Blutspende-Richtlinien Wie risikobehaftet ist Analverkehr? Facharzt widerspricht dem LSVD.
Das Deutsche Ärzteblatt stellt jetzt explizit noch einmal die Stellungnahme der Bundesärztekammer zum Thema Blutspende-Richtlinien heraus und bekräftigt deren Aussagen – zuvor hatten Anfang September mehrere Verbände wie beispielsweise der Lesben- und Schwulenverband Deutschland scharfe Kritik geübt; dem hatte sich inhaltlich auch der neue Berliner Queer-Beauftragte Alfonso Pantisano angeschlossen. Besonders im Fokus ist dabei jetzt die Frage danach, wie risikobehaftet Analverkehr wirklich ist.
Vermischen sich Wissenschaft und Politik?
„Bereits in der Vergangenheit vermischte sich häufig die medizinisch-wissenschaftliche Diskussion um die Zulassungskriterien zur Blutspende mit gesellschaftspolitischen Fragen. Auch bei der gerade novellierten und Anfang September bekannt gegebenen Hämotherapie-Richtlinie der Bundesärztekammer (BÄK) ist das wieder der Fall“, so dass Deutsche Ärzteblatt.
Ziel des Vorhabens war es, der Diskriminierung von Homosexuellen bei den Blutspende-Richtlinien ein Ende zu setzen, die bisher besonderen Regularien nur aufgrund ihrer sexuellen Orientierung und dem damit angeblichen höheren Risiko für Geschlechtskrankheiten wie HIV unterlagen. Andre Lehmann aus dem Bundesvorstand des LSVD hatte dazu erklärt: „Die Bundesärztekammer und das Paul-Ehrlich-Institut haben das Ziel einer diskriminierungsfreien Blutspende deutlich verfehlt.“
Analverkehr und Stigmatisierung
In den neuen Richtlinien wird dabei konkret nur nach noch der Anzahl der Sexualpartner und der Sexualpraxis (Analsex) in den letzten vier Monaten gefragt, unabhängig von der sexuellen Orientierung eines Spenders. Gibt es hier mehr als zwei Sexualpartner oder fand Analsex mit einem neuen Partner in diesem Zeitraum statt, wird der potenzielle Blutspende-Kandidat für vier Monate zurückgestellt. Dies gilt ebenso für Sexarbeiter und ihre Kunden sowie für Menschen, die Sex mit einer Person hatten, die mit Hepatitis B, Hepatitis C oder mit HIV infiziert ist.
Der LSVD kritisiert dabei vor allem die Einstufung von Analverkehr als besonders risikobehaftet. „Diese Risikoeinordnung entbehrt jeglicher wissenschaftlichen Grundlage. Zudem wird so die jahrzehntelange Diskriminierung von Sexualbeziehungen zwischen Männern weitergeführt. Die Bundesärztekammer wurde vom Gesetzgeber aber dazu verpflichtet, die Diskriminierung bei der Blutspende endlich vollständig zu beenden.“
Und weiter: „Die Neuregelung trägt zur Stigmatisierung von gleichgeschlechtlichem Sex zwischen Männern als ´schmutzig´ und ´gefährlich´ bei. Für das individuelle Infektionsrisiko ist nicht das Geschlecht des Sexualpartners relevant, sondern die individuelle Gestaltung der Sexualkontakte im Hinblick auf die Vermeidung von Übertragungsrisiken“, so Lehmann weiter. Die Forderung des LSVD sind Nachbesserungen, hier sei der Bundestag gefordert.
Wie gefährlich ist Analverkehr?
Die Bundesärztekammer weist die Diskriminierungsvorwürfe indes jetzt vehement zurück, auch und explizit gegenüber dem Deutschen Ärzteblatt. Dabei widerspricht Prof. Dr. med. Johannes Oldenburg, Verantwortlicher des Ständigen Arbeitskreises „Richtlinien Hämotherapie“ jetzt auch den Aussagen bezüglich des Analverkehrs: „Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass Analverkehr mit einem 100-fach erhöhten Risiko für die Übertragung einer Infektionserkrankung verbunden ist.“
Die Datenlage sei von einer gemeinsamen Arbeitsgruppe aus Vertretungen des Bundesgesundheitsministeriums, des Robert-Koch-Instituts, des Paul-Ehrlich-Instituts und der Bundesärztekammer bereits 2021 gesichtet worden – dies sei laut dem Facharzt weiterhin aktuell, wie er gegenüber dem Deutschen Ärzteblatt bekräftigt: „An der Frage nach Analverkehr als sexuellem Risikoverhalten kommt man also nicht vorbei, wenn es um die Sicherheit von Blut und den daraus hergestellten Blutprodukten geht.“ Die neue Fassung der Hämotherapie-Richtlinien wurden vor zwei Wochen veröffentlicht.