Selbstbestimmungsgesetz Länder und Verbände können Stellungnahmen bis Ende Mai abgeben
Der bereits vorab umstrittene Gesetzentwurf zum geplanten Selbstbestimmungsgesetz wurde heute Mittag offiziell vom Bundesfamilienministerium veröffentlicht und an die Länder und Verbände verschickt – diese haben nun bis Ende des Monats Zeit, Stellung zu beziehen. Ziel ist es, das bisherige Transsexuellengesetz zu ersetzen. Kritik kam dabei bereits zuletzt im Vorfeld sowohl von Befürwortern wie Gegnern des Gesetzesvorhabens.
Geschlechtswechsel ohne Gutachten
Die Eckpunkte: Transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und nicht-binäre Menschen sollen künftig die Möglichkeit haben, ihren Geschlechtseintrag im Personenstandsregister und ihre Vornamen durch eine Erklärung beim Standesamt ändern zu lassen. Die Vorlage eines ärztlichen Attests oder die Einholung von psychologischen oder medizinischen Gutachten sollen nicht länger erforderlich sein. Die Änderung des Geschlechtseintrags oder der Vornamen soll drei Monate nach der Erklärung gegenüber dem Standesamt wirksam werden. Für eine erneute Änderung soll es eine Sperrfrist von einem Jahr geben. Im Kriegsfall allerdings ist ein kurzfristiger Geschlechtswechsel von männlich zu weiblich nicht möglich, wenn dies in einem „unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang“ steht.
Kinder und Jugendliche
Für Kinder unter 14 Jahren können die Eltern den Geschlechtswechsel beantragen. Ab dem 14. Lebensjahr können Jugendliche eigenständig die Änderungserklärung abgeben, allerdings mit Zustimmung der Eltern oder des Familiengerichts. Personen, die ihren Geschlechtseintrag geändert haben, soll die Eintragung „Elternteil“ in der Geburtsurkunde ihrer Kinder ermöglicht werden.
Bußgelder von 10.000 Euro
Zudem soll es ein Offenbarungsverbot geben. Künftig soll es verboten sein, frühere Geschlechtseinträge oder Vornamen auszuforschen und zu offenbaren. Wird eine betroffene Person durch die Offenbarung absichtlich geschädigt, so soll der Verstoß mit einem Bußgeld von bis zu 10.000 Euro bestraft werden können. Ein generelles Verbot des sogenannten „Misgenderns“ oder „Deadnamings“ ist im Entwurf für das Selbstbestimmungsgesetz allerdings nicht geregelt.
Schutzräume für Frauen
Einer der strittigsten Punkte bleibt der Umgang mit Schutzräumen für Frauen – das Bundesfamilienministerium erklärt dazu: „Das Selbstbestimmungsgesetz lässt das private Hausrecht unberührt, wie der Gesetzestext klarstellt, ebenso das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Hinsichtlich des Zugangs zu geschützten Räumen wird sich durch das Selbstbestimmungsgesetz also nichts ändern. Was heute im Rechtsverkehr zulässig ist, das ist auch künftig zulässig, was heute verboten ist, bleibt verboten. Auch die Autonomie des Sports soll durch das Gesetz nicht angetastet werden.“
Offene Fragen sorgen für Kritik
Dieser Passus sorgt nach wie vor für offene Fragen und könnte auch zu juristischen Problemen führen – wie verfällt es sich beispielsweise bei einer Trans-Frau, der der Zugang zu einer Frauensauna verwehrt wird? Greift das AGG oder doch das Hausrecht? Je nach Sichtweise fallen die Antworten hier sehr unterschiedlich aus, weswegen bereits mehrere Juristen im Vorfeld erklärten, dass das Selbstbestimmungsgesetz am Ende sogar vor dem Bundesverfassungsgericht landen könnte. Kritik kommt auch seitens der Union, ihr geht der Gesetzentwurf in seinem „extremen und pauschalen Ansatz" zu weit. Queere Aktivisten hingegen bemängeln, dass gerade bei der Frage nach Schutzräumen abermals für mehr Verwirrung als Klarheit gesorgt werden würde.
Paus und Buschmann zufrieden
Bundesfamilienministerin Lisa Paus indes erklärt dazu: „Wir sind mit dem Selbstbestimmungsgesetz erneut einen großen Schritt vorangekommen – und damit auch beim Schutz vor Diskriminierung und den Rechten trans- und intergeschlechtlicher und nichtbinärer Menschen. Mit dem Selbstbestimmungsgesetz führen wir eine einfache und einheitliche Regelung für die Änderung des Geschlechtseintrages ein. So geben wir den Betroffenen einen Teil ihrer Würde zurück, die ihnen von Staats wegen jahrzehntelang vorenthalten wurde.“
Und Bundesjustizminister Marco Buschmann ergänzt: „Das Selbstbestimmungsgesetz ist ein langgehegter Wunsch vieler - und ein Vorhaben ganz im Geist unserer Verfassung. Denn das Freiheitsversprechen des Grundgesetzes umfasst auch die geschlechtliche Selbstbestimmung (…) Die überfällige Besserstellung von Personen, deren Geschlechtsidentität vom Geschlechtseintrag abweicht, geht nicht zu Lasten anderer Menschen. Der Entwurf wahrt Hausrecht und Privatautonomie - und lässt Raum für sachgerechte Differenzierungen. Ich bin überzeugt: Wir haben damit eine Lösung gefunden, die eine Chance hat auf breite gesellschaftliche Zustimmung. Transgeschlechtliche Menschen sind schon viel zu lange betroffen von Diskriminierung und würdeloser Behandlung - diesen Zustand werden wir endlich hinter uns lassen.“
Lehmann übt Kritik
Der Queer-Beauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann, begrüßt das neue Selbstbestimmungsgesetz grundsätzlich, übt aber auch Kritik an einzelnen Aspekten des Gesetzesvorhabens: „An einigen Stellen muss der Entwurf verbessert werden. Eine Wartezeit von 3 Monaten ist zu lang und sollte verkürzt werden. Wie das TSG sieht der Entwurf auch noch zu viele Ausnahmen im Offenbarungsverbot vor, etwa für ehemalige Partner*innen. Zudem ist der Verweis auf die Gültigkeit des Hausrechts im Gesetz unnötig, zumal in der Begründung ausgeführt wird, dass sich an den Regeln zum Hausrecht und seiner Begrenzung etwa durch den Diskriminierungsschutz aufgrund des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) nichts ändert. Der Verweis auf das Hausrecht im Gesetz löst bei den Betroffenen massive Ängste vor neuen Ausschlüssen aus, gerade angesichts transfeindlicher Entwicklungen überall auf der Welt. Wenn Teile des Gesetzentwurfs Angst bei denen auslöst, die er schützen soll, dann müssen sie verändert werden.“