Ausgequetscht Benni Bauerdick
ist Radio-Moderator, Fernsehreporter, Podcaster und Trauerbegleiter. Als Gesprächs-Partner in Podcasts und auf Bühnen setzt er sich für mehr Toleranz und Akzeptanz gegenüber der queeren Community ein. Er arbeitet u.a. ehrenamtlich mit der Aids-Hilfe Köln und dem schwul-lesbischen Jugendzentrum anyway zusammen
Benni, warst du in deiner Jugend schon ein XXL-Kind und wurdest du für deinen witzigen Namen Bauerdick gemobbt?Nicht nur in der Kindheit. Viele machen sich lustig, weil ich gar nicht so dick bin. Als Teenager war ich nicht nur groß, sondern auch ein wenig mopsig. Und in der queeren Szene oder wenn ich Radiointerviews machte, war das Gelächter immer groß, wenn ich mich mit Bauerdick vorstellte.
Klar, weil du einen „Bauernschwanz“ hast. War dein Outing ein Problem?
Das innere Outing war eine viel größere Herausforderung, als das äußere. Ich bin im Dorf Lennestadt im Sauerland großgeworden und habe das lange mit mir herumgetragen. Ich hatte in den 90ern keine Vorbilder. Trotzdem bin ich in der Schule schon als Schwuchtel beschimpft worden. Ich glaube, das sah man mir einfach an; ich konnte das schon damals nicht verstecken. Freunde und meine Schwester fanden das toll. Meine Eltern hatten anfangs Probleme damit, weil sie sich Sorgen machten, ich geriete auf die schiefe Bahn. Heute ist es weder bei den Eltern noch auf dem Dorf ein Problem.
Du setzt dich für Toleranz und Akzeptanz für die queere Community ein, hat die das nötig?
Sehr sogar. Solange es Länder auf dieser Welt gibt, wo Homosexualität unter Strafe – sogar unter Todesstrafe - steht, so lange müssen wir uns dafür einsetzen und Flagge zeigen. Und wir beobachten alle mit Sorge die Wahlergebnisse bei den Europa- und Landtagswahlen und das macht mir und vielen anderen Angst. Überall ändert sich die Stimmung, da dürfen wir uns nicht einschüchtern lassen.
Und was stört dich an der Community?
Das wir zu Akzeptanz und Toleranz aufrufen und dafür auf die Straße gehen und dies leider innerhalb der Community gar nicht so gelebt wird. Es gibt viel Oberflächlichkeit und Anfeindungen innerhalb der Szene. Wer mit sich selbst unzufrieden ist, dem hilft es, andere klein zu machen, nur um sich selbst größer zu fühlen.
Du bist einmal geschieden, hast du inzwischen einen neuen Prinzen?
Ich hatte einen neuen, bin aber wieder Single und auf dem Markt.
Deine Cologne-Pride-Co-Moderatorin Ricarda Hofmann ist mit Princes Charming Irina zusammen. Wäre so ein Format etwas für dich?
Sagen wir mal so: Es gab einige Kandidaten in den Staffeln, die ich nicht von der Bettkante stoßen würde. Ich selbst würde mich definitiv weder auf „Bauer(dick) sucht Prinz" noch als Prince Benni auf so ein Format einlassen. Lediglich „Lets Dance“ ist ein großer Traum. Ich habe das Goldabzeichen im Standart- und Lateintanz, tanze heute noch Modern und Contempory und liebe verrückte Outfits. Eine Grenzerfahrung wäre das „Dschungelcamp“. Aber wenn ich in den Sarg mit Kakerlaken müsste, würde ich bestimmt schreien wie Ross Antony. Dabei bin ich viel ruhiger und introvertierter.
Vielleicht meldet sich RTL ja nach diesem Interview. Zu deinem Moderatorenjob: Was ist schwerer, unsichtbar im Radio oder sichtbar einen Cologne-Pride zu moderieren?
Beides! Auf der Bühne kann eine Livestimmung zur Herausforderung werden. Konzentriert zu bleiben, wenn dich zigtausend Menschen anfeuern, ist nicht einfach. Oder wenn man einen Gag macht, der nicht zündet. Das merkt man im Radio nicht, weil man da keine Reaktionen mitbekommt. Ich beziehe aber immer klare Stellung - auch bei schwulen Themen. Das ist bei queeren Events easier, da sprechen wir alle dieselbe Sprache. Im Radio eckt man damit eher an. Morgens in der Primetime hören fast eine Million Menschen zu, und da ist immer einer dabei, dem etwas nicht passt.
Wie fandst du den Gig von „Tokio Hotel“?
Die Jungs sind, obwohl sie so Megastars sind, total auf dem Boden geblieben und super freundlich und sympathisch. Lediglich bei Bills Outfit – ansonsten Style-ikonisch ein Vorbild für mich – da war er mir zu eingeschnürt. Übrigens: Ich habe Bill gegenüber mehrmals betont, dass auch ich Single bin, aber darauf ist er nicht eingegangen. Er steht wohl eher auf Bad Boys.
Was macht mehr Spaß: Stars interviewen, Politiker befragen, über Karneval berichten oder Trauerarbeit durchzuführen?
