Streit um „Sex-Kaiser“ Großbritannien diskutiert über die Sexualität sowie Geschlechtsidentität eines sexfreudigen Kaisers im Römischen Reich
Ein skurriler Streitfall sorgt derzeit in der britischen LGBTI*-Community für Aufsehen und hitzige Diskussion, im Mittelpunkt dabei steht der römische Kaiser Marcus Aurelius Antoninus, nach seinem Tod bekannt geworden unter dem Namen „Elagabal“ in Anlehnung an einen, von ihm verehrten Sonnengott. Der Jungspund regierte das Römische Reich gerade einmal vier Jahr lang, bevor er mit nur 18 Jahren im Jahr 222 nach Christus ermordet wurde. Er ging in die Geschichtsbücher als äußerst sexfreudiges Regierungsoberhaupt ein.
Bezeichnung als „Dame“
Elagabal war offenbar mehrfach verheiratet mit Männern und Frauen und für seine sexuelle Promiskuität bekannt, immer wieder ist auch die Rede von ständigen Sex-Orgien zu jeder Tages- und Nachtzeit während seiner Regentschaft. Das führte zu viel Missgunst in den höchsten Kreisen Roms, weswegen man ihn gerne beleidigend als „Dame“ bezeichnete, eine Abwertung, die auf seine schwulen sexuellen Erlebnisse zurückzuführen ist. Elagabal soll daraufhin einmal erwidert haben: „Nenne mich nicht Herr, denn ich bin eine Dame.“ Man könnte es als schwules oder bisexuelles Coming-Out deuten, falls er dies wirklich je gesagt hat.
War der Kaiser eine Transfrau?
Das North Hertfordshire Museum interpretiert die mögliche Aussage des jungen Kaisers anders und hat daraufhin jetzt angekündigt, Elagabal als Transfrau mit den Pronomen „sie“ zu identifizieren. Ein Sprecher des Museums erklärte, man habe diese Entscheidung aus „Höflichkeit und Respekt“ sowie aus „Sensibilität für die Identifizierung von Pronomen für Menschen in der Vergangenheit“ getroffen. Und weiter: „Wir versuchen, bei der Benennung von Pronomen für Menschen in der Vergangenheit genauso sensibel zu sein wie für Menschen in der Gegenwart.“ Im Rahmen einer Ausstellung zum Thema LGBTI* stellt das Museum auch eine Münze aus Elagabals Regierungszeit aus.
Anerkennung oder Geschichtsfälschung?
Seitdem wird in Großbritannien in wissenschaftlichen Kreisen sowie auch in der LGBTI*-Community heftig darüber gestritten, wie sinnvoll oder realistisch dieser Schritt einzuschätzen ist – für die einen ist eine längst fällige Anerkennung, für die anderen pure Geschichtsfälschung oder sogar Rufschädigung.
Problematisch ist alledem, dass die wenigen Zeugnisse und Überlieferungen aus diesen Jahren sehr ungenau, mehrdeutig und keineswegs sachlich sind. In historischen Aufzeichnungen finden sich so beispielsweise Texte, die erklären, dass Elagabal mit einem ehemaligen Sklaven und späteren Wagenlenker verheiratet gewesen sein soll und offenbar gerne Make-up und Perücken trug. Zudem soll er sich gerne als „Domina“ angesprochen haben lassen.
Schwulen-Bashing in den Geschichtsbüchern?
Mehrere Historiker äußerten sich inzwischen klar kritisch zu der Neudefinition des Kaisers, beispielsweise Andrew Wallace-Hadrill, Professor für Klassische Philologie in Cambridge: „Die Römer hatten nicht unsere Vorstellung von ´trans´ als Kategorie, aber sie benutzten Anschuldigungen über sexuelles Verhalten ´als Frau´ als eine der schlimmsten Beleidigungen gegen Männer.“
So bleibe auch offen, ob Elagabal sich tatsächlich jemals als Frau oder Domina bezeichnet habe, oder ihm der damalige Chronist dies als Ablehnung seiner Homosexualität zuschrieb, um ihn als schwul zu diskreditieren. Das Heikle daran: Genau jener Chronist, auf den die Textpassagen rund um die angeblichen Zitate des Kaisers als „Dame“ und „Domina“ zurückgehen, diente nachweislich Kaiser Severus Alexander – dem Erzfeind und Nachfolger von Elagabal. Wie glaubhaft können seine Überlieferungen also überhaupt sein?
Dazu würde auch die Art von Elagabals Ermordung passen – der junge Kaiser war im März 222 mitsamt seiner Mutter von Soldaten ermordet, geschändet und anschließend in den Tiber geworfen worden. Der römische Senat beschloss kurz darauf die „Verdammung des Andenkens“ von Elagabal.
„Das meiste davon hängt mit der aristokratischen und senatorischen Verachtung für die orientalische Herkunft und den Glauben des Kaisers zusammen. Was die Transsexualität betrifft, so wurde sie von den Römern natürlich nie als Kategorie angesehen. Aber es ist nach wie vor so, dass in Zeiten von Schwierigkeiten und Krisen sogenannte Übertreter der Sexualnormen zum Sündenbock gemacht wurden“, erklärt so der Klassizist Prof. Christian Laes von der University of Manchester.