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Bistum Münster stellt neue Missbrauchs-Studie vor

Die Kirche – ein Ort des Missbrauchs? Keine Zuversicht mehr in die Reformfähigkeit der Kirche – Generalvikar aus Speyer tritt aus

ms - 13.06.2022 - 11:00 Uhr
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Einmal mehr wird die römisch-katholische Kirche von Details über den systematischen Missbrauch von Minderjährigen erschüttert. Nachdem bereits zu Beginn des Jahres ein Gutachten aus München-Freising zeigte, wie in mindestens 500 Fällen konsequent vertuscht und sexueller Missbrauch verschwiegen wurde bis hinauf zum emeritierten Papst Benedikt XVI., sorgt das heutige Gutachten aus Münster abermals für eine Erschütterung – es dürfte sehr wahrscheinlich nicht die letzte dieser Art gewesen sein.

Besonders fassungslos macht im heutigen Gutachten dabei der Fall eines pädophilen Priesters, der in 43 Jahren in Amt und Würden insgesamt vierzehn Mal versetzt und sogar zweimal strafrechtlich verurteilt wurde – und trotzdem bis zuletzt nicht von der Kirche selbst gestoppt, sondern stattdessen trotz Verurteilung als Sexualstraftäter weiter als Priester eingesetzt worden ist. Erschütternd an dem jüngsten Gutachten ist dabei die Tatsache, dass das bewusste Wegschauen in den gesamten Strukturen des Bistums in Münster umgesetzt worden ist – von den Kirchenfrauen bis zum Ministranten bekamen fast alle mit, was geschehen ist. Im Falle des erwähnten Priesters lud dieser immer wieder Kinder in seine Wohnung ein, fasste sie an und missbrauchte sie sexuell. Die Kinder erzählten davon anderen Menschen aus der Kirche - ohne Konsequenzen. Mindestens 21 Fälle von Missbrauch sind bestätigt, die Dunkelziffer wird viel höher geschätzt.

Die Studie selbst erstreckt sich über eine Zeit von 1945 bis 2020. Das ist insofern zudem brisant, weil bereits vor über einem Jahrzehnt ein erstes Gutachten aus München-Freising den strukturellen Missbrauch in der römisch-katholischen Kirche offenlegte. Die Kirchenoberen versprachen damals sofortige Besserung und taten offenbar weiter nichts – auch das zweite Gutachten aus Bayern und nun ebenso aus Münster belegen, dass von einem Wandel in der Kirche oder gar einer wirklichen Reue nichts zu spüren ist. Im Fall des Priesters, der in Münster im Mittelpunkt steht, endet die Geschichte ebenso unrühmlich: Nach jeder Versetzung kam es immer wieder zu sexuellen Übergriffen – im Priesterzimmer, der Wohnung, während des Nachhilfeunterrichts, im Auto, während Freizeitveranstaltungen der Kirche und vielen weiteren Gelegenheiten; bei einer Autofahrt in die Skifreizeit baute der Priester sogar einen Unfall, der wahrscheinliche Grund: Ein Junge saß auf seinem Schoß. Was tat die Kirche? Sie gab dem Priester eine eigene Pfarrstelle in Recklinghausen. Zwei Jahre später wird er erneut von Eltern angezeigt, weil er drei Jungen missbraucht hat. Das Gericht stuft zum Unverständnis aller Beteiligten den Fall als “minderschwer“ ein – es gibt keine Auflagen, kein öffentliches Verfahren, nur eine Geldstrafe von 12.500 DM, bezahlt von der Kirche. Die Kirche zieht den Priester kurz ab, bevor sie ihn erneut als Jugend-Seelsorger in zwei Krankenhäusern einsetzt. Mit 58 Jahren geht der Priester in den Ruhestand, 2007 verstirbt er – bis zu seinem Tod musste sich der Mann nie für seine Taten vor der Kirche verantworten. Ein Fall von vielen – in Münster wie in München und in vielen weiteren Bistümern.

Wirkliche Konsequenzen gibt es auch für alle, die wegschauten, bis heute nicht. Passend zu den jüngsten Offenbarungen aus Münster sorgte kurz zuvor auch der Austritt von Generalvikar Andreas Sturm für Aufsehen. Der ranghohe Geistliche galt als Reformer, hatte sich für Segnungen von Homosexuellen ausgesprochen und erklärt: „Ich habe Wohnungen, Autos, Fahrstühle und unzählige Rosenkränze gesegnet und soll zwei Menschen nicht segnen können, die sich lieben? Das kann nicht Gottes Wille sein.“ Nun ist der Generalvikar aus der römisch-katholischen Kirche ausgetreten. Er habe keine Zuversicht mehr in die Reformfähigkeit der römisch-katholischen Kirche, so Sturm: „Ich muss raus aus dieser Kirche, in der Missbrauchstäter viel zu lange ihre Verbrechen durchführen konnten und gedeckt wurden.“

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