Massiver Anstieg von Gewalttaten Im Schnitt kommt es täglich zu drei Fälle von LGBTI*-Hasskriminalität
Die aktuellen Zahlen des Bundesinnenministeriums bestätigen jetzt, was queere Beratungszentren und LGBTI*-Organisationen in Deutschland bereits vermutet haben – die Zahl der Hassdelikte aufgrund der „sexuellen Orientierung“ sowie der „sexuellen Identität“ sind binnen eines Jahres massiv angestiegen. So kam es 2021 offiziell insgesamt zu 1.051 hassmotivierten Straftaten gegenüber LGBTI*-Menschen in Deutschland. Das sind im Schnitt drei Übergriffe pro Tag.
Das zuständige Bundesinnenministerium gliedert dabei die Hassverbrechen in zwei unterschiedliche Motivbereiche auf. In der Kategorie "Geschlecht/Sexuelle Identität" kam es 2021 zu 340 Vorfällen (2020 noch 204) und im Bereich „Sexuelle Orientierung“ als Tatmotiv zu insgesamt 870 Fällen (2020 noch 578). Aufgrund von Mehrfachnennungen können diese Zahlen nicht einfach zusammenaddiert werden, sodass bereinigt durch Überlagerungen insgesamt 1.051 Fälle von Hasskriminalität gegenüber LGBTI* zu verzeichnen sind – ein Anstieg von mehr als 50 Prozent binnen eines Jahres.
Das Bundesministerium stellt dabei zudem klar: „Es ist davon auszugehen, dass im Bereich der Straftaten gegen lesbische, schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen ein erhebliches Dunkelfeld besteht. Detaillierte und belastbare Erkenntnisse hierzu liegen allerdings nur in begrenztem Umfang vor. Anhaltspunkte liefert insbesondere eine im Jahr 2020 veröffentlichte Studie der Europäischen Grundrechteagentur. In dieser Befragung gaben 13 Prozent der in Deutschland befragten Angehörigen der genannten Personengruppe, die in den letzten fünf Jahren Opfer eines physischen oder sexuellen hassmotivierten Angriffs geworden waren, an, den letzten Vorfall dieser Art der Polizei gemeldet zu haben. Mehr als vier Fünftel der letzten Übergriffe verblieben also im kriminalstatistischen Dunkelfeld.“ Würde man die nicht gemeldeten Hassverbrechen mit einbeziehen, wäre eine Anzahl von rund 8.000 bis 9.000 Angriffe auf queere Menschen binnen eines Jahres realistisch.
Stefanie Lünsmann-Schmidt, Mitglied im Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbandes, erklärte dazu: „Das ist nur die Spitze des Eisbergs. Tagtäglich werden in Deutschland Menschen angepöbelt, bedroht und angegriffen, weil die Täter ihren Hass auf Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen in Gewalt ausleben. Der LSVD fordert, dass die Innenministerin Faeser LGBTI*-feindliche Hasskriminalität auf die innenpolitische Agenda setzt. Sie muss die von der Innenministerkonferenz geforderte unabhängige Fachkommission unverzüglich einsetzen.“
Ein großes Problem bei der Erfassung von LGBTI*-feindlicher Hasskriminalität nebst der Dunkelziffer ist zudem, dass viele Fälle gar nicht erst als solche registriert und klassifiziert werden. Der LSVD fordert daher eine dringend notwendige Reform der polizeilichen Erfassungssysteme, denn eines ist für den Verband klar: Das Risiko, Opfer einer gewalttätigen Attacke zu werden, ist für LGBTI*-Menschen deutlich größer als für den Durchschnitt der Bevölkerung.
„Hassmotivierte Straftaten zielen nicht nur auf die Menschen als Individuen, sondern zusätzlich auch darauf ab, ganze Bevölkerungsgruppen einzuschüchtern. Es kann auch heute noch gefährlich sein, im öffentlichen Raum als schwul, lesbisch, bisexuell oder trans erkannt oder dafür gehalten zu werden. Allein der Anblick einer Drag-Queen, einer trans-Person oder eines gleichgeschlechtlichen Paares kann Gewalttäter motivieren, brutal zuzuschlagen. Aus solchen Taten spricht Hass. LGBTI* gelten ihnen als minderwertig und vogelfrei“, so Lünsmann-Schmidt weiter.
Die Motive der Täter lassen sich dabei in den allermeisten Fällen (662) nicht eindeutig klar zuordnen. Rund 30 Prozent sind rechtsmotiviert, jeweils rund 20 Fälle lassen sich dann auf die Bereiche linksmotiviert sowie auf eine ausländische oder religiöse Ideologie zurückführen.