Sebastian Franke Queens of Eastern Europe
Sebastian Franke ist Fotograf und Filmemacher. Nach einigen Kurzfilmen und seinem Debut mit dem Langspielfilm „Königssöhne“, der von einem Homosexuellen mit Borderline-Störung handelt, begleitete er drei ehemalige Musiker der Bee Gees filmdokumentarisch auf einer Tournee. Einen thematischen Schwerpunkt legt Sebastian Franke mit seinen filmischen sowie fotografischen Arbeiten auf die Auseinandersetzung mit homo-, trans- und intersexuellen Lebensformen. Bereits 2017 begann er, Drag Queens in Deutschland zu fotografieren, bevor die Idee für das Projekt Queens Of Eastern Europe ins Leben gerufen wurde.
Paul Max hat im vergangenen Jahr sein Bachelor-Studium in Soziologie abgeschlossen. Seinen Schwerpunkt legte er im Studium auf die Frauen- und Geschlechterforschung und er verfolgte mit seinen Arbeiten stets einen intersektionalen Ansatz. Inzwischen studiert Paul Max Öffentliche Kommunikation und nutzt seine dort erworbenen Fähigkeiten, um sie im Projekt Queens of Eastern Europe einzubringen.
Riga
Über osteuropäische Drag Queen-Aktivitäten, die stark mit der homosexuellen Szene verflochten sind, wurde in der Vergangenheit kaum etwas bekannt. Wissenschaftliche Untersuchungen oder Publikationen hierzu findet man keine. Vereinzelt beginnen osteuropäische Wissenschaftler*innen, die Geschichte der LGBT*-Szene in Osteuropa heute zu erforschen. Will man etwas über die Geschichte der Drag-Kultur in Osteuropa erfahren, so ist man auf die Berichte von Zeitzeug*innen angewiesen. Das hat sowohl kulturelle als auch politische Gründe und hängt nicht zuletzt mit der prekären Situation zusammen, der sich LGBTI* in weiten Teilen Osteuropas bis heute ausgesetzt sehen.
Queens Of Eastern Europe präsentiert durch seine Bilder, aber auch anhand der Interviews einen einmaligen Einblick in die Geschichte, das Privatleben, das politische Leben und das Show-Leben von Drag Queens aus insgesamt sechs osteuropäischen Ländern: Lettland, Polen, Ukraine, Russland, Ungarn und Serbien.
St. Petersburg
Belgrad
Für Sonja (26) aus Serbien, der bei der Geburt das männliche Geschlecht zugeordnet wurde und deren Vater starb, als sie gerade ein Jahr alt wurde, war das Heranwachsen nicht einfach. Schon als Kind bemerkte sie, das sie sich in dem Körper eines Jungen nicht wohlfühlte. Die Mutter, überfordert mit ihrem Beruf und der Erziehung ihres Kindes, fand keinen Zugang zu Sonjas Transsexualität, was beide eine konfliktreiche Zeit erleben ließ. Erst recht, weil Sonja als Jugendliche für andere erkennbar anders war, als die anderen Jugendlichen in dem kleinen Ort, in welchem beide lebten. Wegen ihres Andersseins begannen eine Reihe von Anfeindungen und Übergriffen gegenüber Sonja.
Ungarn
Mit Eröffnung der ersten Schwulenbars in Budapest Mitte der 1980er Jahre hatte Zoltán (66), der als Jurist arbeitete, seinen ersten öffentlichen Auftritt als Lady Mandarin, nachdem er davor hin und wieder auf privaten Partys im Drag Queen-Outfit erschien. Aus dem privaten Partyspaß entwickelte er mit Freunden Shows, die als fester Bestandteil des Nachlebens die schwule Szene Budapests bereicherten und eine facettenreiche Drag Queen-Szene in Budapest wachsen ließen. Mittlerweile gibt es nur noch einen Club in Budapest, in welchem eine kleine Gruppe von Drag Queens regelmäßig auftritt.
Warschau
Andrzej (80), als Kind einer jüdischen Familie 1938 in Warschau geboren, überstand er den Terror der Nazizeit und entdeckte als junger Mann die Leidenschaft für die Verwandlung zur Frau. Die ersten Kleider teilweise noch aus Gardinenstoff genäht, erschuf er die Kunstfigur „Lula“ und wurde damit in der Warschauer Szene schnell bekannt. Die Auftritte auf Partys, zu denen er immer öfter eingeladen wurde, fanden zu Zeiten des Kommunismus im Privaten statt. Auch wenn homosexuelle Handlungen in Polen bereits 1932 legalisiert wurden, so war Homosexualität in der Bevölkerung nicht akzeptiert und es gab weitreichende Diskriminierung auch von öffentlicher Seite. So berichtet Andrzej, dass sich Homosexuelle in Warschau zum Beispiel bis Anfang der 1980er Jahre bei den zuständigen Polizeibehörden melden und registrieren lassen mussten.
Warschau
Nguyen Andy (48) wurde Anfang der 1980er Jahre von den Behörden seines Heimatlandes Vietnam nach Polen geschickt, um in Warschau Physik zu studieren und anschließend dem sozialistisch geprägten Vietnam als Physiker zu dienen. In Warschau verliebte er sich jedoch in eine Frau und die beiden heirateten und bekamen einen Sohn. Nguyen Andy blieb in Polen. Zu einer Faschingsparty verkleidete sich er sich zur Belustigung seiner Freunde als Frau. Dieser Abend war der Auslöser für eine Leidenschaft, die ihn mittlerweile zu einer der bekanntesten Drag Queens Polens machte. Für die mehr als 1000 Kostüme, die sich im Laufe der Zeit angesammelt haben, hat er extra einen Lagerraum angemietet.