Missbrauch in der Kirche Bittere Bilanz der Opfer: "Mafiöse Strukturen", um die Täter zu schützen
Die Betroffenen-Initiative „Eckiger Tisch“ zieht morgen offiziell Bilanz zu den Missbrauchsfällen in der römisch-katholischen Kirche. Was ist 15 Jahre nach den ersten Bekanntmachungen 2010 passiert? Gegenüber der Deutschen Presse-Agentur erklärte Sprecher Matthias Katsch bereits vorab, dass die Aufarbeitung der Fälle gescheitert ist – mehr noch, die Kirche betreibt offenbar nach wie vor ein Vertuschungssystem.
„Mafiöse Strukturen“
Katsch betont so: „Es offenbart geradezu mafiöse Strukturen in der Kirche, wenn es darum ging, Täter vor den Konsequenzen ihrer Verbrechen zu schützen.“ Es gebe dabei „zahlreiche vergleichbare Fälle“, wie die Initiative bestätigt. Immer wieder soll es so vorgekommen sein, dass auffällig gewordene, übergriffige Priester kurzerhand nach Lateinamerika oder Afrika versetzt worden sind, wo sie ungehindert weiter arbeiten konnten – und offenbar auch ungehindert weiter ihren Neigungen nachgehen konnten. Nachdem die Taten verjährt waren, kamen einige Geistliche dann wieder nach Deutschland zurück. Die Sachlage wurde zuletzt auch vom ARD-Magazin „report München“ bestätigt.
Keine Reue, kein Umdenken
Bereits 2022 hielt die Kanzlei Westphal, Spilker und Wastl in einem Gutachten fest, dass allein im Erzbistum München und Freising fast 500 Minderjährige sexuell von Geistlichen missbraucht worden waren. Die Rede war von einem „erschreckenden Phänomen der Vertuschung“. Dabei zeigte das Gutachten laut den Rechtsanwälten klar auf, dass ein tatsächliches Umdenken oder echte Reue in der katholischen Kirche nicht stattgefunden haben – so die Faktenlage 2022.
Anfang 2025 zieht nun die Betroffenen-Initiative eine ähnlich vernichtende Bilanz: „Die Aufklärung und Aufarbeitung dieses katholischen Missbrauchsskandals in Deutschland muss aus Sicht vieler Betroffenen als gescheitert angesehen werden.“ Kritik kommt dabei auch gegenüber der Justiz auf: „Man hat uns, die Opfer, mit der Täterorganisation weitgehend allein gelassen.“
Genaue tatsächliche Zahlen, wie viele Jugendliche durch Priester in den letzten Jahrzehnten sexuell missbraucht worden sind, gibt es bis heute nicht – viele Fälle wurden vertuscht oder nie publik. Im Jahr 2018 listete die MHG-Studie fast 3.700 minderjährige Opfer und etwa 1.700 Täter auf. Experten sind sich einig, dass die tatsächliche Zahl um ein Vielfaches höher liegt.
Aufarbeitung auf Freiwilligenbasis
Katsch vom „Eckigen Tisch“ betonte dazu: „In der Folge wäre es notwendig und geboten gewesen, diese konkreten Fälle aufzuklären und dafür auf Bistumsebene und bei den Ordensgemeinschaften in allen vorhandenen Akten zu recherchieren sowie die Ergebnisse dieser Untersuchungen öffentlich zu machen. Nichts von dem ist geschehen.“ Weiterhin basiere die Aufarbeitung auf der Freiwilligenbasis der einzelnen Bischöfe vor Ort.
„Diese Art von 'Aufarbeitung' ist für die Betroffenen weitgehend nutzlos. Sie erfahren nichts über ihren Täter, nichts über ihren Tatort, über weitere Betroffene, es gibt keine Auseinandersetzung mit der Gewaltgeschichte in den betroffenen Einrichtungen, in denen die Täter ihr Unwesen treiben konnten (…) Kein einziges Verfahren bei einer deutschen Staatsanwaltschaft, die nach 2018 angestrengt wurden, hat zu irgendeinem Ergebnis geführt. Kein einziger Bischof oder Ordensobere musste sich verantworten“, so Katsch. Bis heute warten Opfer auch nach wie vor auf eine angemessene Entschädigung, viele Betroffene seien dabei inzwischen „müde und verzweifelt“, so die Bürger-Initiative.