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Vorgestellt Sommerblut 2018

vvg - 07.05.2018 - 07:00 Uhr

Vom 5. bis zum 21. Mai 2018 findet das 17. SOMMERBLUT-Festival in Köln statt. Wir sprachen mit (auf dem Foto von links) Gregor Leschig, Stefan Herrmann und Elisabeth Pleß, 3 Regisseur*innen von Eigenproduktionen des Sommerblut Festivals, sowie Rolf Emmerich (Festivalleiter), Andrea Asch (Vorstandsvorsitzende) und Dr. Hiltrud Cordes (künstl. Leiterin).

Was unterscheidet SOMMERBLUT von anderen Kultur-Festivals?
Hiltrud: Das „Festival der Multipolarkultur“, versteht sich als inklusives Kulturfestival, welches verschiedene gesellschaftliche, soziale und politische Standpunkte und Identitäten miteinander verbindet. Der Inklusionsbegriff wird hierbei bewusst weit gefasst: es geht um körperliche und kognitive Merkmale, Lebensformen, Wertesysteme, Traditionen, Glaubensrichtungen - all das, was die Identität eines jeden Menschen und den gesellschaftlichen Diskurs bestimmt. Das Festival sieht sich als Vorreiter, der gesellschaftliche Entwicklungen vorausdenkt und die Vision der kulturellen Teilhabe für alle Menschen lebt. Sommerblut ist experimentell und berührt, bricht mit herkömmlichen Sicht- und Aufführungsweisen. Spartenübergreifend treten Tanz, Musik, bildende Kunst, Performance, Theater und Literatur in fruchtbare Kommunikation.

Wie ist der Stellenwert des Festivals?
Rolf: Das Festival ist in seiner Art einzigartig in Deutschland und in Europa – der Schwerpunkt der Multipolarkultur wird so in keinem anderen Festival gesetzt. Sommerblut ist kein Mainstream und das ist auch gewollt. Genau deswegen haben sich Förderer in der Vergangenheit auch schwergetan, das Festival langfristig zu unterstützen. Erstmalig hat das Festival in seinem 17-jährigen Bestehen ab 2018 eine dreijährige institutionelle Förderung von der Stadt Köln erhalten. Diese Entscheidung hängt auch mit der momentan auf allen Ebenen geführten Inklusionsdebatte zusammen. Diese Entwicklung hat Sommerblut besonders durch eigene Produktionen aktiv mitgestaltet. Ohne langjährige Projekt-Förderer (Aktion Mensch, Stiftung Wohlfahrtpflege, LVR, Kämpgen Stiftung und Land NRW) wären solche Produktionen nicht realisierbar. In diesem Jahr beschäftigen sich fünf Eigenproduktionen zum einen mit „Unorten“ einer Stadt (DRUGLAND, ANTIKÖRPER und NO-GO-AREA). Zum anderen wird das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Kulturen in LET’S MEET und CLASH in den Mittelpunkt gestellt.

Was verbirgt sich hinter dem diesjährigen Motto „Körper“?
Andrea: Für uns Menschen ist die Erfahrung des Körpers im wahrsten Sinn des Wortes elementar: aus seinem unmittelbaren Erleben entwickelt sich unsere Identität. Wir leben heute in einer Zeit der Selbstoptimierung, die vor allem über Körperoptimierung funktioniert. Dem Terror der Makellosigkeit können wir uns kaum entziehen. Die Kunst stellt sich diesem Trend entgegen, hier kann der Körper das Werkzeug wie auch der Gegenstand sein. Tänzer, Schauspieler und Musiker benutzen ihren Körper, um Kunst in Form von Bewegung und Klang zu erschaffen. Abgebildet und dargestellt wird der menschliche Körper in unzähligen Varianten – als Metapher für Schönheit oder Leid, als Abbild des Göttlichen oder Sinnbild der Hässlichkeit. Sommerblut ist mit dem Thema „Körper“ wieder am Puls der Zeit. Geht es doch bei der #meetoo Kampagne selbstverständlich um die Grenzen der eigenen Integrität und körperlichen Unversehrtheit. Das Frauen-Projekt LETS MEET beschäftigt sich auch mit diesem Aspekt.

Welche Veranstaltung sind ein unbedingtes Must-go?
Andrea: Für das Projekt LET´S MEET (am 08.05. von Ana Valeria González (Foto 2.v.r.) & Co. / Kulturkirche) haben sich Frauen mit und ohne Migrationshintergrund haben über kulturelle Grenzen hinweg ausgetauscht und dadurch ein gegenseitiges Verständnis ermöglicht. Vielerorts ist das Geschlecht Grund dafür, Menschen in ihren Rechten einzuschränken. In vielen Ländern dominieren noch immer patriarchalische Gesellschaften, die kein Interesse am Thema Gleichberechtigung haben. Und wie gleichberechtigt sind wir hier im Westen?

