Direkt zum Inhalt
Hessen setzt auf queere Kinder‑ und Jugendliteratur

Minister fördert Vielfalt Hessen setzt auf queere Kinder‑ und Jugendliteratur

mr - 25.11.2025 - 16:30 Uhr
Loading audio player...

In Hessen entwickelt sich derzeit eine kontroverse Debatte rund um die Förderung von queerer Kinder- und Jugendliteratur. Anlass war die Ankündigung des hessischen Ministers für Wissenschaft, Forschung, Kunst und Kultur, Timon Gremmels (SPD), im kommenden Jahr gezielt Literatur mit queeren Themen – also Themen rund um geschlechtliche und sexuelle Vielfalt – stärker zu unterstützen. Geplant sind unter anderem Stipendien für Autorinnen und Autoren sowie ein Literaturpreis speziell für Kinder- und Jugendliteratur. Die Reaktion der AfD-Fraktion im hessischen Landtag ließ nicht lange auf sich warten und wurde von scharfer Kritik bis hin zu offener Ablehnung bestimmt.

 

Queere Literatur und gesellschaftliche Vielfalt

Queere Kinder- und Jugendliteratur verfolgt das Ziel, verschiedene Lebensrealitäten abzubilden und Kindern wie Jugendlichen verschiedene Identifikationsmöglichkeiten zu bieten. Bereits im Kindesalter werden laut Entwicklungspsychologinnen und Entwicklungspsychologen die Grundlagen der eigenen Identität, Empathie und des Werteverständnisses gelegt. Laut Bundeszentrale für politische Bildung stärken Bücher, die gesellschaftliche Vielfalt zeigen, das Selbstwertgefühl und fördern respektvolles Miteinander — insbesondere, wenn sie in einem pädagogisch begleiteten Rahmen vermittelt werden. Die Notwendigkeit, Kindern frühzeitig Kontakt mit unterschiedlichen Familien- und Lebensmodellen zu ermöglichen, wird durch Daten des Deutschen Jugendinstituts untermauert: Diskriminierung und Mobbing resultieren häufig aus Unwissenheit und fehlender Repräsentation.

Für den Minister ist Sichtbarkeit zentral: Queere Geschichten in Literatur, Film und Medien sollen positive Rollenmodelle etablieren und verhindern, dass queere Menschen das Gefühl der Ausgrenzung erleben. Gleichzeitig sollen alle Kinder lernen, Verschiedenheit als gesellschaftliche Normalität zu erkennen.

 

Politische Reaktionen und kontroverses Echo

Auf die Nachfrage der AfD, warum sich Kinder überhaupt mit dem Thema Sexualität und Identität auseinander setzen sollten, reagierte Gremmels geduldig und mit Sachargumenten. Er führte aus, dass kindgerechte Literatur zu Liebe, Familie und Geschlecht hilft, Scham und Tabus abzubauen. Nur so könne allen Kindern vermittelt werden, dass sie unabhängig von Geschlecht, Herkunft oder Orientierung in ihrer Entwicklung unterstützt werden.

„Bereits im Kindesalter beginnt die Entwicklung von Identität und Geschlechtsbewusstsein. Bücher, die Vielfalt zeigen, bieten Orientierung und schaffen ein gesundes Verhältnis zum eigenen Körper und zu anderen Menschen – ohne Scham, Tabus oder Ausgrenzung“, erläuterte Gremmels auf eine Kleine Anfrage hin. (Quelle: Hessischer Landtag)

Die AfD verweigerte sich der Argumentation gänzlich und warf dem Minister vor, Kinder politisch indoktrinieren zu wollen, sprach gar von Frühsexualisierung. Entsprechende Äußerungen wie die von Frank Grobe, AfD-Fraktionssprecher, finden aktuell auch bundesweit mediale Aufmerksamkeit und polarisieren die Debatte erneut.

Wissenschaftliche Studien zeigen, dass Akzeptanz von Vielfalt und das Erleben von Differenz als Normalität im frühen Kindesalter später Diskriminierung entgegenwirkt. Bildungseinrichtungen und Literatur können dabei helfen, Vorurteile und Stigmatisierungen abzubauen. Die Debatte in Hessen verdeutlicht, dass die Förderung queerer Literatur nicht nur bildungs- und kulturpolitisch, sondern auch gesellschaftlich relevant ist.

Ob sich damit das gesellschaftliche Klima nachhaltig verändert und wie die Umsetzung entsprechender Fördermaßnahmen konkret aussehen wird, bleibt weiter zu beobachten. Sicher ist jedoch: Das Thema Diversität in der Kinder- und Jugendliteratur bleibt ein wichtiger Prüfstein für das Selbstverständnis einer modernen, demokratischen Gesellschaft.

Anzeige
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE

Auch Interessant

Strafe, weil er CSD zuließ?

Anklage gegen Gergely Karácsony

Der Bürgermeister von Budapest sieht sich mit strafrechtlichen Ermittlungen konfrontiert, weil er die Pride-Parade im Juni 2025 ermöglicht hat.
Vorurteile im Kampf gegen HIV

Religiöser Hass in Uganda

Christliche Kirchen verhindern aus Homophobie in Uganda die Unterstützung von Menschen mit HIV, wie die jüngste UNAIDS-Studie belegt.
Rollback in Arlington

Ende bei Antidiskriminierungsschutz

Die erste Stadt in den USA, Arlington, hat jetzt die LGBTIQ+-Antidiskriminierungsgesetze aufgehoben. Eine Entwicklung mit landesweiter Signalwirkung.
Homosexuelle als Bedrohung

Neue Stigmata in Malaysia

Der größte islamische Jugendverein in Malaysia erklärte homosexuelle Menschen zur Bedrohung und fordert weitere Restriktionen gegen die Community.
Asyl für queere Flüchtlinge

Neues Zentrum in Amsterdam

In Amsterdam soll ein neues Asylzentrum nur für queere Flüchtlinge und alleinstehende Frauen entstehen.
Kontenlöschungen bei Meta

Queere Gruppen und Frauen betroffen

Meta steht massiv in der Kritik, zahlreiche Konten mit queeren Inhalten sowie zu Frauenrechten und Abtreibung gelöscht oder stark zensiert zu haben.
Neue Diskriminierung

Keine HIV-positiven US-Soldaten

Das US-Verteidigungsministerium will HIV-positive Soldaten entlassen. Ob das gelingt, ist derzeit Gegenstand einer juristischen Auseinandersetzung.
Klage gegen Erzbistum Köln

Vorwurf von sexuellem Missbrauch

Ein 70-jähriger Mann hat jetzt das Erzbistum Köln wegen mehrfachem sexuellen Missbrauch in seiner Jugend auf eine Million Euro Schmerzensgeld verklagt
Hassdelikt: Polizei ermittelt

Ein gezielter Tritt gegenLGBTIQ+

Ein Postbote in Belfast wurde entlassen, weil er einen Gartenwichtel in Regenbogenfarben samt Pride-Flagge mutwillig umstieß.