Das ist sich alles relativ ähnlich. Es geht immer darum, Menschen zuzuhören, das Gesagte nicht zu bewerten, auf die Zwischentöne zu achten, die richtigen Fragen zu stellen und dafür zu sorgen, dass sich die Menschen öffnen. Bei Promis, Politikern und Karneval brauche ich mehr Sach- und Fachwissen; bei Trauerarbeit mehr Emotionen und Fingerspitzengefühl. Das Thema „Tod“ hat aber auch meinen eigenen Blickwinkel auf die Vergänglichkeit verändert. Ich lebe bewusster und habe keine Angst vor dem eigenen Tod.
Hast du überhaupt Ängste?
Ich glaube, ich habe manchmal Angst vor der eigenen Größe. Ich habe im Leben viel Scheiße erlebt und Erfahrungen mit Mobbing, häuslicher Gewalt und sexuellem Missbrauch machen müssen - Dinge, die sehr am Selbstwert kratzen, sodass man gelernt hat, sich in sein Schneckenhaus zu verkriechen. Deswegen muss ich lernen, dass ich groß sein darf. Im Sinne von: Ich muss mich nicht kleinreden lassen!
Worüber kannst du weinen?
Über traurige und romantische Filme. Immer beim Film ist ‘ne Serie „Greys Anatomie". Und bei Musik, die mir direkt ins Herz geht. Da werden die Augen schnell feucht.
Du hattest mit Freddie Schürheck die 1Live Morgensendung „Von 5 bis 10“. Hattest du da überhaupt noch Freunde, bzw. einen normalen Tagesrhythmus?
Wir haben mit einem zweiten Duo immer vierzehntägig im Monat im Wechsel moderiert. Aber wenn man dann, wie ich abends um 19 Uhr ins Bett geht, musste sowohl meine Beziehung, mein Privatleben und meine Freundschaften darunter leiden. Das war für mich auch einer der Gründe, mit der Sendung aufzuhören.
Du hast mit Bettina Böttinger, Freddie Schürheck, Mechthild Schroeter-Rupieper und Ricarda Hofmann gearbeitet, brauchst du starke Frauen hinter dir?
Eigentlich nicht, ich kann meine eigene starke Frau sein; deswegen trage ich ja oft Absatzschuhe. Ich habe keinen gewöhnlichen Klamottenstil und laufe ein bisschen verrückter herum als andere. Ich möchte eigentlich nur Ich-selbst sein, Aber von den genannten Frauen konnte ich ganz viel lernen. Das hat mir geholfen, mich weiterzuentwickeln.
Deine Podcasts hießen „Der Raum“ und „Fenster oder Gang“ die befassen sich doch nicht mit Zimmervermittlungen?(lacht) Das wäre auch eine gute Idee. Nein „Fenster oder Gang“ war ein Wortspiel und meine Einstiegsfrage bei Interviews. Welchen Platz jemand einnimmt, wenn er in Bahn oder im Flugzeug reist. In einem komplett abgedunkeltem „Raum“ saß eine Person dreißig Minuten lang und konnte die Zeit zum Erzählen nutzen und preisgeben was er / sie wollte. In beiden entstanden immer tiefgründige Gespräche.
Was war deine größte Panne?
Wir haben im Radio mal einen absoluten Lachflash bekommen. So stark, dass wir schon dachten, dadurch unseren Job zu verlieren. Ansonsten bekommen Versprecher, das Drücken falscher Knöpfe oder das Verwechseln von Namen viele Zuhörer oft gar nicht mit. Und wir haben gelernt, damit umzugehen.
Was ist dein lustigstes Erlebnis?
Ich habe mich vor dem Auftritt von Tokio Hotel in die Massen geworfen. Stagediving - von Liebe getragen zu werden - ist ein bewegender Moment. Auch wenn ich am Ende abgestürzt bin und ich mir auf einer Bierflasche mein Steißbein geprellt habe; rückblickend war das sehr lustig.
Wir stellen dir die Umfrage des Monats: Was macht dich fassungslos?
Ungerechtigkeit, Respektlosigkeit und wenn man Grenzen nicht akzeptiert und andere Menschen ohne sie zu kennen verurteilt.
Gibt es für dich ein Tabu?
Ein großes, gesellschaftliches Tabu ist das Thema Tod. Auch das macht mich fassungslos, dass wir uns sträuben, über unsere eigene Endlichkeit zu denken und zu sprechen.
Was würdest du nie tun?
(überlegt) In einem Porno mitzumachen; obwohl ich dafür ja eigentlich schon mit BauerDICK einen guten Künstlernamen hätte.
Welche Wünsche stehen auf deiner Bucketlist?
Ein sehnlicher Wunsch wäre, einmal einen Disneyfilm zu synchronisieren. Ansonsten habe ich eher eine Liste mit Dingen, die ich nicht mehr machen möchte: Keine Menschen mehr in meinem Leben haben, die mir nicht guttun. Menschen, die mir einreden wollen, dass ich nicht so groß bin, wie ich eigentlich bin - weder in Beziehungen noch bei Freundschaften oder beruflichen Begegnungen.
Gibt es etwas in deinem Leben, das du bereust?
Nein. Alles - selbst meine Scheidung - hat mich geprägt. Ich wäre ohne die Dinge, die ich erlebt habe, nicht der Mensch, der ich heute bin. Und ich mag mich so, wie ich bin.
Und wir dich auch.