Unterstützung für LGBTI*-Ukrainer Zu wenig Geld, zu wenig Hilfe für queere Ukrainer
Erst vor wenigen Tagen konnte das Bündnis Queere Nothilfe Ukraine vermelden, dass bisher rund 500.000 Euro an Spenden speziell für queere Flüchtlinge aus der Ukraine gesammelt werden konnte – eine bisher einmalig hohe Summe binnen so kurzer Zeit für die LGBTI*-Community. Das Bündnis ist ein Zusammenschluss von rund 50 queeren Organisationen und Vereinen in Deutschland, die gemeinsam queeren Flüchtlingen sowie LGBTI*-Menschen aus der Ukraine helfen wollen.
Eine dieser Gruppen ist "Munich Kyiv Queer" – allein der Verein steuerte rund 80.000 Euro zur Gesamtsumme bei.
Im Interview mit der Süddeutschen Zeitung hat Stephanie Hügler von der Munich Kyiv Queer-Organisation nun über die aktuelle Situation in der Ukraine berichtet und erzählte, warum die Ukraine gerade für LGBTI*-Menschen so ein besonderes Land war, denn seit einigen Jahren entwickelte sich dort eine queere Community, die nach und nach auch immer mehr Unterstützung in der Bevölkerung fand – ein Novum in der Region:
„Queere Menschen hatten es in Osteuropa, auch in der Ukraine, schon immer sehr schwer. Homo- und Transphobie sind dort noch immer verbreitet, vor allem unter Nationalisten und Religiösen und den Ewiggestrigen (…) Die Lage in der Ukraine hat sich in den vergangenen Jahren, speziell seit 2014, zwar erheblich verbessert, was die gesellschaftliche und auch die rechtliche Lage von queeren Menschen angeht. Aber vor allem in den von Russland besetzten Gebieten im Donbass und auf der Krim gibt es immer noch besonders viel Ausgrenzung und Hass. LGBTI*-Organisationen wurden als ausländische Agenten eingestuft. Viele Ukrainer hatten und haben Angst vor russischen Todeslisten, wie es sie 2017 in Tschetschenien gab“, so Hügler.
Anfangs wurden die Spendengelder für einfache Dinge wie Schlafsäcke oder Lebensmittel verwendet beziehungsweise wurde damit aktiv Fluchthilfe geleistet, inzwischen wird das Geld hauptsächlich dazu verwendet, queere Leute finanziell zu unterstützen, die aufgrund des Krieges kein Einkommen mehr haben und sich verstecken müssen. Zudem werden auch Menschen vor Ort unterstützt, die Unterschlupf, Nahrung und medizinische Versorgung bereitstellen.
Dabei zeigt sich auch, dass noch deutlich mehr Geld benötigt wird, die Mittel werden langsam knapp. Auch in Deutschland gibt es einen Mangel, vor allem an adäquaten staatlichen Unterkünften für queere Menschen. Dabei zeigt sich zudem, dass die Hilfsbereitschaft auch innerhalb der LGBTI*-Community abgenommen hat, denn viele „Leute haben sich an den Krieg gewöhnt, der erste Schock ist verpufft.“
Hügler ist dabei im ständigen Kontakt mit queeren Menschen in der Ukraine, wie sie weiter berichtet: „Wir erleben die ganze Bandbreite: traumatisierte Geflüchtete, verzweifelte Schwule und Trans-Leute, die nicht außer Landes reisen dürfen, weil sie in ihrem Pass als männlich definiert sind. Wir wissen von Menschen, die hungern, weil sie keinen Job und kein Geld mehr haben und ausgebombt sind. Es sind auch Aktivisten gestorben im Zuge der Angriffe, und wir haben Kontakt zu vielen mutigen LGBTI*, die in der Armee, im Zivilschutz oder in ihrer Stadt ihr Land verteidigen.“