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Richtern zeigt transphoben Gouverneur rote Karte // © IMAGO / agefotostock

Trans-Gesetz in Texas vorerst gestoppt Anordnung tritt nicht in Kraft

ms - 14.03.2022 - 10:14 Uhr
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Aufatmen in Texas – die transphobe Anordnung des rechtsextremen Gouverneurs Greg Abbott wurde von einer texanischen Richterin nach zwei quälenden Wochen landesweit vorerst gestoppt. Vorausgegangen war eine Anhörung in Austin, bei der auch betroffene Eltern von trans-Kindern und Jugendlichen zu Wort gekommen waren. Viele Eltern waren seit der Umsetzung des Erlasses in heller Panik, einige flohen kurzzeitig mit ihren queeren Kindern aus dem Bundesstaat in Sorge darum, Besuch vom Familienschutzministerium zu bekommen. Dieses hatte vor knapp zwei Wochen vom Gouverneur die Anweisung bekommen, Ermittlungen gegen all Eltern aufzunehmen, die in Texas ihren Kindern eine geschlechtsangleichende Behandlung ermöglichen. Ähnlich wie in der ehemaligen DDR arbeitete die Behörde mit Stasi-Methoden und animierte Texaner dazu, ihre Nachbarn auszuspionieren und anzuzeigen. Rechtlich gesehen wollte Abbott die Behandlungsmethoden mit „Kindesmissbrauch“ gleichsetzen und das auch rückwirkend bei bereits erwachsenen trans-Menschen, die von ihren Eltern als Minderjährige eine Behandlung bekommen hatten. Diese Anordnung ist jetzt erst einmal glücklicherweise vom Tisch.

Amy Clark Meachum, Richterin am texanischen Zivilbezirksgericht, hatte zunächst vor einer guten Woche in einem expliziten Fall die Ermittlungen des Familienschutzministeriums gestoppt, nach der Anhörung erfolgte jetzt die landesweite Blockade. Meachum erklärte, die Anordnung sei nicht ordnungsgemäß erlassen worden und verstoße gegen die texanische Verfassung. Solange, wie der Sachverhalt bis zur finalen Entscheidung durch ein Gericht nicht geklärt ist, darf das Ministerium nicht weiter ermitteln. Klage eingereicht hatten mehrere Familien und Ärzte, vertreten durch die American Civil Liberties Union of Texas (ACLU) und Lambda Legal. Ähnlich wie die betroffenen Eltern zeigten sich auch die jeweiligen Sprecher der Organisationen erleichtert über das jetzige Ergebnis.  

"Wir sind erleichtert und fühlen uns bestätigt, dass die Richterin das Ausmaß und die Tragweite des Schadens erkannt hat, der entstehen würde, wenn die texanische Behörde auf Anweisung des Gouverneurs diese gesetzeswidrige Richtlinie weiterhin durchsetzen dürfte. Eltern, die ihre Transgender-Kinder lieben und mit Gesundheitsdienstleistern zusammenarbeiten, um ihr Wohlergehen zu unterstützen und zu bestätigen, sollten gefeiert und nicht als Kriminelle verfolgt werden, wie es der Staat hier versucht hat“, so Jurist Paul Castillo von Lambda Legal.

Chase Strangio, stellvertretender Direktor für Trans-Justiz bei der ACLU ergänzte: "Die Richterin hat die Handlungen des Gouverneurs als das erkannt, was sie waren - unbefugte und verfassungswidrige Machtausübung, die schwerwiegende, unmittelbare und verheerende Schäden für Transgender-Jugendliche und ihre Familien in ganz Texas verursacht.“

Auch eine der größten LGBTI*-Hilfsorganisationen der USA, das Trevor Project, zeigte sich erfreut, stellt aber zudem klar, dass der Kampf wohl noch nicht endgültig errungen sei:

"Das Trevor Project ist erleichtert, dass das Bezirksgericht von Travis County das Richtige getan und die Rechtswidrigkeit der politisch motivierten Richtlinie des Gouverneurs anerkannt hat. Wir hoffen, dass die texanischen Familien jetzt ruhiger schlafen können, aber dieser Kampf ist noch nicht vorbei. Kein liebevolles Elternteil oder Arzt sollte in Angst leben, das Richtige für trans- oder nicht-binäre Jugendliche zu tun, für die sie sorgen. Wir werden mit einer breiten Koalition von Partnern in Texas weiterkämpfen, bis diese Untersuchungen endgültig eingestellt werden und jeder junge Mensch, unabhängig von seiner Geschlechtsidentität, weiß, dass er sicher ist und unterstützt und geliebt wird, so wie er ist!“, so Sam Ames, Direktor für Regierungsangelegenheiten des Trevor Projects.

Über die genaue Anzahl der betroffenen Familien hatte das Familienschutzministerium bisher geschwiegen, anscheinend war die Behörde aber in einem ersten Schritt vor allem gegen jene Eltern vorgegangen, die sich öffentlich für die Rechte ihrer Kinder eingesetzt hatten. Ende letzter Woche hatte sich auch Präsident Joe Biden abermals zu Wort gemeldet, der den Erlass des texanischen Gouverneurs scharf kritisierte:

"Wie so viele Anti-Transgender-Angriffe, die sich in den Staaten des Landes ausbreiten, drohen die Maßnahmen des Gouverneurs Kindern und ihren Familien zu schaden, nur um politische Punkte zu sammeln. Diese Aktionen versetzen viele Familien in Texas und darüber hinaus in Angst und Schrecken. Und sie müssen aufhören. Kinder, ihre Eltern und ihre Ärzte sollten die Freiheit haben, die medizinischen Entscheidungen zu treffen, die für jeden jungen Menschen am besten sind - ohne dass Politiker ihnen dabei in die Quere kommen. Die Direktive von Gouverneur Abbott ist die schlimmste Form der staatlichen Übervorteilung. Transgender-Kinder bringen ihren Eltern Erfüllung, ihren Freunden Freude und sind nach dem Bild Gottes geschaffen. Die Bestätigung der Identität eines Transgender-Kindes ist eines der besten Dinge, die Eltern, Lehrer oder Ärzte tun können, um Kinder vor Schaden zu bewahren, und Eltern, die ihre trans-Kinder lieben und bejahen, sollten bejubelt und unterstützt werden, nicht bedroht, untersucht oder stigmatisiert."

Präsident Biden: "Eltern, die ihre trans-Kinder lieben, sollten bejubelt und unterstützt werden, nicht bedroht oder stigmatisiert!“

Die Erklärung, die zusammen mit einer Liste von Maßnahmen veröffentlicht wurde, die das US-Gesundheitsministerium zum Schutz von transsexuellen Jugendlichen und ihren Familien in Texas ergreifen will, war das erste Mal, dass Biden direkt auf eine kürzlich erlassene Richtlinie von Gouverneur Greg Abbott einging. Am vergangenen Wochenende bekam der Präsident zudem Rückenwind von mehr als sechzig großen US-Unternehmen, darunter Google oder auch Levi Strauss beispielsweise, die sich mit einer landesweiten Werbekampagne in Texas klar gegen den Erlass des Gouverneurs stellten. Die Unternehmen warben sowohl digital wie auch auf ganzseitigen Anzeigen in den wichtigsten texanischen Zeitungen mit dem Slogan: "Diskriminierung ist schlecht fürs Geschäft."

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