Interview SEPP OF VIENNA
Von Mitte März bis 15. April lud er ins Münchner „Sub“ ein, wo man seine Männer „treffen“ konnte. Im Juni erscheint anlässlich des 50-jährigen Jubiläums des „MLC Munich“ das Buch „Spielen am Rand“, in dem man ihn natürlich auch findet. Für Herbst stehen Pläne in Berlin an: Die Gay-Male-Erotic-Art-Legende ist fit wie ein Dildo(pp) und rund um die Uhr auf den Beinen. Toll dass er trotzdem für uns Zeit hatte und uns in seine Wohnung zum Interview einlud.
Ich zitiere dich: „Zeichnen war seit Kindestagen meine größte Passion – außer Sex.“ Wann hat es angefangen?
Der Sex oder das Zeichnen? Beim (schwulen) Sex war ich ein Spätzünder, aber gezeichnet habe ich bereits mit drei Jahren - vorwiegend Autos, als ich stolz einen VW von einem Mercedes unterscheiden konnte. So wurde es mir jedenfalls erzählt.
Hast du deine Kunst zum Beruf machen können?
Erst beim zweiten Versuch, 1970, hat es geklappt an der „Graphischen“ in Wien, aufgenommen zu werden. Davor hatte ich fünf Jahre im elterlichen Gasthaus in Maissau, im nordwestlichen Niederösterreich, gearbeitet. 1975 schloss ich erfolgreich die Meisterklasse ab und fand einen Job in der Werbung als Grafiker und Zeichner. Meine „schwule“ Kunst kam mit meinem Engagement in der Szene ab den 80ern. 1996 begann ich meine Zeichnungen am Computer zu bearbeiten.
Hattest bzw. hast du Vorbilder?
Vorbilder waren vor allem Künstler, die ich in amerikanischen Magazinen zu sehen bekam, wie Honcho, Mandate, Stallion, Drummer usw., Künstler wie Rip Colt, The Hun, Leon, Marc DeBauch und viele andere - und natürlich auch Tom of Finland.
Du bist in der internationalen schwulen Fetischszene durch deine Kunst eine „Legende“…
So, bin ich das bereits? ;-))) Scheinbar habe ich auch das Talent zu Organisieren und Dinge in Gang zu bringen. Ich wuchs sukzessive in die schwule Szene rein und so begann ich Treffen, Veranstaltungen und Partys zu organisieren und diese auch zu bewerben - erst der G-Club, später die LMC Vienna und Große Bekanntheit erzielten meine Arbeiten durch unser damaliges Clublokal [lo:sch].
Wo überall hast du ausgestellt?
In Amsterdam bei Mr.B. und RoB; Antwerpen Leatherpride (Darklands); mehrmals in Berlin bei Mr.B., Mann-o-Meter und bei Folsom Europe; in Chicago bei International Mr. Leather; in Hamburg Hotel Königshof und Boutique Bizzarr; in Köln in der Redaktion des Bear Magazins; in einem Szenelokal in Linz; in Los Angeles bei der Tom of Finland Foundation; Mannheim; München in der Kunst(B)handlung, bei Spexter und zuletzt im Sub; in Paris, oft in Wien und Zürich und weiteren mehr.
Es gab ja kaum kerlige Veranstaltungen, für die du nicht Motive bereitgestellt hast. Was waren bzw. sind die bekanntesten?
Ich denke, das größte und bekannteste Event ist Folsom Europe in Berlin, für die ich vom Beginn 2004 bis 2011 die Plakatmotive gestalten durfte.
Deine Zeichnungen zeigen immer geile, echte Kerle: Phantasiegestalten oder Traummänner? Und hast du deine Modelle angesprochen oder liefen sie dir unaufgefordert hinterher?
Natürlich sind es Traummänner. Und ein Traummann wurde mein Mann, den - wie oft behauptet wird - ich öfter in meinen Zeichnungen verewigt habe.
Warum Männermotive? Malst, bzw. zeichnest du auch andere Motive?
Welche Frage! Weil ich auf Männer stehe und genau auf solche, wie ich sie zeichne.
Aber es gibt auch Landschaftsmotive, vorwiegend aus meiner Heimat dem Wein- und Waldviertel.
Wie entstehen deine Arbeiten und wie lang dauert der Prozess von der Idee bis zum fertigen Bild?
Das ist ein langer Prozess, bei dem meist eine Idee, eine bestimmte Situation oder nur eine Vorstellung da sind, oder ein Foto, ein Bild in einem Magazin meine Aufmerksamkeit erregt; es folgen Skizzen, eine detailliertere Ausarbeitung, dann eine sogenannte Reinzeichnung, diese scanne ich ein und bearbeite sie am Computer. Das kann sich über mehrere Tage oder Wochen ziehen.
Eine deiner Ausstellungen hieß „Lekker", welche männliche Persönlichkeit findest du lecker?
Ich steh voll auf eher kleinere, bullige, bärige, dunkelhaarige, bärtige Männer mit Pelz rundum und sensiblen Nippeln und bei einem behaarten Arsch bin ich im Götterhimmel!
Was ist ein Mann für dich?
Ein göttliches Sextoy! Siehe vorherige Frage ;-))) Jedenfalls sollte er maskulin rüberkommen und dazu gehören Haare, Bartwuchs, eine gewisse Reife. Mein Traumtyp von Mann war z.B. Sean Connery. Ihm habe ich ein eigenes Album gewidmet.
Wie ist dein aktueller Beziehungsstatus?
