Direkt zum Inhalt
Neue Regeln bei der Blutspende
Rubrik

Neue Regeln bei der Blutspende Werden schwule Männer durch das neue Gesetz wirklich nicht mehr diskriminiert?

ms - 17.03.2023 - 09:17 Uhr

Das erste Gesetzesvorhaben in dieser Woche zur Verbesserung der Lebensrealität von schwulen Männern wurde wie berichtet umgesetzt – die Ampel-Koalition beschloss, die bisherigen Richtlinien für homosexuelle Männer bei der Blutspende zu ändern. Künftig soll nur noch das persönliche Risikoverhalten von Belang sein, eine pauschale Einteilung von schwulen Männern als besondere Risikogruppe entfällt. Ebenso die bisherigen Regeln, wonach schwule und bisexuelle Männer vier Monate sexuell abstinent gelebt oder höchstens einen festen Partner gehabt haben dürfen, bevor eine Blutspende möglich ist.

Skepsis bei der Deutschen Aidshilfe

Nach dem Beschluss in dieser Woche meldeten sich mehrere LGBTI*-Verbände und begrüßten ausdrücklich die zeitnahe Umsetzung. Der Lesben- und Schwulenverband Deutschland erklärte, dass endlich ein „zentraler Schritt zur Beendigung der Diskriminierung“ getan worden sei. Auch die Deutsche Aidshilfe freut sich grundsätzlich über das neue Gesetz, blickt allerdings noch mit Skepsis auf die Umsetzung der Bundesärztekammer – diese hatte sich bis zuletzt geweigert, neue Richtlinien umzusetzen. Jetzt wäre sie in der Pflicht, kommt sie dem binnen von vier Monaten nicht nach, sollen nach dem Willen von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach das Robert Koch-institut sowie das Paul-Ehrlich-Institut die Arbeit übernehmen.

Die Deutsche Aidshilfe dazu: „Es liegt nun in der Verantwortung der Bundesärztekammer eine konkrete neue Regelung zu erarbeiten, die Risiken wirkungsvoll ausschließt, ohne zu diskriminieren. Ob die neue Regelung die schwierige Fragestellung zufriedenstellend lösen wird, lässt sich allein auf Grundlage des Gesetzestextes nicht sagen. Alles hängt davon ab, wie die Praxis von Rückstellungen in Zukunft in der Hämotherapie-Richtlinie geregelt wird. Eine Einschätzung, wie sich eine noch zu findende neue Regelung auf die Sicherheit von Blutprodukten auswirken wird, ist noch nicht möglich. Entscheidend wird sein, ob alle Möglichkeiten zur Reduzierung von Risiken ausgeschöpft werden, die keinen unnötigen Ausschluss bedeuten. Kurz: Ob die neue Regelung Diskriminierung wirklich verhindert und die Sicherheit von Blutprodukten gewährleistet, lässt sich anhand dieser gesetzlichen Vorgabe noch nicht beurteilen.“

Freude seitens der Politik

Freudig hingegen blicken Mitglieder der Ampel-Koalition auf das neue Gesetz. Der Queer-Beauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann, sprach von einer „überfälligen Klarstellung“ und sagt zudem: "Es ist ein starkes Signal des Bundestags, die bestehende Diskriminierung bei der Blutspende gesetzlich zu untersagen." Lehmanns Kollegin Tessa Ganserer von den Grünen erklärte: „Diese diskriminierende und stigmatisierende Regelung hätte schon längst der Vergangenheit angehören müssen. An diesem Relikt aus vergangenen Zeiten sehen wir, wie tiefgreifend Diskriminierungen gegenüber allen queeren Menschen in unsere Systeme und Rechtsprechungen eingeschrieben sind und wie mühselig es ist, diese zu beseitigen.“

Und der queer-politische Sprecher der FDP stellte fest: „Fast ein Jahrzehnt habe ich mit vielen Unterstützern dafür gekämpft, dass ausschließlich das individuelle Risikoverhalten und nicht die sexuelle oder geschlechtliche Identität über die Zulassung zur Blutspende entscheidet. Ich freue mich darauf, dass ich als schwuler Mann nun bald Blut spenden darf!“

Auch Interessant

Haftstrafe für Neonazi

Attentatspläne auf Community

2022 wurde ein schottischer Extremist gefasst, nun endlich folgte die Verurteilung. Der Neonazi wollte LGBTI*-Menschen "mit Blut bezahlen" lassen.
Schutz für LGBTI*-Jugendliche

Paris Hilton feiert neue US-Gesetz

Jahrelang hat sich Paris Hilton für einen besseren Schutz von Jugendlichen in Heimen eingesetzt, jetzt wurde das Gesetz im US-Kongress verabschiedet.
Schwulenhass in Michigan

Attentat auf Homosexuelle geplant

In einer Massenschießerei wollte ein 22-Jähriger Amerikaner so viele Homosexuelle wie möglich töten, durch Zufall konnte er vorab verhaftet werden.
Krisenmodus Weihnachten

US-Verbände warnen vor Problemen

US-Gesundheitsexperten warnen vor einer Krise: Ablehnung im Kreis der Familie erleben LGBTI*-Menschen besonders stark zur Weihnachtzeit.
Appell an Joe Biden

Queere Verbände gegen Militärgesetz

Queere Verbände kritisieren scharf das neue Bundesgesetz des US-Militärs: Werden Militärangehörige und ihre Regenbogenfamilien künftig diskriminiert?
Kritik an der Drogenpolitik

Zu wenig Zusammenarbeit landesweit

Es gibt erste positive Schritte, doch insgesamt zu wenig Zusammenarbeit bei der Drogenpolitik. Ein rapider Anstieg von Überdosierungen ist denkbar.
Gewalt in Berlin

Attacken auf LGBTI*-Menschen

Die Gewalt in Berlin gegen LGBTI* nimmt weiter zu: Über 90% der mutmaßlichen Täter sind junge Männer, die Opfer sind zumeist Schwule und Bisexuelle.
Niederlage vor Gericht

Anti-Homosexuellen-Gesetz in Ghana

Der Oberste Gerichtshof in Ghana schmetterte Klagen gegen das geplante Anti-Homosexuellen-Gesetz erneut ab - wann tritt das Verbot jetzt in Kraft?