Direkt zum Inhalt
Präsident as-Sisi will sein Land reformieren

Ägypten: Handreichung mit Homosexuellen? Menschenrechtsorganisationen blicken skeptisch auf Dialogpläne

ms - 06.07.2022 - 10:30 Uhr
Loading audio player...

Ägypten ist bis heute eines der gefährlichsten Orte weltweit für homosexuelle und queere Menschen – und das sowohl als Einheimischer wie auch als Tourist. Bis heute wird Homosexualität in dem Mittelmeerland strafrechtlich verfolgt und zudem auch stark tabuisiert in weiten Teilen der Gesellschaft. Explizit findet sich im Strafgesetzbuch zwar kein Passus zum Thema Homosexualität, gleichwohl sind aber zahlreiche homosexuelle Handlungen strafbar, in allererster Linie vor allem gleichgeschlechtlicher Analverkehr.

Auch gesellschaftlich werden Homosexuelle noch immer geächtet, wobei in den letzten Jahren sogar noch eine Verschlechterung der allgemeinen Stimmung wahrzunehmen ist. Immer wieder wurden in den vergangenen Jahren auch homosexuelle Menschen aus erfundenen Gründen inhaftiert und verurteilt. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch hat festgehalten, dass es jedes Jahr zu mehreren hundert solcher Festnahmen von Homosexuellen kommen solle, wobei die Dunkelziffer als dramatisch höher eingeschätzt wird. Immer wieder forderten Politiker aus Deutschland und Frankreich die Regierung des Landes deswegen auf, die Rechte von Homosexuellen mehr zu achten.

Dieser Ruf könnte nun scheinbar gehört worden sein – scheinbar. Der ägyptische Präsident Abd al-Fattah as-Sisi bekundete, dass sein Land in einen “nationalen politischen Dialog“ eintreten wolle, dessen Ziel es sei, die Gesetzgebung des Landes zu reformieren. In diesen Tagen tagt in Kairo deswegen ein Gremium, zusammengesetzt aus Parteien, Verbänden und Interessensvertretern. Explizit ausgeschlossen wurde dabei die radikale und homophobe Muslimbruderschaft, die in Ägypten als Terrororganisation eingestuft worden ist. Das Gremium, bestehend aus insgesamt 19 Mitgliedern, soll dabei intensiv erörtern, wie das Land Reformen einleiten und sich somit mehr dem Westen öffnen könne – immer wieder werden dabei auch die allgemeinen Menschenrechte betont.

Verschiedene Menschenrechtsorganisationen verfolgen die Gremiumsarbeit allerdings äußert skeptisch. Bisher fiel Präsident as-Sisi eher dadurch auf, dass er die Meinungs-, Versammlungs- und Pressefreiheit stark eingeschränkte und dafür sorgte, dass die politische Opposition immer mehr an Einfluss verlor. Zudem soll as-Sisi in den letzten Jahren die Verfolgung von Homosexuellen systematisch sogar verstärkt haben. Über Apps wie Grindr wurden Schwule von Beamten der Regierung dabei immer wieder in eine Falle gelockt oder bei Razzien in beliebten Treffpunkten sowie selbst zu Hause aufgegriffen und verhaftet. Der Menschenrechtsverteidiger Ahmed Mohamed hatte gegenüber dem Lesben und Schwulenverband Deutschland erklärt, dass mehr denn je willkürliche Verhaftungen und Folter an der Tagesordnung wären: „Die Ereignisse haben unter der Herrschaft von Abd al-Fattah as-Sisi in unvorstellbarem Maße zugenommen!“ So scheint das jetzt einberufene Gremium nicht viel mehr als ein Scheinfeuer zu sein, um einerseits westliche Kritiker zu beschwichtigen und andererseits die wirtschaftlichen Perspektiven des Landes mit Blick auf ausländische Investoren zu erhöhen. Eine wirkliche Reform sieht anders aus.

Anzeige
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE

Auch Interessant

Strafe, weil er CSD zuließ?

Anklage gegen Gergely Karácsony

Der Bürgermeister von Budapest sieht sich mit strafrechtlichen Ermittlungen konfrontiert, weil er die Pride-Parade im Juni 2025 ermöglicht hat.
Vorurteile im Kampf gegen HIV

Religiöser Hass in Uganda

Christliche Kirchen verhindern aus Homophobie in Uganda die Unterstützung von Menschen mit HIV, wie die jüngste UNAIDS-Studie belegt.
Rollback in Arlington

Ende bei Antidiskriminierungsschutz

Die erste Stadt in den USA, Arlington, hat jetzt die LGBTIQ+-Antidiskriminierungsgesetze aufgehoben. Eine Entwicklung mit landesweiter Signalwirkung.
Homosexuelle als Bedrohung

Neue Stigmata in Malaysia

Der größte islamische Jugendverein in Malaysia erklärte homosexuelle Menschen zur Bedrohung und fordert weitere Restriktionen gegen die Community.
Asyl für queere Flüchtlinge

Neues Zentrum in Amsterdam

In Amsterdam soll ein neues Asylzentrum nur für queere Flüchtlinge und alleinstehende Frauen entstehen.
Kontenlöschungen bei Meta

Queere Gruppen und Frauen betroffen

Meta steht massiv in der Kritik, zahlreiche Konten mit queeren Inhalten sowie zu Frauenrechten und Abtreibung gelöscht oder stark zensiert zu haben.
Neue Diskriminierung

Keine HIV-positiven US-Soldaten

Das US-Verteidigungsministerium will HIV-positive Soldaten entlassen. Ob das gelingt, ist derzeit Gegenstand einer juristischen Auseinandersetzung.
Klage gegen Erzbistum Köln

Vorwurf von sexuellem Missbrauch

Ein 70-jähriger Mann hat jetzt das Erzbistum Köln wegen mehrfachem sexuellen Missbrauch in seiner Jugend auf eine Million Euro Schmerzensgeld verklagt
Hassdelikt: Polizei ermittelt

Ein gezielter Tritt gegenLGBTIQ+

Ein Postbote in Belfast wurde entlassen, weil er einen Gartenwichtel in Regenbogenfarben samt Pride-Flagge mutwillig umstieß.