Ich bin verwitwet…
Wie verbringst du deine Zeit, wenn der Stift ruht?
Ich genieße das Leben, die Männer, Motorradfahren, mein Saab Cabrio, mein Zuhause und Wien!
Wo gehst du in Wien aus und wie stehst du zur heimischen Community?
Ich engagiere mich noch immer in der LMC Vienna, dem 1985 von mir mitbegründeten Fetischverein und bevorzuge unser Clublokal das „Hardon“. Gern gehe ich auch zu Pitbull, einer monatlichen Bear & Butch Party, weiter liebe ich mittwochs in die Römersauna und sonntags ins Kaiserbründl - die wohl schönste Schwulensauna der Welt - zu gehen.
Wie hat sich die schwule Welt verändert und wie siehst du die Zukunft der Community?
In Europa in den vergangenen Jahrzehnten zum Glück zu einem Besseren. Jedoch sollten wir weiter aktiv und achtsam sein, das Blatt könnte sich sehr rasch wenden. Eine neue Prüderie ist in den letzten Jahren bereits feststellbar. So geschah es bei meiner Ausstellung im März 2024 im „Sub - Schwules Kommunikations- und Kulturzentrum München e.V.“, dass die Schwänze meiner gezeichneten Männer nach Vorstandsbeschluss zur Vernissage von „Auberginen-Klebern“(!) abgedeckt waren. Trotzdem habe ich fast alle Bilder verkaufen können.
Seit Corona hat sich das Ausgehverhalten überall sehr verändert. Ich denke, vieles hat sich ins Private verlagert.
Du kennst Berlin, Amsterdam und New York, wie unterscheidet sich die Szene von der in der Sissi-Stadt?
Mann möge unterscheiden zwischen Sissi und Sisi ;-) Wien ist eine sehr lebenswerte & liebenswerte Stadt. Die Reize findet man(n) wohl eher in kultureller Richtung. Was die Sub anbelangt, wende man(n) sich gerne an mich. ;-) Spaß! „Die Wiener Szene“ ist vielfältig wie in jeder Metropole. Wie heißt es so schön: jedem Tierchen sein Pläsierchen.
Magst du lieber „Wien im Sonnenschein“ oder „Wien in Schwarz“?
Klarerweise beides. Wien in Schwarz ist neben dem Vienna Fetish Spring das zweite internationale Fetish Event der LMC Vienna mit Disco, Video, Slides, Show und einer Red/Black-Box. Es findet um den österreichischen Nationalfeiertag Ende Oktober statt.
„Wien die Stadt des Lamentierens und der Todessehnsucht“ untertitelte ich unsere Einladung 1990 im Rahmen von „Erotik-Kreativ“, einer Ausstellung über Sexualität abseits der Klischees im WUK. Diese Veranstaltung war der Anlass, zu einem „LMC Vienna International Leathermeeting“ zu laden. Mit der „Traumkammer“, einer Rauminstallation über die schwule Leder- und S/M-Szene sowie einer „Special Night In Black Leather“, dem Vorläufer von Wien in Schwarz, wurde es ein großer Erfolg.
Viele Männer ab 50 sind müde geworden, man sieht sie kaum noch in der Szene; wie ist das bei dir?
Das finde ich schade, zwischen 45 und 55 liegt meiner Meinung nach das beste Mannesalter. Ich selbst bin noch immer gut unterwegs. Dienstag und Donnerstag organisationsmäßig für LMC Vienna, mittwochs in der Römersauna, freitags und samstags oft im Hardon, sonntags im europaweiten legendären Kaiserbründl ...
Du hast einige Jahrzehnte erlebt; möchtest du noch mal 20 oder 30 sein?
Auf keinen Phall(!) Mit 20, 30, war ich noch eher mit der Suche meiner eigenen Sexualität beschäftigt. Damals gab es kein Internet, an Informationen kam man nur mühsam heran, ein Telefon(-Anschluss) war schon das große Glück. Vor Polizeikontrollen und Übergriffen war man nie gefeit. Jetzt genieße ich mein Leben, meine Freiheit und mein fixes Einkommen.
In all deinen Jahren, was bleibt an positiven und negativen Erinnerungen?
Ein Leben hat ups and downs. Von Beidem gab und gibt es genug. Ich habe Diskriminierung, Übergriffe und Überfälle erlebt. Ich durfte die große Liebe erleben und den schweren Abschied. Ich bin dankbar für Freunde, Anerkennung und guten Sex.
Apropos Stift, wann geht dir der Stift - soll heißen: Was regt dich auf?
Die vielerorts vorhandene Sorg- und Rücksichtslosigkeit und Dummheit. Ich wünschte mir gerne mehr Respekt dem Mitmenschen gegenüber.
Mann ist nie zu alt, Zukunftspläne zu machen …
… mit demnächst 74 halte ich mich mit Zukunftsplänen eher zurück. Seit dem Tod meines Mannes lass ich die Dinge eher an mich herankommen. Und nach meiner Herz-OP sollt ich doch etwas kürzertreten. So ergaben sich nach langer Zeit meine letzten beiden Ausstellungen: in München, durch die Einladung anlässlich des 50-jährigen Bestehens des MLC München und dadurch wiederum meine Ausstellung in Wien. Bei der Durchsicht meiner vielen Mappen kam der Wunsch auf, einige, der bis dahin noch nie gezeigten Arbeiten einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Daraufhin entstanden weitere Kontakte eventuell diesen Herbst in Salzburg und in Berlin auszustellen. Let’s see!