Hasskriminalität Deutschland Dramatischer Anstieg bei Attacken gegen LGBTI*-Menschen 2023!
Auch im Jahr 2023 sind die Fälle von Hasskriminalität gegenüber LGBTI*-Menschen in Deutschland einmal mehr massiv angestiegen: Heute Mittag meldete das Bundesinnenministerium, dass es im vergangenen Jahr zu insgesamt 2.353 Straftaten im Bereich sexuelle Orientierung (davon 288 Gewaltdelikte) und „Geschlechtsbezogene Diversität“ (davon 117 Gewaltdelikte) gekommen ist. Das entspricht einer Zunahme von insgesamt rund 65 Prozent im Vergleich zu 2022.
Gewalttrend geht weiter
Im Detail: Im Themenfeld „Geschlechtsbezogene Diversität“ wurden 854 Straftaten im Jahr 2023 erfasst – 2022 waren es noch 417. Im Themenfeld „Sexuelle Orientierung“ wurden 1.499 Straftaten erfasst, im Jahr 2022 lag diese Zahlen noch bei 1.005 Fällen. Deutschland liegt dabei bedauerlicherweise weiter im Trend, in vielen europäischen Ländern stiegen zuletzt die Fallzahlen immer weiter an. In der Bundesrepublik ist seit 2016 eine rapide Zunahme der Fälle registriert worden, teilweise haben sich die Angriffe binnen eines Jahres verdoppelt. Auch bei den Pride-Demonstrationen im letzten Jahr war es immer wieder zu teils sehr gewalttätigen Übergriffen gekommen.
Das Credo der Bundesregierung mit Blick auf die Zahlen ist einmal mehr, dass man sich damit nicht abfinden dürfe und verstärkter gegen Hass vorgehen müsse. Ähnliches erklärte bereits im letzten Jahr auch der Queer-Beauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann. Bundesinnenministerin Nancy Faeser erklärte heute bei der Vorstellung der jüngsten Zahlen: „Wir sehen einen neuen Höchststand von Straftaten, die sich gegen unsere offene und freiheitliche Gesellschaft richten (…) Wir müssen unmissverständlich zeigen, dass der Rechtsstaat diese Gewalt nicht hinnimmt.“
Auch insgesamt ist im Bereich der Hasskriminalität im Jahr 2023 mit rund 17.000 Fällen ein deutlicher Anstieg zu verzeichnen – knapp 48 Prozent mehr als noch 2022. Um knapp sechs Prozent stieg dabei die Zahl der verletzten Opfer auf 1.759 Personen im Jahr 2023. Politisch motivierte Tötungsdelikte sind sogar um mehr als das Doppelte angestiegen: 2023 wurden siebzehn versuchte und drei vollendete Tötungsdelikte gemeldet.
Lehmann: Jede Hasstat ist eine zuviel
Zu den jüngsten Zahlen und dem massiven Anstieg um 65 Prozent der Fälle im Bereich LGBTI* erklärte Lehmann: „Jede Hasstat ist eine zu viel. Die aktuellen Zahlen zu Hasskriminalität sind alarmierend. Jeden Tag werden im Schnitt mindestens sechs Angriffe auf Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche sowie andere queere Menschen (LSBTIQ*) registriert. Bei allen politischen und rechtlichen Fortschritten bleiben LSBTIQ* eine verwundbare Gruppen (…) Es gibt politische Kräfte, die gegen LSBTIQ* mobilisieren, emanzipatorische Erfolge wieder zurücknehmen und eine antidemokratische und autoritäre Gesellschaftsordnung etablieren wollen.“
Und weiter: „Der Anstieg der registrierten Fälle bedeutet aber auch, dass mehr Delikte zur Anzeige gebracht werden. Auch ein zunehmendes Bewusstsein bei den Polizeien und Sicherheitsbehörden trägt dazu bei, dass die Fälle als Hasskriminalität eingestuft und verfolgt werden können. Es ist sehr wichtig, dass queere Menschen sich trauen, solche Taten anzuzeigen und nicht stillschweigend hinnehmen. Menschenfeindliche Taten sind kein Kavaliersdelikt.“ Lehmann hofft dabei nach wie vor auf eine Ergänzung des Grundgesetzes in Artikel 3.3 zum Schutz der „sexuellen Identität“.
Viele Angriffe bleiben im Dunkelfeld
In puncto LGBTI*-Rechte kam Deutschland zuletzt beim europäischen Ranking der ILGA Europe zwar erstmals unter die Top-10, die jüngsten Zahlen der Europäischen Grundrechteagentur (FRA) von diesem Jahr zeigten aber deutlich auf, dass es zu immer mehr Gewalttaten und Übergriffen kommt und diese auch an Radikalität immer weiter zunehmen.
In Deutschland werden dabei 90 Prozent der Fälle gar nicht erst angezeigt, zumeist aus Scham oder Angst der Opfer. Hochgerechnet auf die jüngste Statistik des Bundesinnenministeriums kann in der Bundesrepublik also von rund 19.000 Hassverbrechen gegenüber LGBTI*-Menschen im Jahr 2023 ausgegangen werden.
Besonders dramatisch laut der FRA-Auswertung ist die Lage dabei an Schulen: 70 Prozent der LGBTI*-Schüler in Deutschland erleben Anfeindungen und Mobbing. Jeder dritte homosexuelle Schüler denkt über Suizid nach, 28 Prozent von ihnen wurden gezwungen, sich einer Konversionstherapie zur „Heilung der Homosexualität“ zu unterziehen. Zwei Drittel von ihnen (72%) erlebt keine Unterstützung in der Schule.