Kondome im Gefängnis Italienische Behörden streiten über Sex im Männerknast
In Italien ist eine landesweite Streitdebatte darüber entbrannt, ob in Gefängnissen Kondome an männliche Häftlinge verteilt werden sollen oder nicht. Vorausgegangen war die Weitergabe von Präservativen in der Justizvollzugsanstalt von Pavia in der südwestlichen Lombardei.
Einkauf von Kondomen sorgt für Eklat
Die Gefängnisdirektorin Stefania Musso hatte mittels Dienstanweisung festgelegt, dass 720 Kondome „aus therapeutischen Gründen“ eingekauft werden, die dann von den Ärzten der Anstalt an die Inhaftierten verteilt worden waren. Es ist das erste Mal, dass eine italienische Strafvollzugsanstalt so agiert hat – offenbar sehr zum Unwillen des italienischen Justizvollzugsamtes (DAP).
Die Behörde kritisierte jetzt den Einkauf scharf und erklärte, die Maßnahme „gewährleiste kein Gleichgewicht zwischen Gesundheitsschutz und innerer Ordnung.“ Das Gefängnis könne so seiner Kontrollaufgabe nicht nachkommen und fördere möglicherweise gewalttätige Handlungen wie Vergewaltigungen zwischen Häftlingen oder den generellen Missbrauch von Kondomen, beispielsweise als Transportmöglichkeit und Verschleierung von Drogen durch Verschlucken.
Die Kontroverse hat in den letzten Tagen immer mehr an Fahrt aufgenommen. Die Gewerkschaft der Strafvollzugsbeamten betonte, dass das Verfassungsgericht bisher noch nicht darüber entschieden habe, welche Regeln es in Bezug auf mögliche „Zuneigungen zwischen Häftlingen“ geben müsse. Generalsekretär Donato Capece sagte außerdem: „Jetzt erwarten wir, dass die Gefängnisleitung den Kauf von aufblasbaren Puppen vorsieht, um das Recht der Insassen auf Sexualität zu befriedigen.“
Homophobie und Männlichkeit
Die Debatte wird in Italien aus mehreren Gründen so hitzig geführt, allen voran schwingt dabei eine unterschwellige Homophobie mit. Bei der Frage nach Kondomen müssten sich die Beteiligten zwangsläufig irgendwann eingestehen, dass es vermutlich viele sexuelle Kontakte zwischen männlichen Häftlingen gibt – das aber passt nicht ins Bild des heterosexuell potenten Liebhabers, auch nicht bei jenen, die im Gefängnis sitzen. Außerdem würden die Behörden damit sozusagen offiziell eingestehen, dass Sex im Knast unter Männern existiert, wobei es in der italienischen Gesetzgebung bisher kein Recht auf Sex im Gefängnis gibt.
Eine Frage der Gesundheit
Die Leitung der Justizvollzugsanstalt Pavia versuchte die ungeklärte Situation daher auch mit der Interpretation „aus therapeutischen Gründen“ zu umgehen. Einige italienische Medien fordern dabei durchaus, dass sich auch die „Männerwelt Gefängnis“ endlich der Realität stellen müsse, denn die Insassen hätten durchaus das Recht auf Würde und Gesundheit – und letztere sei tagtäglich durch die Weitergabe von Geschlechtskrankheiten in akuter Gefahr. Ein Schutz vor STIs fördere daher die Unversehrtheit der Häftlinge, insbesondere der schwächsten unter ihnen. Sex in Männergefängnissen findet statt, ob erzwungen oder im gegenseitigen Einverständnis. Sich der Realität zu verweigern, verschlimmere das Problem nur, so der Tenor.
Italien hat dabei auch anderweitig viel Nachholbedarf bei seinen Justizvollzugsanstalten. Der Europäische Ausschuss zur Verhütung von Folter kritisiert bereits seit Jahren die massive Überbelegung sowie die mangelnde Hygiene in den Einrichtungen. Beides verstoße gegen grundsätzliche Menschenrechte. Aktuell sind in Italien rund 63.000 Menschen inhaftiert, wobei rechnerisch nur Platz für 51.000 Gefängnisinsassen ist.