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Freiheit für Manuel Guerrero Aviña

Freiheit für Manuel Aviña Was mir passiert ist, könnte jedem passieren! Ich wurde nur deswegen ins Visier genommen, weil ich schwul bin."

ms - 20.08.2024 - 12:00 Uhr
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Vor einer guten Woche durfte der britisch-mexikanische Ex-Airline-Mitarbeiter Manuel Guerrero Aviña in seine Heimat England zurückkehren – mehrere Monate befand sich der heute 45-Jährige in den Fängen des Emirats Katar. In einem  Scheinprozess war er zuvor zu sechs Monaten Haft auf Bewährung und einer Geldstrafe verurteilt worden, angeblich aufgrund von Drogenbesitzes. 

Tatsächlich nahmen ihn verdeckte Ermittler fest, nachdem er ein Date über die schwule Dating-App Grindr verabredet hatte. Nun erstmals hat Aviña nach seiner Freilassung über seine Zeit in jenem Land berichtet, in dem Homosexualität bis heute mit der Todesstrafe geahndet werden kann. 

Monate in ständiger Angst 

Im Interview mit der BBC stellt der HIV-positive Mann dabei unmissverständlich klar: „Was mir passiert ist, könnte jedem passieren! Ich wurde nur deswegen ins Visier genommen, weil ich schwul bin. Ich kann nur allen LGBTI*-Personen raten, sehr vorsichtig zu sein, wenn sie Katar besuchen.“

Insgesamt 44 Tage verbrachte der ehemalige Airline-Mitarbeiter in einem katarischen Gefängnis, anschließend folgte die Inhaftierung im Land – ihm wurde die Ausreise verboten. „Es gab so viele Momente, in denen ich schreckliche Angst hatte. Ich dachte, ich würde nie wieder nach Hause zurückkehren können. Ich war mir sicher, ich würde in dem System verloren gehen.“ 

Verhör über Sexualpartner

Erneut bestreitet er gegenüber der BBC auch den Vorwurf, Drogen besessen zu haben – Polizeibeamte hätten diese Substanzen in seinem Zimmer deponiert. Der wahre Grund für seine Verhaftung sei immer nur seine Homosexualität gewesen: „Während des gesamten Verhörs haben sie mich immer nur nach meinen Sexualpartnern gefragt, nach meiner sexuellen Orientierung, ob ich Sex hatte, mit wem ich Sex hatte und solche Dinge. Wäre es nur ein Drogenfall gewesen, hätten sie mich doch zumindest einmal auch nach Drogen befragt.“

Während seiner gesamten Zeit im Gefängnis ging es dann auch weiterhin nur um seine Homosexualität – auch vor Folter schreckte das Emirat dabei offensichtlich nicht zurück: „„Sie versuchten, mich zu zwingen, zu gestehen und mein Telefon zu entsperren und die Namen und Telefonnummern anderer, in Katar lebender schwuler Männer preiszugeben. Aber ich konnte andere Männer aus der Gay-Community einfach nicht in Gefahr bringen. Warum sollte ich jemand anderem diese Qualen zumuten?“ 

Ihm selbst verweigerte man während der gesamten Zeit auch seine HIV-Medikamente. Mehrfach erlebte der 45-Jährige zudem außerdem, wie andere Gefängnisinsassen ausgepeitscht wurden. Schlussendlich habe man ihn gezwungen, ein auf Arabisch verfasstes Geständnis zu unterzeichnen – ein Anwalt oder ein Übersetzer waren dabei nicht anwesend.

Reform des Rechtssystems gefordert 

Der ehemalige britische Diplomat in Katar und Co-Direktor der Menschenrechtsorganisation FairSquare, James Lynch, bezeichnete den Prozess als „grob unfair“ und verglich ihn mit anderen, sehr ähnlich gelagerten Fällen  gegen Homosexuelle: „Manuel wurde eindeutig ins Visier genommen, weil er LGBT ist, in Katar lebt und sein Leben lebt. In den letzten drei Jahren hatten wir es mit mehreren Fällen zu tun, in denen homosexuelle Menschen verhaftet und dann ohne einen Anwalt verhört wurden. Die Katarer müssen die Art und Weise, wie in ihrem Land Recht gesprochen wird, dringend in Ordnung bringen.“

Leben hinter verschlossenen Türen

Aviña, der sowohl für British Airways wie auch Qatar Airways gearbeitet hat, lebte sieben Jahr lang selbst im Emirat. „Es schien ein ungeschriebenes Gesetz zu geben, dass alles, was unter vier Augen geschieht, in Ordnung ist. Ich dachte daher, ich wäre sicher, wenn ich mich in der Öffentlichkeit diskret verhielt und die Regeln befolgte und nur hinter verschlossenen Türen versuchte, ein wenig zumindest mein wahres Leben zu leben.“

In Großbritannien wird er inzwischen wieder ärztlich bestmöglich betreut und schätzt heute scheinbar banale Selbstverständlichkeiten der schwulen Community viel höher ein als zuvor: „Es geht nicht darum, überall Symbole wie Regenbögen oder Flaggen zu sehen. Es geht vielmehr darum, dass es ein großartiges Gefühl ist, einige der kleinen Dinge wiederzuerlangen, von denen man gar nicht weiß, dass man sie verloren hat, bis man sie wieder hat. Dinge wie schwule Männer zu sehen, die auf der Straße Händchen halten, mit ihrem Freund zärtlich sein dürfen, ohne darüber nachdenken zu müssen, wie sie im Moment in der Öffentlichkeit miteinander umgehen oder ob sie das nicht besser nur hinter verschlossenen Türen tun sollten.“

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