden Kammern des US-Kongresses immer wieder angedachte Vorhaben, und zum anderen wird die Regierung und die Demokraten in den einzelnen Bundesstaaten von einer regelrechten Flut von Anti-LGBTI*-Gesetzesvorhaben nahezu erschlagen, rund 600 sind es allein bis jetzt in diesem Jahr.

Biden selbst betitelt die gesetzlichen Angriffe als „grausam und gefühllos“, sie würden die „grundlegenden Werte und Freiheiten“ der Amerikaner verletzen. Deswegen kündigte Biden nun auch eine neue Initiative an, mit der die Rechte von LGBTI*-Menschen besser geschützt und ihre Sicherheit stärker gewährleistet sein sollen.

Mehr Vernetzung mit den Bundesbehörden

Wie das gelingen soll? Biden will eine bessere Vernetzung der zuständigen Behörden, beispielsweise zwischen der Abteilung für Bürgerrechte des Justizministeriums mit LGBTI*-Verbänden. Zudem sollen landesweite Kampagnen die psychische Gesundheit von LGBTI*-Jugendlichen stärken, die Obdachlosigkeit unter homosexuellen Jugendlichen verringert werden und Eltern von LGBTI*-Kindern verstärkt Unterstützung erfahren.

Im Bildungsministerium soll eine neue Stelle geschaffen werden, die sich mit den Verboten von LGBTI*-Büchern landesweit auseinandersetzt. In puncto Hasskriminalität sollen sich Behörden wie unter anderem das Department of Homeland Security (DHS) oder auch das FBI mit LGBTI*-Organisationen besser vernetzen, um mehr „Sicherheitsressourcen“ bereitzustellen und das Vertrauen in die Strafverfolgungsbehörden zu stärken.

Kommt die Hilfe wirklich bei LGBTI*-Menschen an?

Auch in der digitalen Welt will Biden die Sicherheit für LGBTI*-Menschen erhöhen, dazu sollen LGBTI*-Organisationen in Cybersicherheit und Infrastruktursicherheit geschult werden. Mehr Schutz will der US-Präsident auch für Klinken und Ärzte bereitstellen, die LGBTI*-Patienten betreuen und deswegen bedroht werden.

Vieles davon klingt gut, aber auch wenig konkret. Natürlich sind all diese Maßnahmen richtig und wichtig, nur steht immer öfter die Frage im Raum, ob die angedachten Aktionen am Ende überhaupt die betroffenen Schwulen, Lesben und queeren Menschen erreichen. Zudem werden die einzelnen Behörden bestenfalls Monate oder sogar Jahre brauchen, bis ein stabiles Netzwerk entstehen kann – bis dahin sind die neuen Präsidentschaftswahlen 2024. Sollte Biden nicht erneut im Amt bestätigt werden, wären all diese Maßnahmen mit einem Fingerschnippen wieder hinfällig, noch bevor die wirkliche Arbeit überhaupt beginnen konnte.  

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