Schwule Obdachlose Anstieg bei Angriffen von 35 Prozent binnen fünf Jahre
Bereits im letzten Jahr schlug die LGBTI*-Organisation ILGA Europe Alarm und erklärte, dass die Zahl der Homosexuellen und queeren Menschen unter den Obdachlosen in Europa rapide ansteigt. Zwischen 20 und 40 Prozent der derzeit obdachlosen Menschen in Deutschland sind Teil der LGBTI*-Community. Die neusten Daten des Bundesinnenministeriums zeigen nun in diesen Tagen zudem auf, dass die Gewalt gegen Obdachlose in den vergangenen Jahren stark angestiegen ist.
Dramatischer Gewaltanstieg
Die Polizei verzeichnete im vergangenen Jahr mehr als 2.100 Straftaten gegen Obdachlose – fünf Jahre zuvor im Jahr 2018 waren es noch 560 Fälle weniger, ein Anstieg um 35 Prozent. Dabei vermuten die Experten und Ermittler, ähnlich wie bei der Hasskriminalität gegenüber Homosexuellen, dass die allermeisten Übergriffe gar nicht erst zur Anzeige kommen und damit auch nicht erfasst werden.
„Ablehnung durch die Familie, höhere Armutsraten, Mangel an institutionelle und gemeinschaftliche Unterstützung sowie Diskriminierung durch Vermieter und Arbeitgeber tragen alle zu dieser erhöhten Gefährdung bei“, so die ILGA Europe. Dazu komme, dass homosexuelle Obdachlose bis heute oftmals „unsichtbar“ bleiben bei den Anlaufstellen und ihre besondere Lage nicht mitgedacht werde – viele von ihnen erleben so in Unterkünften für wohnungslose Menschen erneut Angriffe und Homophobie seitens anderer Obdachloser.
Alleingelassen – auch in der Community
Gerade bei jungen Homosexuellen zeichnet sich eine besonders dramatische Lage ab, da sie überdies durch die ständige Scham und das Stigma auch von einem Coming-Out abgehalten werden. „Man kann sich nicht als LGBTI* outen, wenn man Angst um seine persönliche Sicherheit hat, und gleichzeitig kann man sich in der LGBTI*-Community nicht als obdachlos outen, weil man Angst vor Ausgrenzung durch Gleichaltrige hat“, so die ILGA weiter.
Aus der Obdachlosigkeit wieder herauszukommen, ist für viele Homosexuelle dabei überdies besonders schwierig aufgrund von vielseitiger Diskriminierung und Homophobie, beispielsweise auf dem Arbeits- oder Wohnungsmarkt. Knapp jeder zehnte homosexuelle Obdachlose lebt und schläft auf der Straße, so die Daten der LGBTI*-Umfrage II der Europäischen Grundrechteagentur (FRA). In der Befragung sagten zudem 38 Prozent der obdachlosen Schwulen und Lesben aus, dass sie bereits körperliche Gewalt erlebt haben – die Zahlen scheinen dabei nun zuletzt noch weiter angestiegen zu sein.