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Kritik an “Woke-Bewegung“

Kritik an “Woke-Bewegung“ Der tragische Tod von Malte C. soll politisch instrumentalisiert worden sein

ms - 06.09.2022 - 11:30 Uhr
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Die Diskussionen rund um den tragischen Tod des trans-Mannes Malte C. gehen auch heute nach wie vor unbeirrt weiter – vor allem digital verhärten sich die Fronten dabei immer mehr. Obwohl inzwischen klar ist, dass es sich bei dem mutmaßlichen Täter Nuradi A. um einen 20-jährigen, vorbestraften Tschetschenen und Muslimen handelt, wird immer noch und mit steigenden Fallzahlen gegen Feministinnen und Menschen verbal gehetzt, die Kritik am geplanten neuen Selbstbestimmungsgesetz äußern. Jedwede dieser Kritik sei transphob und schaffe so ein transphobes Umfeld, das den mutmaßlichen Täter dazu ermutigt habe, auf Malte einzuschlagen.

Mehrfach wurden dabei auch gezielt einzelne Personen genannt, die Mitschuld an der grausamen Tat tragen sollen, beispielsweise die Biologiedoktorandin Marie-Luise Vollbrecht aus Berlin, die sich seit ihrem zunächst gecancelten Vortrag zur biologischen Zweigeschlechtlichkeit bis heute massiven Angriffen von trans-Aktivisten ausgesetzt sieht. Oder auch EMMA-Herausgeberin und Journalistin Alice Schwarzer. Vollbrecht lässt sich inzwischen anwaltlich vertreten und auch Schwarzer hat angekündigt, sich gegebenenfalls juristisch gegen die Verleumdungskampagnen wehren zu wollen.

Auf der anderen Seite wird allerdings ebenso Kritik laut, wie politisch einseitig gerade auch Vertreter von Parteien und queeren Organisationen mit den neuen Details zum mutmaßlichen Täter umgehen. Nachdem zuvor tagelang von Transphobie gesprochen worden war, ist es inzwischen sehr still geworden. Zeitungen wie die NZZ oder auch die BILD-Zeitung kritisieren das Verhalten als “feiges Schweigen“. Der stellvertretende Chefredakteur der BILD, Timo Lokoschat, erklärt so in einem Kommentar, dass inzwischen jeder aus Sicht von trans-Aktivisten eine TERF, also eine radikal-feministisch-transfeindliche Person sein könne, der „nur einen Millimeter von vorgegebenen Sprachregeln und Denkmustern abweicht.“ Zu den Vorwürfen, Nuradi A. habe sich durch Trans-Hetze in Deutschland zu seiner Tat motivieren lassen, bemerkt Lokoschat: „Nuradi A., 20 Jahre alt, Tschetschene, Muslim, Kampfsportler. Das ist der Täter. Klingt nicht nach dem klassischen EMMA-Abonnenten. Ob er jemals von Marie-Luise-Vollbrecht gehört hat? Von der Sorge um weibliche Schutzräume? Unwahrscheinlich.“

Dabei kritisiert der stellvertretende Chefredakteur zudem, dass jetzt eben nicht über Homophobie und Gewaltbereitschaft von jungen muslimischen Männern diskutiert werden würde. Auch nicht darüber, wie gut und integrativ Boxclubs sind sowie darüber, welche furchtbare Lebensrealität und Angst schwule Muslime erleben – immer wieder wird erklärt, Nuradi A. könnte selbst homosexuell sein. Nach Zeugenaussagen soll er diese Aussage selbst am Rande des CSDs in Münster getätigt haben. Alle diese Aspekte würden jetzt nicht beleuchtet werden, denn der Täter passe nicht ins Weltbild einer “woken Bewegung“. Abschließend erklärt Lokoschat: „Dabei weiß jeder, der schwul, lesbisch oder trans ist, eigentlich ziemlich gut, dass die Gefahr auf der Straße nicht von EMMA-Kolumnistinnen und Biologie-Doktorandinnen ausgeht, sondern primär von jungen Männern, die sich in ihrer ´Ehre´ oder Religion angegriffen fühlen (…) Darüber schweigt die Woke-Bewegung. Es ist ein feiges Schweigen. Mutig wäre dagegen, Homophobie und Transphobie nicht nur dort zu benennen, wo’s politisch angenehm ist, sondern immer und überall.“ Auch dieser Kommentar sowie die BILD-Zeitung selbst und der stellvertretende Chefredakteur sehen sich abermals der Kritik ausgesetzt, sie wären transphob und würden mit der Nennung von Nuradi A. zudem Rassismus verbreiten.

Jonas Hermann, geschäftsführender Redakteur der NZZ in Deutschland, hielt zur selben Causa fest: „Aktivisten zünden nun Nebelkerzen, dabei ist längst klar: Ein bestimmtes migrantisches Milieu verachtet sexuelle Minderheiten (…) Als die Herkunft des mutmaßlichen Täters noch nicht bekannt war, hatte Innenministerin Nancy Faeser «Härte» angekündigt. Die hätte es tatsächlich gebraucht, nur schon deutlich früher. Den Asylantrag von Nuradi A. hatten die deutschen Behörden abgelehnt. Obwohl er mehrfach straffällig geworden war, durfte er im Land bleiben.“ Passend dazu wurde Anfang der Woche bekannt, dass Innenministerin Faeser den Expertenkreis Politischer Islamismus, ein Beratergremium gegen religiös motivierte Gewalt, aufgelöst hat. Hermann indes schreibt weiter: „Gleichberechtigung von Mann und Frau, Minderheitenschutz und Toleranz gegenüber anderen Lebensweisen sind in vielen islamisch geprägten Staaten nun einmal nicht sonderlich weit verbreitet. Somit müsste man sich links der Mitte eigentlich die Frage stellen, ob eine liberale Demokratie langfristig bestehen kann, wenn sie zwanghaft versucht, immer mehr intolerante Menschen zu integrieren. Die Zahl der Angriffe auf Transpersonen und Homosexuelle nimmt laut dem Innenministerium rasant zu. Natürlich sind dafür nicht nur Migranten, sondern auch Deutsche verantwortlich, aber es hat schon seine Gründe, dass sich manche Homosexuelle in Stadtvierteln unsicher fühlen, die einen hohen muslimischen Bevölkerungsanteil aufweisen – zum Beispiel im Berliner Bezirk Neukölln.“

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