Bundestagswahl – und nun? LGBTIQ+-Projekte und die SPD - ein Interview mit Falko Droßmann
Am Tag nach der Bundestagswahl blicken jetzt alle gespannt auf die anstehenden Koalitionsgespräche, eine neue schwarz-rote Regierung unter Führung der Union scheint die wahrscheinlichste Variante zu sein. Doch was bedeutet das für die queeren unvollendeten Projekte der letzten Jahre? SCHWULLISSIMO fragte nach bei Falko Droßmann (51), queer-politischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion.
Viele Projekte wie die Reform des Abstammungsrechts oder die Grundgesetzänderung konnten nicht verwirklicht werden. Die Finanzierung des queeren Aktionsplans sollte erst in diesem Jahr starten. Was wird nun daraus in einer möglichen neuen Regierung unter SPD-Beteiligung?
Die Reform des Abstammungsrechts und die Ergänzung von Artikel 3 Grundgesetz zum Schutz queerer Menschen sind fester Bestandteil unseres Programms. Ich bin außerdem froh, dass wir uns als Partei sehr klar positioniert haben: Die SPD steht hinter dem Selbstbestimmungsgesetz und den bisherigen queer-politischen Errungenschaften. Ein Zurück wird es mit uns nicht geben. Wir planen zudem eine Weiterentwicklung des Nationalen Aktionsplans. Für eine Änderung des Grundgesetzes allerdings benötigen wir eine 2/3-Mehrheit im Bundestag – und von Union und AFD ist keine Unterstützung zu erwarten.
Die Union will das Selbstbestimmungsgesetz rückabwickeln. In einer möglichen Koalition von Union und SPD: Wie standhaft schätzen Sie da das Gesetz noch ein?
Um ehrlich zu sein: Manche Regelungen im Selbstbestimmungsgesetz hätten wir uns sparen können. Aber das Gesetz in seiner jetzigen Form war ein Kompromiss, um es mit der wankelmütigen FDP überhaupt durch den Bundestag zu bekommen. Was die Union jetzt damit vorhat, sagt nach meiner Auffassung mehr über die Union aus als über das Gesetz: Friedrich Merz und die Seinen verwischen die Grenze zum Populismus. Sie nehmen für einige Stimmen mehr eine feindliche Stimmung gegen Minderheiten in Kauf, die ich unerträglich finde. Und mich bedrückt ernsthaft, dass die Union damit sich selbst in Gefahr bringt: Zu glauben, man könne Populisten schrumpfen, indem man selbst populistisch wird, funktioniert nicht. Man macht so nur den Populismus groß: Die Menschen wählen im Zweifel eben doch lieber das Original. Für mich und meine Partei kann ich jedenfalls klar sagen: Das Selbstbestimmungsgesetz bleibt.
Ein großes Thema in der Community ist die stetig steigende Hasskriminalität, zuletzt gab es einen Anstieg von 65 Prozent innerhalb eines Jahres in Deutschland, 90 Prozent der Straftaten werden erst gar nicht angezeigt. Was lässt sich für mehr Sicherheit tun?
Wenn die Zahlen in der Statistik steigen, dann liegt darin auch eine gute Nachricht: Immer mehr Betroffene trauen sich, die Straftaten anzuzeigen. Und immer mehr Beamt:innen sind gut sensibilisiert, um den Fall dann auch korrekt zu erkennen und einzuordnen. Das gesellschaftliche Klima hat sich definitiv verändert. Hass und Gewalt haben zugenommen, das spüren wir alle im Alltag. Ich bin deshalb Nancy Faser dankbar, die gleich zu Beginn ihrer Amtszeit den Arbeitskreis "Bekämpfung homophober und transfeindlicher Gewalt" in ihrem Ministerium eingerichtet hat – mit Vertreter*innen der Zivilgesellschaft, der Landes- und Bundesbehörden. Dieser Arbeitskreis hat einen umfassenden Bericht mit zahlreichen klugen Maßnahmen zur Verbesserung der Anzeigebereitschaft und zur Sensibilisierung der Beamten vorgelegt. Diese Maßnahmen müssen wir in Zusammenarbeit mit den Landesbehörden vollständig umsetzen. Zu der Stärkung der Sicherheit gehört aber auch der Mut, Diskriminierungen anzusprechen, Opfer zu unterstützen und Täter:innen zu benennen.

Viele in der Community sind besorgt, wohin sich Deutschland entwickelt, zehntausende queere Menschen gingen in diesem Monat bei Demonstrationen bundesweit auf die Straße. Wie blicken Sie auf die kommenden Jahre in Deutschland und weltweit?
Mich besorgt die Entwicklung in diesem Land ebenfalls sehr. In welche Richtung wir uns in den nächsten Jahren weiterentwickeln, das entscheidet sich maßgeblich am Handeln der Union. Ich wünsche unserem Land und auch dieser Partei selbst von Herzen, dass sie zurück auf den Weg einer aufrechten, konservativen Partei findet. Eine solche Partei hat über die letzten 75 Jahre viel zur Stabilität in unserem Land beigetragen. Aber wenn die Union den eingeschlagenen populistischen Kurs weiterverfolgt, dann wird sie irgendwann in sich zusammenfallen – und das Land dem Faschismus preisgeben. Das zeigen die Erfahrungen aus all den Ländern, in denen ehemals stolze konservative Parteien begonnen haben, populistisch zu werden. Die Art, wie einige Kollegen aus dieser Partei die angesprochenen Demonstrationen aktuell diskreditieren, macht mir da ehrlich gesagt wenig Hoffnung auf Einsicht. Es ist also an uns, unsere Rechte und unsere liberale Gesellschaft zu verteidigen. In den letzten Jahren hat sich das gesellschaftliche Klima leider stark verändert. Populismus und Queerfeindlichkeit sind wieder salonfähig geworden. Hass und Hetze, insbesondere im Netz sind in erschreckendem Maße alltäglich. Auch die Gewalt gegen queere Menschen hat deutlich zugenommen. Wir erleben weltweit einen massiven Rollback, der von autokratischen Kräften vorangetrieben wird. Es ist erschreckend, dass Erreichtes und längst sicher Geglaubtes wieder zur Diskussion steht und das manche Parteien in unserem Land rechtliche Diskriminierung aktiv wieder einführen möchten. Für mich ist das aber auch ein starker Antrieb: Ich werde mit all meiner Kraft unsere Rechte verteidigen.
Herr Droßmann, vielen Dank für das Gespräch.