Proteste in Budapest Zehntausende fordern Rücktritt von Viktor Orbán
In der ungarischen Hauptstadt Budapest sind am Samstag mehr als 50.000 Menschen auf die Straße gegangen, um den Rücktritt von Ministerpräsident Viktor Orbán zu fordern. Die Demonstranten skandierten Parolen wie "Orbán, hau ab!". Der Protest wurde von Péter Magyar, dem Vorsitzenden der liberalkonservativen Oppositionspartei Respekt und Freiheit (TISZA), angeführt.
Missbrauch bei Jugendlichen
Der Anlass der Proteste war ein brisanter Bericht der TISZA-Partei, der kurz zuvor veröffentlicht wurde. Dieser beinhaltete Ergebnisse einer Umfrage aus dem Jahr 2021, die weit verbreiteten Missbrauch in ungarischen staatlichen Kinder- und Jugendeinrichtungen aufdeckte. Der Bericht dokumentiert rund 3.000 mutmaßliche Missbrauchsfälle, was mehr als ein Fünftel aller in staatlicher Obhut befindlichen minderjährigen Kinder betrifft. Davon betroffen dürfte auch eine unbekannte Anzahl von LGBTIQ+-Kindern und Jugendlichen sein. Die Umfrage basiert auf den Aussagen von 507 Betreuungspersonen. Diese kritisierten, dass die Ermittlungen in vielen Fällen eingestellt wurden, oft mit der Begründung, dass es nicht genügend Beweise gebe.
Kritik an Orbán und der Regierung
Der Missbrauchsskandal in den staatlichen Einrichtungen wird begleitet von weiteren Berichten über Gewalt in einer Jugendstrafanstalt in Budapest. Vor wenigen Tagen veröffentlichte Videos dokumentierten die körperliche Misshandlung von Kindern durch Mitarbeiter. Der ehemalige Leiter der Einrichtung befindet sich derzeit in Polizeigewahrsam, da gegen ihn wegen des Verdachts, einen Prostitutionsring betrieben zu haben, sowie wegen des Missbrauchs von Minderjährigen ermittelt wird. Vier weitere Mitarbeiter der Einrichtung wurden ebenfalls festgenommen.
In einer Stellungnahme teilte das ungarische Innenministerium mit, dass alle derartigen Einrichtungen nun unter polizeiliche Aufsicht gestellt wurden. Die Demonstranten in Budapest äußerten lautstarke Kritik an der Regierung. Ein Teilnehmer sagte stellvertretend für viele: „In anderen Ländern wäre die gesamte Regierung wegen dieses Skandals zurückgetreten. Aber hier sehen wir, wie sie sich mit aller Macht an der Macht festklammern.“ Ein weiterer Demonstrant erklärte, dass die Regierung nicht das eigentliche Problem sehe, sondern nur das Aufdecken der Missbrauchsfälle: „Für sie ist nicht der Missbrauch das Problem, sondern die Enthüllung.“
Orbán unter Druck – auch wegen seiner LGBTIQ+-Politik
Orbán, der seit 2010 an der Macht ist, hatte ursprünglich versprochen, dem Kinderschutz höchste Priorität einzuräumen. Doch seine Regierung wurde bereits mehrfach von Missbrauchsskandalen erschüttert. Im Jahr 2024 trat die ungarische Staatspräsidentin Katalin Novák von ihrem Amt zurück, nachdem sie in die Begnadigung eines Mannes involviert war, der wegen der Vertuschung von Missbrauchsfällen in einem öffentlichen Waisenhaus verurteilt worden war. Auch die damalige Justizministerin Judit Varga, eine enge Vertraute Orbáns, gab ihre Ämter nach ähnlicher Kritik auf.
Neben der Kritik an den Missbrauchsfällen wird Orbán auch für seine anhaltende, Anti-LGBTIQ+-Politik scharf kritisiert. Diese hat sowohl im Inland als auch international für heftige Auseinandersetzungen gesorgt und die Beziehungen Ungarns zur EU weiter belastet und gipfelte zuletzt im Verbot von Prides, dem sich in Budapest in diesem Jahr rund 200.000 Pride-Demonstranten entgegengestellt hatten. Vor dem Präsidentenpalast in Budapest legten einige der Demonstranten nun am vergangenen Wochenende symbolisch Teddybären und Spielzeug ab, als Zeichen des Protests gegen die Missbrauchsskandale und die Politik der Regierung.