Hiltrud: In einer Doppelvorstellung (Tell me where it is / Ein Bericht für eine Akademie von Franz Kafka am 19.05. / Kölner Künstler Theater) geht es um Grenzen und Möglichkeiten. Als junger Erwachsener erhielt Alessandro Schiattarella die Diagnose, an einer neuromuskulären Krankheit zu leiden. Dennoch verfolgte er seinen Traum und wurde Tänzer. Er war bis 2014 Ensemblemitglied bei verschiedenen Kompanien u.a. am Bejart Ballett Lausanne und ist heute freischaffender Tänzer und Choreograph. Samuel Koch und Robert Lang zeigen in ihrer Inszenierung den schmalen Grat zwischen Mensch und Tier. Eine im wahrsten Sinne hautenge Zusammenarbeit der beiden, ein zweiköpfiges Wesen, die Körper sind symbiotisch miteinander verbunden, aneinandergefesselt.

Rolf: Die mallorquinische Tanzkompanie Baal vereint in der multidisziplinären Produktion CROTCH (am 18.05. / TanzFaktur Köln) Tanz, Theater und Performance. In einem vorangehenden Workshop und einem 6-tägigen Lab (interessierte Teilnehmer*innen können sich über www.sommerblut.de anmelden) setzen sich die Profi-Tänzer gemeinsam mit den Workshop- und Lab-Teilnehmern mit den Themen Gender, Geschlecht und Identität aus verschiedenen Blickwinkeln auseinander.

Welche Produktionen leitet ihr und was erwartet die Besucher?
Elisabeth Pleß: Beim Projekt „ANTIKÖRPER“ führe ich Regie. Mein Team und ich entwickelten gemeinsam mit 20 weiblichen und männlichen Inhaftierten der JVA Köln-Ossendorf diese Theaterperformance.
Inhaftierung bedeutet eine unwiderrufliche Brandmarkung innerhalb der Gesellschaft, die in den Lebenslauf eingeschrieben ist, wie eine Tätowierung auf die Haut. Zeit spielt im Gefängnis eine veränderte Rolle - Warten und das Vermissen der Familie, von Nähe und Geborgenheit sind große Themen, die wir in dieser Performance aufgreifen. Dabei treten die Darsteller*Innen, die „Antikörper“ der Gesellschaft bewusst Vorurteilen entgegen. Die Performance ist sehr persönlich. Das Stück entsteht durch Gespräche, Improvisationen und selbstgeschriebenen Texten - über Vergangenheit, Zukunft, Fehler, Ängste, Scham und Einsamkeit. Die Inhaftierten stehen nicht nur als „Darsteller*innen“ auf der Bühne, sie sind auch Mitautoren*innen dieser Theaterperformance. Das Publikum kommt in Berührung mit einer ihnen sonst verschlossenen Lebenswelt.

Stefan Herrmann: Ich inszeniere das Theater-Tanz-Projekt DRUGLAND, d.h. ich bin Regisseur und trage somit die künstlerische Gesamtverantwortung für die Inszenierung.
Das Projekt beschäftigt sich mit der Konfliktsituation „offene Drogenszene“ am Neumarkt und bezieht die unterschiedlichen Interessensgruppen zu diesem Konflikt mit ein. Wir setzen uns auf künstlerische Art und Weise mit der Frage „Wie auf einem Raum zusammenleben?“ auseinander. Anwohner, Geschäftsinhaber, Stadt und Polizei beschreiben die zunehmende Verwahrlosung und Verelendung der Drogenabhängigen im öffentlichen Raum. Hier ist auch der Bezug zum Festivalthema: Regelmäßiger Drogenkonsum hat natürlich enorme Auswirkungen auf den eigenen Körper. Wenn man "drauf“ ist, hat man sich nicht mehr vollständig unter Kontrolle. Das Projekt wird als ein theatraler Rundgang direkt am Neumarkt mit akut Drogenabhängigen, vier professionellen Schauspielern und einem Tänzer aufgeführt. Die Zuschauer werden hautnah die alltägliche Lebenswelt der Drogenabhängigen erleben.

Gregor Leschig: In diesem Jahr bin ich mit drei Projekten betraut, u.a. mit der Theaterperformance CLASH - Körper der Kulturen. Wann schütteln wir uns die Hände? Wann umarmen wir uns? Wann wird die Umarmung erotisch? Warum sitzen wir beim Essen nicht auf dem Boden? Warum tun das Einige? Was kann es für Missverständnisse geben, wenn man mit jemandem aus einem anderen Kulturkreis essen geht und wenn noch gemeinsam getanzt werden soll?
CLASH arbeitet die unterschiedlichen kulturellen Hintergründe und Normen auf unsere körperlichen Ausdrucksmöglichkeiten heraus. Junge, aktuell eingewanderte Migranten ergründen zusammen mit Kölner Einheimischen das unterschiedliche Selbstverständnis vom menschlichen Körper: Umgangsformen, Rituale, Kleidung und Mode, Mann-Frau-Verständnis, Religiosität, Sexualität. Es wird eine intensive Tanz- und Theater- Performance, lebendig und witzig und sehr unterhaltsam.

 

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