Schottische Selbstbestimmung Britische Regierung will Gesetz möglicherweise stoppen
Das schottische Parlament hat gestern Abend mit 86 zu 39 Stimmen das neue Selbstbestimmungsgesetz beschlossen – entgegen dem mehrheitlichen Wunsch der Bevölkerung, die das neue Gesetz mit rund 60 Prozent ablehnt. Befürworter hingegen feiern das neue Gesetz als “bedeutenden und historischen Schritt“ für die Gleichberechtigung von Trans-Menschen in Schottland. Die britische Regierung hat in einem ersten Statement bereits angedeutet, das Gesetzvorhaben in dieser Form stoppen zu wollen.
Umstritten
Selten war ein Gesetzesvorhaben in Schottland so umstritten, insgesamt waren im Vorfeld über 150 Änderungsanträge eingereicht worden. Immer wieder kam es auch zu Demonstrationen seitens von diversen Frauenschutzorganisationen. Zuletzt hatte eine Abgeordnete diese Woche noch versucht, einen Passus ins neue Gesetz einarbeiten zu lassen, der es Sexualstraftätern verbieten sollte, von dem Gesetz Gebrauch machen zu dürfen – die schottische Regierung lehnte dies ab. Auch viele nationale sowie internationale Medien hatten immer wieder Regierungschefin Nicola Sturgeon scharf kritisiert, sie würde das Gesetz durchpeitschen wollen und dabei keinerlei, aus Sicht der Medien auch berechtigte Kritik zulassen. Mehrere Regierungsabgeordnete hatten ebenso dagegen protestiert, die Ministerin für Gemeinschaftssicherheit Ash Regan trat aufgrund dessen von ihrem Amt zurück.
Details zur Selbstbestimmung
Das neue Gesetz sieht vor, dass es für einen Geschlechtswechsel keiner medizinischen oder therapeutischen Diagnose der Geschlechtsdysphorie mehr bedarf. Zudem müssen Trans-Menschen nicht mehr wie bisher zwei Jahre vor dem Antrag im gewünschten Geschlecht gelebt haben, es reichen drei Monate beziehungsweise sechs Monate bei Minderjährigen. Das Mindestalter für eine Geschlechtsanpassung in allen Dokumenten wird auf 16 Jahre gesenkt.
Lob und Tadel
Shona Robison, Kabinettsministerin für soziale Gerechtigkeit, Wohnungsbau und Kommunalverwaltung, erklärte nach der erfolgreichen Abstimmung: "Die Rechte von Transsexuellen stehen nicht in Konkurrenz zu den Rechten von Frauen, und wie so oft können wir die Dinge für alle verbessern, wenn die Diskriminierten als Verbündete und nicht als Gegner auftreten.“ Kritik kam von Seiten der Opposition wie beispielsweise der schottischen Konservativen Rachael Hamilton, die erklärte, das Gesetz zeige "das Parlament von seiner schlechtesten Seite." Kurz nach der Abstimmung im schottischen Parlament, dem sogenannten Holyrood, waren mehrere Frauen von der Besuchertribüne aufgestanden und hatten “Schämt euch!“ in den Saal geschrien.
Was sagt Großbritannien?
Mit Spannung blicken sowohl Gegner wie Befürworter jetzt nach London. Das Gesetzesvorhaben bedarf der schriftlichen Zustimmung seitens König Charles III. Die britische Gleichstellungsministerin Kemi Badenoch erklärte, dass das Vorhaben für Chaos sorgen würde, da es dann unterschiedliche Regelungen im Vereinigten Königreich geben würde. Badenoch bestand im Vorfeld bereits darauf, dass es mehr wissenschaftliche Fakten geben müsse, bevor ein solches Gesetz mit dieser Tragweite umgesetzt werden würde. Zudem sprach sie sich dafür aus, das Mindestalter hochzusetzen. Ihre Vorgängerin und kurzzeitige spätere Premierministerin Liz Truss hatte die Reform des bisherigen, sogenannten Gender Recognition Acts ganz gestoppt. Nur Stunden nach der Verabschiedung des neuen Gesetzesvorhabens in Schottland kündigte so die britische Regierung nun auch an, das Vorhaben höchstwahrscheinlich zu blockieren, bevor es in Kraft tritt.
Sicherheitsbedenken für Frauen und Mädchen
Im Vereinigten Königreich hat die britische Regierung die Möglichkeit, zu verhindern, dass ein Gesetz aus Schottland an den König übergeben wird – ohne Unterschrift seitens Charles III. ist das Gesetz nicht rechtskräftig. Alister Jack, der zuständige Minister für Schottland in der britischen Regierung, erklärte noch am selben Abend: "Wir teilen die Besorgnis vieler Menschen hinsichtlich bestimmter Aspekte dieses Gesetzentwurfs und im Besonderen den Sicherheitsbedenken für Frauen und Mädchen." Wie in anderen Ländern ebenso hatten auch in Schottland mehrere nationale Frauenverbände erklärt, sie befürchten durch das neue Gesetz den Wegfall von wichtigen Schutzräumen für Frauen und minderjährige Mädchen.