Mobbing in der Schule Viele junge LGBTI*-Jugendliche sind davon besonders stark betroffen – ändert sich das jetzt in Frankreich?
Frankreich will jetzt mit radikalen Mitteln gegen Mobbing an Schulen vorgehen – davon besonders betroffen sind homosexuelle und queere Jugendliche. Allein in diesem Jahr wurden mehrere Fälle bekannt, in denen sich minderjährige schwule Jugendliche nach monatelangen Angriffen von Mitschülern umgebracht haben. Anfang des Jahres hatte sich so beispielsweise der 13-jährige Lucas aus den Vogesen erhängt – vier seiner gleichaltrigen Mitschüler wurden des Mobbings im Sommer dieses Jahres schuldig gesprochen. Erst vor wenigen Tagen beging dann ein 15-jähriger Schüler namens Nicolas aus einem Pariser Vorort Suizid, auch er war immer wieder gehänselt, beschimpft und in den sozialen Netzwerken angegriffen worden.
Harte Hand gegen Mobbingtäter
Damit soll jetzt Schluss sein, weswegen Frankreichs Regierung nun umfassende gesetzliche Maßnahmen gegen Mobbing in der Schule angekündigt hat. Bei Fällen mit Todesfolge sollen Täter mit bis zu zehn Jahren Haft bestraft werden können. Bei allen anderen Angriffen sollen künftig die Täter von der Schule verwiesen werden – bisher mussten oftmals die Mobbingopfer zwangsweise die Schule wechseln. Auch müssen die Täter dann Sozialstunden ableisten.
Zudem sind weitere Strafmaßnahmen für mobbende Schüler geplant, darunter ein bis zu einjähriger Ausschluss aus allen sozialen Netzwerken. Die französische Premierministerin Élisabeth Borne sprach von einem „Elektroschock für die Gesellschaft“, niemand dürfe Mobbing künftig noch bagatellisieren. Kommt es zu Angriffen dieser Art, soll dann zeitnah die Justiz eingeschaltet werden – es gehe dabei um Vorbeugen, Aufklären und schnelles Reagieren.
Außerdem ist für Borne auch klar: Der Kampf gegen das Mobbing an den Schulen muss „unerbittlich“ geführt werden. Die Ministerin hat so bereits angekündigt, dass mehrere weitere Ministerien in das Vorhaben mit eingebunden werden. Dabei zeige eine aktuelle Studie auf, dass mindestens jedes zehnte Kind in Frankreich von Mobbing betroffen ist, insbesondere Minderheiten wie LGBTI*-Jugendliche – insgesamt ist die Rede von mehr als 1,2 Millionen Kindern und Jugendlichen, die in Frankreich Mobbing ausgesetzt sind. Die Kernaussage der Regierung ist deswegen auch: „Die Angst muss das Lager wechseln!“
Umdenken bei Schulen und Behörden
Bornes radikaler Kurs soll auch ein deutliches Warnsignal für Schulleitungen sein, immer wieder war es vorgekommen, dass hier Mobbingvorwürfe heruntergespielt worden waren. Im Fall von Nicolas hatten die Eltern für einen Schulwechsel gesorgt, doch auch hier gingen die Angriffe weiter. Als sich die Eltern daraufhin an die Schulleitung und die verantwortliche Behörde, die Akademie von Versailles wendeten, hatten diese die Sachlage nicht ernst genommen – mehr noch, die Leiterin der Akademie drohte Nicolas‘ Familie sogar mit einer Anzeige wegen falscher Anschuldigungen. Die Eltern sollten doch eine „konstruktive und respektvolle Haltung“ einnehmen.
Bildungsminister Gabriel Attal hatte kurz nach der Beerdigung des 15-Jährigen noch vor Ort erklärt: „Dieser Brief ist eine Schande. Jedes Drama ist eines zu viel, das uns ermahnt, das wir den Anforderungen immer noch nicht genügen!“ Jeder, der mit Kindern und Jugendlichen arbeite, soll künftig sensibilisiert werden – in jedem Lehrerzimmer solle es künftig zudem Krisenstäbe geben, so Attal weiter.
Mobbing erfordert sofortige Reaktion
Die bisher angelaufenen Präventionsprogramme scheinen bisher noch wenig Wirkung zu entfalten; Frankreich hinke im Kampf gegen Mobbing im internationalen Vergleich 20 bis 30 Jahre hinterher, wie Laurent Zameczkowsi, Sprecher der Elternvereinigung PEEP, erklärte. Und die auf Erziehungsrecht spezialisierte Anwältin Valérie Piau erklärte gegenüber dem Tagesspiegel: „Das juristische Arsenal existiert, aber Mobbing erfordert eine fast sofortige Antwort durch die Schule und daran hapert es oft. Das Grundproblem besteht in einer Verwaltung, die systematisch ihr Personal beschützt, bis zur Verleugnung von Tatsachen, und die sich nicht die Zeit nimmt, eine interne Untersuchung zu führen.“
Hier gibt es Hilfe
Die Berichterstattung über Suizid ist ein überaus sensibles Thema. Wir möchten es in KEINSTER Weise glorifizieren oder romantisieren. Viele Menschen die durch Suizid sterben, leiden an einer psychischen Erkrankung. Wenn es dir nicht gut geht oder du daran denkst, dir das Leben zu nehmen, versuche mit anderen Menschen darüber zu sprechen. Das können Freunde oder Verwandte sein. Es gibt aber auch eine Vielzahl von Hilfsangeboten, bei denen du dich melden kannst. Die Telefonseelsorge ist anonym, kostenlos und rund um die Uhr erreichbar. Die Telefonnummern sind 0800/111 0 111 und 0800/111 0 222.
Mit Beratung steht dir auch der Coming Out Verein via Messenger oder E-Mail unter www.coming-out-day.de zur Seite. Weiterhin gibt es von der Telefonseelsorge das Angebot eines Hilfe-Chats. Außerdem gibt es die Möglichkeit einer E-Mail-Beratung. Die Anmeldung erfolgt – ebenfalls anonym und kostenlos – auf der Webseite. Informationen findest du unter: www.telefonseelsorge.de