Schämt Euch! Kit Connor, Heartstopper und die LGBTI*-Community
Kommentar
Die Schlagzeile in diesen Tagen ist einmal mehr ein “spannendes“ Coming-Out, dieses Mal davon betroffen ist der 18-jährige britische Schauspieler Kit Connor. Seitdem der junge Mann im April dieses Jahres in der ersten Staffel der äußerst erfolgreichen Netflix-Serie “Heartstopper“ nach der millionenfach verkauften Graphic Novel von Alice Oseman einen bisexuellen Rugby-Sportler spielte, der sich in einen nerdigen schwulen Mitschüler verliebt, steht die Internet-Community einmal mehr Kopf.
Selbstbestimmung? Bitte nicht...
Die Frage, die sich dabei einmal mehr stellt, ist jene nach der Verhältnismäßigkeit. Während die queeren Fans einerseits darauf drängen zu erfahren, wie es um die private Sexualität des jungen Darstellers steht, hämmern sie auf der anderen Seite unbeirrt Statements in ihre Tweets, die von Vielfalt, Freiheit und Selbstbestimmung reden. Während im Moment die zweite Staffel der Serie gedreht wird, wurde der Druck auf Connor offensichtlich von Tag zu Tag größer, jedes Foto mit einer vermeintlichen Freundin wurde tausendfach kommentiert, immer wieder wurde ihm auch vorgeworfen, er verstecke seine Sexualität oder würde nur so tun, als wäre er bisexuell, um Quote zu machen (Queerbaiting). Dahinter stand stets der Wunsch, das Bild vom schwulen Traumpaar in der fiktiven Serie sich auch in der Realität erträumen zu dürfen, noch dazu, wo sein Spielpartner Joe Locke sich bereits als homosexuell geoutet hatte. Nun also ist der Traum perfekt, wie in der Serie blicken wir auf einen schwulen und einen bisexuellen jungen Mann.
Das Zwangsouting und seine Folgen
Bleibt die Frage offen, was die digital gefräßige Community-Meute damit langfristig angerichtet hat. Connor selbst schrieb auf Twitter sichtlich getroffen: „Herzlichen Glückwunsch, dass ihr einen 18-Jährigen dazu gezwungen habt, sich selbst zu outen. Ich glaube, manche von euch haben den Sinn der Serie nicht verstanden. Bye.“ Sowohl in der Serie wie auch in der mehrteiligen Graphic Novel ist ein wesentlicher Aspekt die Aussage, dass niemand zu seinem Outing gezwungen werden sollte und man jungen queeren Menschen den Raum geben sollte, selbstbestimmt zu einem Zeitpunkt ihrer Wahl damit umgehen zu können.
Autorin Oseman zeigte sich so auch dementsprechend erschüttert: "Ich verstehe wirklich nicht, wie Leute Heartstopper schauen und dann fröhlich ihre Zeit damit verbringen können, über Sexualitäten zu spekulieren und basierend auf Stereotypen zu urteilen." Inzwischen haben zahlreiche weitere Kollegen, Darsteller und LGBTI*-Vereine ihre Unterstützung bekundet. Connor, der bisher vor allem durch seine Nebenrolle als junger Elton John in “Rocketman“ aufgefallen war, hatte noch im Mai verbittert ebenso auf Twitter geschrieben: "Twitter ist so lustig, Mann. Anscheinend kennen einige Leute hier meine Sexualität besser als ich..." Es bleibt zu hoffen, dass der junge Brite durch den kometenhaften Erfolg, die immer noch andauernde Jagd auf jedes Detail zu seinem Privatleben und das Zwangsouting keine langfristigen Schäden davontragen wird. Eine Mitschuld an der aktuellen Situation trägt die LGBTI*-Community in ihrer Gier nach Authentizität allemal. Frei nach dem Motto: Du darfst dich outen, wann du willst, aber mach es jetzt!